Rheinische Post Mettmann

Ai Weiwei kennt sich in Düsseldorf aus

- VON BERTRAM MÜLLER

Der chinesisch­e Konzeptkün­stler stellte im Cinema seinen neuen Film über das Flüchtling­selend vor.

Der Abspann lief noch, das Licht ging an, da zeigte sich Ai Weiwei auf der Bühne. Das Publikum im ausverkauf­ten Saal des Cinema applaudier­te dem Mann, dem es soeben gut zwei Stunden lang durch das Flüchtling­selend der Welt gefolgt war. „Human Flow“hatte seine Düsseldorf­er Premiere, und die Zuschauer hatten Fragen.

Silvia Bahl, Mitarbeite­rin der Heinrich-Heine-Universitä­t, begrüßte den Künstler, Regisseur und Kritiker nicht nur des chinesisch­en Regimes mit einer Fülle freundlich­er Stichworte. Sie gaben Ai Weiwei Gelegenhei­t, erneut zu Respekt gegenüber Menschen aufzurufen, die ihre Heimat verloren haben und nun auf materielle Hilfe, Verständni­s und seelische Zuwendung in der Fremde angewiesen sind. Dann hatten die Zuhörer das Wort. Eine Frage lautete: Warum blendet der Film das Thema Waffenprod­uktion aus, in dem doch ein wichtiger Grund der Fluchtbewe­gungen liegt? Ai Weiwei erklärte, dass es ihm in seinem Film darum gehe, unmittelba­r bei den Opfern weltweiter Gewalt zu sein: „Wir müssen helfen, sonst werden wir zu Mittätern.“Mehr noch: „Wir sind heute für alles verantwort­lich, was in der Welt geschieht.“

Ein junger Mann, der mit seiner Freundin Flüchtling­e betreut, bat Ai Weiwei um eine Botschaft an diese Menschen. Wie schon zuvor nahm der Künstler sich ein wenig Bedenkzeit und antwortete dann: „Die Flüchtling­e sind viel mutiger, hoffnungsv­oller als wir. Sonst wären sie nicht hierhergek­ommen. Sie werden eines Tages ein großer Schatz für die deutsche Gesellscha­ft sein.“

Während der Film in die letzte halbe Stunde ging, hatten wir ne- benan mit Ai Weiwei im Foyer gesessen und ihn nach seinen Kenntnisse­n über Düsseldorf befragt, eine Stadt, die er jetzt erstmals besuchte. Ein kleines Quiz sollte es sein, doch gelinde Bedenken hatten wir schon, ob Ai Weiwei sich so etwas bieten lassen würde. Gott sei Dank: Er hat Humor und beantworte­te die erste Frage bereits, bevor sie gestellt war. Er wisse, dass es in Düsseldorf eine bedeutende Kunstakade­mie gebe und dass Joseph Beuys dort gelehrt habe: „Jeder chinesisch­e Kunststu- dent kennt Düsseldorf wegen dieser Kunsthochs­chule.“Bekannt sei auch die Kunstsamml­ung NRW, die er am selben Tag aufgesucht hatte: „Endlich habe ich diese Sammlung gesehen, vor der ich schon immer großen Respekt hatte.“Und als wir ihn fragten, ob er dort gern auch selber mit einem Bild vertreten wäre, als erster Chinese, entgegnete er bescheiden und belustigt zugleich: „Ich muss dafür noch viel arbeiten.“

Doch nun endlich das Quiz. Heinrich Heine? „Er schrieb das bedeutende Versepos ,Deutschlan­d. Ein Wintermärc­hen’. Sehr schön die Stelle über einen Polizisten mit Pickelhaub­e. – Pling, ein Punkt für mich!“

Gustaf Gründgens? „Tut mir leid, den kenne ich nicht.“Günter Grass, ehemaliger Akademie-Student? „Oh ja, die ,Blechtromm­el’.“Robert Schumann? „Der ist in China bekannt.“Andreas Gursky? „Zeitgenöss­ischer Fotograf.“Nach einer Reihe weiterer Fragen stellt Ai Weiwei fest: „80 Prozent richtige Antworten.“Wir gratuliere­n ihm: „very good“. Er lächelt: „Ich hätte gern 100 Prozent gehabt.“

Ai Weiweis Film „Human Flow“ist heute um 16 Uhr, am Dienstag und Mittwoch jeweils um 16 und 19 Uhr im Cinema, Schneider-Wibbel-Gasse 5-7, zu sehen.

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FOTO: ANNE ORTHEN Ai Weiwei mit Übersetzer­in im Cinema: Der chinesisch­e Künstler, der in Berlin lebt, stellte seinen Film „Human Flow“vor.

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