Afrikas ewiges Trauma
ABIDJAN Es erinnert an dunkelste Zeiten. Afrikaner werden als Sklaven verkauft, starke Männer als Arbeitskräfte für 400 US-Dollar (340 Euro), auf Hinterhöfen im nordafrikanischen Libyen. Ein instabiles Land, in dem viele Menschen aus den verschiedensten Ländern Afrikas auf der Flucht vor politischer Verfolgung, wirtschaftlicher Not oder den Folgen des Klimawandels stranden. Und auf dessen Hilfe in Form einer umstrittenen Küstenwache die Europäische Union setzt, damit Flüchtlinge gar nicht erst über das Meer nach Italien kommen.
Ein Drama, das nur unter größten gemeinsamen Anstrengungen beendet werden kann, vor allem aber mit der Einsicht und dem Geld Europas, wie es sich beim EU-Afrika-Gipfel in Abidjan, dem Regierungssitz der Elfenbeinküste, zeigt.
Angela Merkel will etwas tun gegen diese schrecklichen Zustände in Libyen, das seit dem Sturz des Machthabers Muammar al Gaddafi 2011 weitgehend von Milizen kontrolliert wird. Nur, einen verlässlichen Ansprechpartner hat die Europäische Union dort nicht. Die Bundeskanzlerin äußert sich gestern in Abidjan aber noch vor Gipfelbeginn empört über jüngste Berichte etwa von CNN über den Sklavenhandel. Sie spricht von einer „hohen emotionalen Bedeutung“und einer „flächendeckenden Rolle der illegalen Migration“für den afrikanischen Kontinent. Auch bei den Vereinten Nationen ist man entsetzt, für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist es ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Alles Heuchelei, finden Menschenrechtsorganisationen. Denn die dramatischen Missstände, der Menschenhandel, die Vergewaltigungen, Schläge und Todesangst, seien schon seit langer Zeit bekannt. Und nichts sei geschehen. Vor wenigen Tagen erzählten am Flughafen von Abidjan aus Libyen zurückkehren- de Frauen wieder von libyschen Peinigern, Vergewaltigungen, Schlägen, Hunger. Amnesty International bestätigt solche Berichte.
Sklavenhandel aber trifft genau ins Herz der Afrikaner. Uralte Traumata leben wieder auf, heißt es auch auf den Fluren des Gipfels. Und reiche europäische Staaten, die armen Ländern auf dem afrikanischen Kontinent auch noch mit subventionierten Agrarprodukten Konkurrenz machen, können sich einer Mitverantwortung nicht länger entziehen. Merkel sagt bei dem noch bis heute andauernden Gipfel der Spitzen aus 80 Staaten, es gebe ein gemeinsames Interesse, Schleppern das Handwerk zu legen.
Die Vorsitzende der Christdemokraten hat sich die neuen Horrornachrichten aus Libyen nicht gewünscht. Aber auf makabre Weise könnten diese Bemühungen um die Bekämpfung von Fluchtursachen, mehr Investitionen und Rücknahmeabkommen befördern. Am Tagungsort, dem SofitelHotel mit dem Blick auf die Lagune von Abidjan, ist den Europäern sonnenklar, was von ihnen erwartet wird: dass sie Geld auf den Tisch legen.
In kleinem Kreis spricht Merkel mit den Präsidenten der Elfenbeinküste, von Guinea, Ghana, Nigeria, Tunesien und dem Senegal. Wohl kaum einer von ihnen denkt dabei darüber nach, dass die Kanzlerin derzeit nur geschäftsführend im Amt und ihre politische Zukunft gar nicht absehbar ist. Es geht dann auch immer nur um das eine Thema: Mit staatlich abgesicherten privaten Investitionen soll die heimische Wirtschaft angekurbelt, mit besseren Bildungschancen die Jugend gefördert und Arbeitsplätze der Zukunft geschaffen werden. Derzeit leben in Afrika rund 1,3 Milliarden Menschen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen könnten es 2050 schon 2,5 Milliarden sein. Europa muss mehr Hilfe vor Ort leisten, wenn es Fluchtbewegungen abwenden will. Es braucht noch mehr
„Entscheidend ist, dass die Produktion in
Afrika stattfindet, selbst wenn sie nicht weltmarktfähig ist“
Günter Nooke
Afrika-Beauftragter der Bundeskanzlerin