„Mir fehlt ein höherer Steuersatz“
Der frühere SPD-Chef empfiehlt Nachbesserungen des Sondierungspapiers.
Herr Vogel, wie bewerten Sie die Ergebnisse von Union und SPD nach den Sondierungen? Sollte die SPD erneut in Verhandlungen in eine große Koalition eintreten? VOGEL Im Sondierungspapier sind mehr sozialdemokratische Positionen enthalten, als die gegenwärtigen, innerparteilichen Kritiker gelten lassen wollen. So etwa auf den Feldern Europa, Bildung, Rentenpolitik sowie der Verbesserung der Infrastruktur. Allerdings fehlen auch mir die Erhöhung des Spitzensteuersatzes und das Verbot sachgrundloser Befristung von Arbeitsverträgen. Darüber müsste jetzt in den Koalitionsgesprächen verhandelt werden. Dass die Union die Ergebnisse der Sondierungen als unabänderliche Koalitionsvereinbarung interpretiert, ist unverständlich. Es gibt viele Sozialdemokraten, die sagen, die SPD könne nur in der Opposition gesunden. Wie bewerten Sie diese Analyse? VOGEL Auch ich habe die Meinung, dass der SPD die Erneuerung in der Opposition gegen eine Mehrheitsregierung leichter fallen würde, aber nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen gibt es diese Mehrheitsregierung nicht. Bliebe nur die Opposition gegen eine Minderheitsregierung. Die wollen jedoch die Christdemokraten und Frau Merkel auf keinen Fall. Offenbar streben einige da schon eine Neuwahl an. Dafür sprechen auch die provozierenden Äußerungen des Herrn Dobrindt. Dass aber eine neue Wahl für die SPD bessere Ergebnisse bringt, sehe ich nicht. Vielmehr ist ein weiterer Zulauf für die AfD zu erwarten. Sollte die SPD-Basis über eine Koalition entscheiden dürfen und kann die Politik durch mehr Basisentscheidungen vielleicht wieder an Vertrauen gewinnen? VOGEL Ja. Nachdem wir bereits 2013 eine Mitgliederbefragung hatten, wäre es schwer vorstellbar, sie dieses Mal nicht stattfinden zu lassen. Es stärkt das Vertrauen in die Politik, jedenfalls von Parteimitgliedern, wenn diese bei existenziellen Fragen mitentscheiden dürfen.
MICHAEL BRÖCKER STELLTE DIE FRAGEN.