Von null auf 300 Millionen in anderthalb Jahren
Seit Frühjahr 2016 bietet Scalable Capital eine voll digitalisierte Vermögensverwaltung an. Die Zahlen und die Namen der Partner sprechen für sich.
Im großen Arbeitsraum sitzen vor allem jüngere Menschen wie in einem elektronischen Handelssaal vor Bildschirmen, manche mit Headsets im Ohr. Links befinden sich hinter Glas ein paar Besprechungsräume, und vorne vor einer Sitzecke steht ein Fußballkickertisch. Die beiden Geschäftsführer Erik Podzuweit und Florian Prucker begrüßen lässig in TShirt und Jeans. Ganz offensichtlich: Das Unternehmen Scalable Capital mit Sitz in der Münchener Prinzregenten- straße ist ein Start-up, ein junges Unternehmen, das gerade den Markt aufrollt.
Es zählt zu den so genannten Fintechs, den Neuen, die die Finanzbranche mit innovativen, technologisch raffinierten Modellen aufmischen. Scalable Capital bietet eine voll digi- talisierte Vermögensverwaltung an. Das heißt: Selbst der Geschäftskern, die Anlagestrategie, wird emotionslos durch eine Technologie gesteuert. Algorithmen steuern die Auswahl der Vermögenswerte, managen die Risiken und stellen die Vermögensportfolios der Kunden individuell und angepasst an die persönliche wie auch die allgemeine Lage zusammen. Die beiden Unternehmensgründer Podzuweit und Prucker haben dazu mit Stefan Mittnik, Professor für Finanzökonometrie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, zusammengearbeitet. Mittnik begleitet das Start-up weiterhin als wissenschaftlicher Beirat.
Die digitale Vermögensverwaltung ist am Markt voll eingeschlagen. Scalable Capital verwaltet bereits 300 Millionen Euro an Anlagegeldern in mehr als 7000 Depots. Im Dezember 2014 wurde das Unternehmen gegründet. 2015 bauten Podzuweit und Prucker es auf, warben um Investoren, suchten Mitarbeiter, beantragten und bekamen die Erlaubnis der Finanzaufsichtsbehörde Bafin, programmierten die Software. 2016 startete das Geschäft mit Kunden, zunächst in Deutschland, im Sommer auch in Großbritannien.
Unter den Kunden f inden sich auffallend viele Banker, stellt Prucker fest. Offenbar überzeugt die Anlagestrategie auch Finanzprofis. Und insgesamt komme jeder dritte Kunde über Empfehlung, sagt Prucker. Scalable Capital inves- tiert ausschließlich in ETFs, also kostengünstige Indexfonds, die auf Gebühren, Transparenz, Handelbarkeit, steuerliche Behandlung und weitere Kriterien geprüft wurden. Zur Auswahl stehen 1500 ETFs aus allen wichtigen Anlagegruppen (Aktien, Anleihen, Immobilien, Rohstoffe, Geldmarkt) und breit gestreuten Indizes. Außer bei Spezialfällen wie Rohstoffen kommen nur physische ETFs zum Einsatz, bei denen der Emittent die Werte tatsächlich kauft und für die Kunden treuhänderisch verwahrt.
Scalable Capital hat auch alle anderen Dienstleistungen rund um die Vermögensverwaltung automatisiert und digitalisiert – von der Anmeldung und der Depoteröffnung bei der depotführenden Baader Bank bis hin zu Ein- und Auszahlungen oder automatischen Ausnutzung von Steuerfreibeträgen. Die Identifikation erfolgt unterschriftslos per Postident Video. Außerdem haben die Kunden online oder per App Einsicht in sämtliche Portfoliodetails oder angefallene Gebühren. „Durch die konsequente Automatisierung aller Prozesse senken wir die Kosten und können so auch klassischen Privatanlegern eine professionelle Vermögensverwaltung anbieten“, sagt Erik Podzuweit.
Doch nicht nur Privatkunden sind auf das Start-up auf-
„Wir verwalten
individuelle Portfolios von Einzelkunden“
merksam geworden. Seit Januar arbeitet Siemens mit dem digitalen Finanzspezialisten zusammen und empfiehlt seinen Mitarbeitern in Deutschland das automatisch verwaltete ETF-Depot von Scalable Capital. Und im Juni machte das Unternehmen mit der Nachricht auf sich aufmerksam, dass sich der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock beteiligt.
Die Partner ergänzen sich sehr gut, ist Prucker überzeugt: „Wir verwalten individuelle Portfolios von Einzelkunden. Mit unserer Technologie kann Blackrock seinen institutionellen Kunden neue Lösungen anbieten.“Zu den bisherigen Investoren gehören HV Holtzbrinck Ventures und Tengelmann Ventures. Selbst die klassischen Vermögensverwalter haben den Robo-Advisor als einen der ihren akzeptiert: Scalable Capital ist im August 2016 als erster rein digitaler Vermögensverwalter im Verband unabhängiger Vermögensverwalter (VuV) aufgenommen worden.
Dass das Start-up so erfolgreich fliegt, hat wohl selbst die Gründer überrascht, auch wenn sie von ihrem Modell überzeugt waren. Podzuweit und Prucker hatten sich bei ihrem früheren Arbeitgeber, der Investmentbank Goldman Sachs, kennengelernt und gemeinsam die Idee für eine neue Art der Geldanlage entwickelt. Sie sollte kostengünstig sein – daher die ETF-Lösung, automatisiert und durch ein auf wissenschaftlichen Prinzipien basierendes Risikomanagement gesteuert werden. Das Angebot sollte zudem auf allen gängigen Plattformen in mehreren Sprachen laufen, unterschiedliche Währungen, Steuersysteme und regulatorische Anforderungen berücksichtigen und natürlich gut bedienbar sein. Eine Herkules-Aufgabe, die die Jungunternehmer aber offenbar glänzend bewältigt haben.
Florian Prucker
Scalable Capital