Mittelalter-Medizin ist noch heute wirksam
nern geschrieben und seit 2013 zum Unesco-Welterbe gehört.
Auf 75 Kalbspergamentblättern beeindrucken dort die Mönche mit einem Medizinwissen, als wenn sie in dem Lorscher Kloster weniger gebetet als klinisch geforscht hätten. So empfehlen sie, den Patienten im Falle einer Pest-Erkrankung zur Ader zu lassen. Die wissenschaftli- che Medizin hielt das lange Zeit für kontraproduktiv, weil es den kranken Körper zusätzlich schwächen würde. Doch mittlerweile weiß man: Bakterien vermehren sich umso schlechter, je weniger Bluteisen sie vorfinden. Bei Infektionen kann es daher tatsächlich hilfreich sein, wenn man den Patienten zur Ader lässt. Johanniskraut liegt derzeit wieder voll im Trend Bei „geistiger Verwirrung“raten die Mönche zu Johanniskraut, was – nach einer langen Phase der Vergessenheit – mittlerweile wieder voll im Trend ist. Das rote Öl der Pflanze hat sich in den letzten Jahrzehnten zur vollwertigen Therapieoption bei Angststörungen und Depressionen gemausert. Genauso wie die Herzglykoside in der Behandlung von Herz- und Kreislaufschwäche. Auch die finden sich bereits im Arzneibuch der Benediktiner, in Gestalt von glykosidhaltigen Heilpflanzen wie Meerzwiebel, Maiglöckchen und Fingerhut. Die letztgenannten wurden als alkoholische Essenz, also quasi als Kräuterschnaps verabreicht, während die Meerzwiebel zerrieben und als Breiumschlag auf schmerzende Venen und Geschwüre des Unterschenkels gelegt wurde.
Die schwarze Johannisbeere nannte man im Mittelalter „Gichtbeere“, was verdeutlicht, dass sie nicht als Obst, sondern als Arzneimittel zum Einsatz kam. Wobei man nicht ihre Beeren, sondern ihre Blätter verzehrte, indem man sie als
Seuchen, Quacksalber, Operationen ohne Narkose – die Medizin des Mittelalters steht in keinem guten Ruf. Doch neue Studien zeigen: Die alten Wundärzte hätten heute Chancen.
Teeaufguss aufbrühte. Weise Entscheidung! In Studien hat sich gezeigt, dass die Blätter der Beere Entzündungen hemmen und auch den Blutfluss verbessern.
Wie die Verfasser des Lorscher Arzneibuchs gehörte auch Hildegard von Bingen zu den Benediktinern. Sie ist die bekannteste Heilerin des Mittelalters, obwohl bis heute niemand genau sagen kann, was sie geschrieben oder ihr nur untergeschoben wurde. Nichtsdestoweniger sind unter ihrem Namen Heilpflanzen zu Ehren gekommen, die die Schulmediziner lange vernachlässigt haben – etwa die Ringelblume, deren wundheilende Eigenschaften heute bei der Behandlung von Dekubitus genutzt werden. Die Äbtissin empfahl Lavendel gegen Altersbeschwerden Zur Behandlung von Altersbeschwerden und für „ein reines Wissen und einen reinen Verstand“empfahl die Äbtissin den wilden Lavendel. Volltreffer: In einer koreanischen Studie massierte man die Hände von Alzheimer-Patienten mit Lavendelöl, während eine Kontrollgruppe nur Jojobaöl bekam. Zwei Wochen später zeigten die Lavendel-Probanden weniger Ängste und Aggressionen als in der Zeit zuvor.
Dem Ingwer hingegen unterstellte Hildegard, er würde das Triebhafte im Menschen stärken und ihn dadurch zu einem „trottligen Alten“machen. Mittlerweile jedoch hat sich die Gewürzwurzel als Mittel gegen Reiseübelkeit und Arthritis bewährt. Die Heiler des Mittelalters konnten eben auch schon irren.