INTERVIEW HUBERTUS HEIL „Das Wahlziel heißt 30 Prozent plus x und ist realistisch“
Der SPD-Generalsekretär setzt auf die vielen unentschlossenen Wähler. Über Koalitionen würde er die Parteimitglieder entscheiden lassen.
Die SPD liegt im Wahlkampf abgeschlagen zurück. Glauben Sie an Wunder, um das noch aufzuholen? HEIL Ich habe zwar eine christliche Überzeugung, aber in der Politik glaube ich nicht an Wunder. Das muss ich aber auch nicht, denn wir wissen, dass ein großer Teil der Bürgerinnen und Bürger noch nicht festgelegt ist. Wir haben das Ziel, stärkste Partei zu werden. Das heißt 30 Prozent plus x. Das ist realistisch. Welches Thema wollen Sie denn für eine Wende aus dem Hut zaubern? HEIL Deutschland ist ein starkes Land, aber es wird zu wenig in Zukunft investiert.
Das ist doch ein Allgemeinplatz. HEIL Ich mache es Ihnen gern konkret. Die Bildungsinvestitionen sind zu niedrig in diesem Land. Aber Bildung ist doch immer noch Ländersache. HEIL Es geht ja nicht um ein Bundesschulministerium. Aber dass der Bund überhaupt nicht mehr mitwirken soll, wie das die Union praktiziert und mit dem Kooperationsverbot im Grundgesetz ideologisch durchgesetzt hat, ist absurd. Der hohe Modernisierungsbedarf in Schulen kann nicht allein von Ländern und Kommunen bewältigt werden. Der Bund
muss mithelfen. Sie haben das der Union bei der Grundgesetzänderung durchgehen lassen. Was wollen Sie jetzt tun? HEIL Wir haben – anders als es die Bildungsbürokratien in den Ländern prognostiziert haben – eine Million Schülerinnen und Schüler mehr. Wir wollen, dass der Bund bis 2025 zwölf Milliarden Euro zusätzlich in die Schulen investiert. Das Geld soll in den Ausbau der Ganztagsschulen, die Sanierung maroder Gebäude und den digitalen Unterricht fließen. Nur so können wir eines unserer Hauptziele, die Bildungsgerechtigkeit erreichen. Wollen Sie es noch konkreter? Nein danke. Uns würde mehr interessieren, wo Sie das Geld hernehmen. HEIL 30 Milliarden sind die Haushaltsüberschüsse des Bundes, die bis 2021 erwartet werden. Dieses Geld wollen wir vor allem in Bildung, Verkehrswege und in die digitale Infrastruktur investieren. Ließen sich die SPD-Pläne mit der FDP umsetzen? HEIL Wir wollen möglichst stark werden. Was dann passiert, sehen wir. Wir haben ein verändertes Parteiensystem. Wir kämpfen für uns. Wir wollen von Ihnen wissen, ob Ihnen die FDP oder die Linke lieber ist? HEIL Wir führen keinen Koalitionswahlkampf, sondern kämpfen für unsere sozialdemokratischen Überzeugungen. Ist die Lindner-FDP jetzt anders? HEIL Sie macht schickere Plakate. Aber ich habe neulich eine schöne Satire im Netz gesehen. Da stand neben einem Lindner-Plakat: Alle elf Sekunden verliebt sich ein FDP-Vorsitzender in sich selbst. Im Ernst: Mir ist nicht klar, ob sich die inhaltliche Substanz der FDP wirklich verändert hat. Wie demokratisch ist denn die Linkspartei? HEIL Große Teile der Linken sind überzeugte Demokraten, mit denen man reden kann. Was Sahra Wagenknecht von sich gibt, ist teilweise radikales Zeug und inakzeptabel. Sie vertritt gelegentlich sogar Positionen am rechten Rand. Wird die SPD in jedem Fall eine mögliche Koalition ihrer Mitgliedschaft vorlegen? HEIL Dafür spricht vieles. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, die Basis bei derart wichtigen Fragen zu beteiligen. MICHAEL BRÖCKER UND MARTIN KESSLER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH