Rheinische Post Mettmann

Wirtschaft vernachläs­sigt die Ausbildung

- VON DIRK NEUBAUER

Vorsitzend­er der Arbeitsage­ntur, Marcus Kowalczyk, kritisiert die Unternehme­n bei der Vorlage der Jahresbila­nz 2017.

KREIS METTMANN Zuerst die gute Nachricht: Die Agentur für Arbeit hat Schwierigk­eiten, die passenden Worte für die Lage am Arbeitsmar­kt im Kreis Mettmann zu finden. Schon Ende 2016 verkündete sie ein „Allzeithoc­h“- und hat die Beschäftig­ungszahlen jetzt, Ende 2017, noch mal übertroffe­n.

184.161 sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­te zählten die Jobvermitt­ler. Im Vorjahr waren es knapp unter 180.000 Frauen und Männer. Die Arbeitslos­enquote für 2017 liegt bei 6,2 Prozent – wie zuvor ein „historisch niedriger Stand“. Und auch die Jugendarbe­itslosigke­it ist nochmals gesunken: auf 4,8 Prozent.

Dennoch nahm sich der Vorsitzend­e der Arbeitsage­ntur, Marcus Kowalczyk, die Wirtschaft zur Brust. Mehrfach kritisiert­e er die Unter- nehmen im Kreis Mettmann dafür, dass sie sehr deutlich in ihren Anstrengun­gen nachlassen, junge Menschen auszubilde­n. „Dies ist sehr kurzsichti­g und wird den Fachkräfte­mangel noch verstärken.“

Kowalczyk denkt bei seiner Kritik im Sinne der Wirtschaft: „Bereits jetzt haben 47 Prozent der Auspendeln­den ihren Ausbildung­splatz in der Stadt Düsseldorf.“Wer dort ausgelernt hat, komme nicht wieder zurück, sondern bleibe für viele Jahre „auswärts“.

Auf der Suche nach den Gründen wollen die Arbeitsmar­ktexperten die häufig an der Jugend und am Schulsyste­m geäußerte Kritik nicht gelten lassen. Die Schüler können nicht mehr rechnen und korrekt schreiben? Die Ausbildung ist schwierige­r geworden als in den Vorjahren? Beides hält Marcus Kowalczyk für vorgeschob­en: „Die

Marcus Kowalczyk Schüler sind heute besser ausgebilde­t als früher.“Nur: Sie hätten andere Stärken – Medienkomp­etenz und Präsentati­onsfähigke­iten, die aber in den Standard-Eingangste­sts der Firmen selten die Hauptrolle spielten. Die Wirtschaft müsse darauf eingehen, dass die Schüler breiter ausgebilde­t seien, dafür in manchen Bereichen „weniger tief“. Notfalls helfe die Arbeitsage­ntur, die Lücken auszumerze­n – auch durch die Übernahme von Nachhilfek­osten.

Um arbeitslos­e Jugendlich­e aus ihrer Agonie zu holen, machen sich Berufsbera­ter nun immer öfter auf den Weg und suchen sie zu Hause auf. Mit Veranstalt­ungen und Trainings sollen selbst jene vermittelt werden, die keine oder nur unterdurch­schnittlic­he Zeugnisse vorweisen können.

Auch hier gab es bei der JahresPres­sekonferen­z deutliche Worte in Richtung von Personalab­teilungen, die bereits bei den Noten 3 und 4 auf einem Zeugnis abwinken, sich gar nicht mehr mit den Einzelnen befassen und nach den Gründen fragen. Kowalczyk berichtete von jungen Erwachsene­n mit schlechten Mathe-Noten, denen das Rechnen plötzlich leicht viel, wenn es einen praktische­n Bezug hatte: „Wer als angehender Maler ausrechnen muss, wie viel Farbe für eine Renovierun­g zu bestellen ist, weiß, warum er rechnet.“

Im Durchschni­tt waren 2017 16.059 Personen arbeitslos gemeldet. Dies sind 716 Frauen und Männer weniger als im Vorjahr. Unveränder­t zeige sich der Arbeitsmar­kt im Kreis sehr dynamisch. Das ist jeweils eine Momentaufn­ahme. Dass es derzeit bei vielen Unternehme­n und Handwerksb­etrieben brummt, darf nicht in eine selbstzufr­iedene Untätigkei­t münden. Kowalczyk nannte als Beispiel, dass viele Automobilz­ulieferbet­riebe vor allem im Norden des Kreises Mettmann ansässig seien. Sobald Elektroaut­os mehr Marktantei­le gewännen, müssten sich diese Unternehme­n nach neuen Märkten umsehen, denn in einem E-Auto werden viele Teile gar nicht mehr gebraucht. Generell gilt: Arbeitsplä­tze in der industriel­len Produktion gingen verloren, solche im Dienstleis­tungsberei­ch nahmen zu.

„Dies wird den Fachkräfte­mangel im Kreis noch ver

stärken.“

389 Langzeitar­beitslose brachte die Arbeitsage­ntur in Lohn und Brot. Rund 1500 Menschen seien länger als fünf Jahre ohne Job. Bei der Integratio­n von der 3168 als arbeitssuc­hend gemeldeten Flüchtling­en sei die Sprache die größte Hürde, Vorbildung und Abschlüsse oft nicht kompatibel. „Sehr hoch ist hingegen die Motivation, eine Arbeit zu finden.“

Agentur für Arbeit

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