Gewalt bei Referendum in Katalonien
Während der Abstimmung über die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien hat es Hunderte Verletzte bei Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Befürwortern des Referendums gegeben.
BARCELONA (RP) Trotz eines gerichtlichen Verbotes und gegen den Willen der Zentralregierung in Madrid hat die katalanische Regionalregierung in Barcelona gestern das umstrittene Referendum über eine Loslösung der Region von Spanien durchgezogen. Dabei kam es zu heftigen Zusammenstößen.
Laut dem katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont wird das Abstimmungsergebnis erst in einigen Tagen vorliegen. Am späten Abend betonte er allerdings bereits: „Wir haben das Recht gewonnen, einen unabhängigen Staat zu haben.“
Schon bei der Öffnung der Wahllokale um 9 Uhr griffen die von Madrid entsandte paramilitärische Guardia Civil und die Nationalpolizei teilweise hart durch. Sie versuchten, Wähler am Zugang zu den Urnen zu hindern. Beamte schlugen und traten auf Menschen ein, die sich friedlich vor den Wahllokalen versammelt hatten. Nach Angaben des katalanischen Gesundheitsministeriums wurden 844 Bürger verletzt, darunter einige schwer. Elf Polizisten erlitten Blessuren.
Die stärkste Oppositionskraft in Madrid, die sozialistische Partei (PSOE), sprach von „Schande und Traurigkeit“. PSOE-Chef Pedro Sánchez rief zur Bewahrung der Ruhe auf, damit „das Zusammenleben gewinnt“. Die Sorge um die Gewalt in einem der wichtigsten Länder der EU erreichte auch Deutschland. „Die Eskalation in Spanien ist besorgniserregend“, schrieb der SPDChef und langjährige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz auf Twitter. Madrid und Barcelona müssten „sofort deeskalieren und den Dialog suchen“.
Kataloniens Regierungschef Puigdemont sprach von einem „ungerechtfertigten, irrationalen und unverantwortlichen“Gewalteinsatz mit Schlagstöcken und Gummigeschossen. In Richtung der Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy sagte er: „Es ist alles gesagt, die Schande wird sie auf ewig begleiten.“
Am Abend kündigte ein Sprecher der katalanischen Regionalregierung juristische Schritte gegen die Zentralregierung in Madrid an. Die- se wies alle Vorwürfe zurück. Die stellvertretende Regierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría sagte, der Einsatz der Polizei sei aufgrund der „Verantwortungslosigkeit“der Regierung in Barcelona nötig und auch „verhältnismäßig“gewesen. Auch Ministerpräsident Rajoy ver- urteilte das umstrittene Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien scharf. Es habe „kein Referendum, sondern eine Inszenierung“gegeben, erklärte der konservative Politiker am Abend in einer Fernsehansprache. Rajoy verteidigte den Einsatz der spanischen Polizei, die Beamten hätten ihre Pflicht erfüllt.
Die Frage auf den Stimmzetteln lautete: „Wollen Sie, dass Katalonien zu einem unabhängigen Staat in Form einer Republik wird?“Laut Regionalregierung lief die Stimmabgabe in mehr als 95 Prozent der 3215 Wahllokale normal ab. Da die Gegner einer Abspaltung überwiegend nicht zur Wahl gingen, wurde eine klare Mehrheit für die Unabhängigkeit erwartet.
Aus Protest gegen die Gewalt beschloss der Fußball-Topclub FC Barcelona, das gestrige Spiel gegen UD Las Palmas unter Ausschluss der Öffentlichkeit auszutragen. Der Antrag des Vereins, das Spiel ganz abzusagen, war vom Verband abgelehnt worden.