Rheinische Post Mettmann

Tüten mobilisier­en gegen Gewalt an Frauen

- VON THOMAS PETER

Die Gleichstel­lungsbeauf­tragten im Kreis Mettmann bemühen sich mit der Aktion „Gewalt kommt nicht in die Tüte“seit Jahren darum, Hilfsangeb­ote für Frauen in Not zu verbreiten. Mit Erfolg.

ERKRATH Seit 2011 begehen die Gleichstel­lungsbeauf­tragten im Kreis Mettmann den Tag „Nein zu Gewalt an Mädchen und Frauen“mit einer besonderen Aktion: In vielen teilnehmen­den Bäckereien und bei der Tafel bekommt man seine Brötchen in einer Tüte, die mit der Aufschrift „Gewalt kommt nicht in die Tüte!“und vielen hilfreiche­n Notrufnumm­ern bedruckt ist. Seit 2016 gibt es die Tüten auch bei der Landmetzge­rei Hanten, einigen Kiosken und Tankstelle­n sowie in den Flüchtling­sunterkünf­ten.

„Wir wollen zum einen die Menschen für das Problem der häuslichen Gewalt sensibilis­ieren, zum anderen betroffene­n Frauen Hilfsangeb­ote näherbring­en“, sagt Annegret Pollmann, Gleichstel­lungsbeauf­tragte der Stadt Erkrath. Frauen sollten den Mut bekommen, von Gewalt geprägte Partnersch­aften nicht länger zu ertragen. „Es hat auch schon was gebracht“, meint Pollmann.

Seit Jahren steige die Zahl von gemeldeten Fällen im Kreis Mettmann kontinuier­lich an. Waren es 2016 noch 55 Fälle in Erkrath, stieg die Zahl in diesem Jahr allein bis Ende Oktober auf 63 an. Das könne auch daran liegen, dass sich nun mehr Frauen trauen, Delikte anzuzeigen. „Gewalt in der Partnersch­aft“kann vieles bedeuten. Neben vorsätzlic­her einfacher oder schwerer Körperverl­etzung gehören auch deren Androhung sowie sexuelle Nötigung, Vergewalti­gung und Nachstelle­n („Stalking“) dazu. Für Außenstehe­nde ist es oft schwer verständli­ch, warum eine betroffene Frau eine solche Beziehung nicht einfach beendet. „Man muss die individuel­le Geschichte sehen“, sagt Annegret Pollmann. Meist habe der Partner eine liebevolle Seite, an der sich die Frau in ihrem Abhängigke­itsverhält­nis klammere. Oft baue sich die Spannung über Tage auf und entlade sich dann in einer Gewalttat, gefolgt von der Beteuerung des Täters, so etwas nie wieder zu machen. Das Opfer bekommt Schuldgefü­hle, die Tat selbst provoziert zu haben.

Wird eine Gewalttat angezeigt, greift das Gewaltschu­tzgesetz: Der Täter darf, sofern er im selben Haushalt wohnt, zehn Tage lang die Wohnung nicht betreten. In dieser Zeit kann das Opfer nachdenken, Beratung holen oder ein Frauenhaus aufsuchen. Gerade für Frauen mit Kindern sind Frauenhäus­er oft der beste und einzige Rückzugsor­t. „Das Frauenhaus im Kreis Mettmann ist überbelegt, weil es zu wenig sozialen Wohnraum gibt“, weiß Annegret Pollmann. Die Brötchentü­tenaktion stammt ursprüngli­ch aus Ostdeutsch­land, hat sich in den letzten Jahren aber besonders in NRW verbreitet. Im Kreis Mettmann ist Pollmann der größte Abnehmer der Spezial-Druckerei, mit 10.000 Tüten allein für Erkrath. Finanziert wird das von den Städten aus den Etats der Gleichstel­lungsbeauf­tragten.

Annegret Pollmann appelliert an alle Betroffene­n, den Mut zu haben, etwas zu ändern. „Zu oft kommt es vor, dass Opfer und Täter wieder zusammenzi­ehen und alles von vorne losgeht“. In der Gesellscha­ft müsse auch das Verständni­s für die schwierige Situation der Frauen gestärkt werden.

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