Rheinische Post Mettmann

Er ging zu Fuß über die Alpen

- VON KATRIN ROTH

Siegfried Thiel (65), Ehrenamtle­r im Franziskus-Hospiz, war 70 Tage unterwegs – und berichtete darüber.

ERKRATH Wenn Siegfried Thiel von seinem letzten Abenteuer erzählt, zieht er die Zuhörer in seinen Bann. Der fitte 65-jährige strahlt, wenn er sich an seinen Weg über die Alpen im Sommer 2017 erinnert: Drei Länder, sechs Täler, 7000 Höhenmeter Aufstieg und unendlich viele Erfahrunge­n und Emotionen, sind für Thiel mit dieser Reise verbunden.

Dazu gehöre nicht nur die Wanderung selbst, sondern auch die Reaktionen der Zuhörer auf seinen Vortrag „Zu Fuß über die Alpen“, den Siegfried Thiel jüngst in der Kultur-Kneipe im Hochdahler Franziskus-Hospiz gehalten hat. Für ihn sei besonders berührend gewesen, dass er die Besucher dazu anregen konnte, in eigenen Erinnerung­en an das Wandern, die Alpen und Hütten zu schwelgen. „Ich bekomme immer noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke“, sagt Thiel.

Dass er in der Kultur-Kneipe vortragen konnte, habe den Mettmanner sehr gefreut. Denn er ist seit seiner selbstbest­immten Rente im Jahr 2015 ehrenamtli­cher Mitarbeite­r im Franziskus-Hospiz in seiner früheren Heimat Hochdahl. Seit 2013 ist er im Vorstand des Hospizvere­ins tätig. Zwei bis drei Mal im Monat betreuen ausgebilde­te ehrenamtli­che Mitarbeite­r die Bewohner des Hospizes. Vor allem an Feiertagen, die besonders schwer für Familien und Bewohner seien, so Thiel. „Mit den Ehrenamtli­chen

steht und fällt alles“, sagt Gerd Michalek vom Projekt Öffentlich­keitsarbei­t des Franziskus-Hospizes. Bewohner und Angehörige seien dankbar für die liebevolle Arbeit, die die Ehrenamtli­chen leisten würden.

„Es gibt nur ein Hospiz, dass eine Kultur-Kneipe hat“, sagt Thiel stolz. Diese wurde vor zehn Jahren eröffnet, um Besuchern die Schwellena­ngst zu nehmen, das Hospizes zu betreten, erklärt Michalek. Deshalb gebe es einen Seiteneing­ang zur Kneipe. Dort stehen eine Theke und Bänke und es finden regelmäßig Veranstalt­ungen, wie Büchervors­tellungen, Reiseberic­hte und Musik für Bewohner, Familienan­gehörige und Interessie­rte, statt. Es wird passend zum Thema verköstigt.

Als im April ein Vortrag ausfiel, sprang der leidenscha­ftliche Wanderer Thiel mit seiner Geschichte über die Alpenüberq­uerung ein. Ein voller Erfolg, wie Gerd Michalek bestätigt. „Die Dolomiten sind unsere zweite Heimat“, schwärmt Thiel.

Wandern sei schon immer seine Passion und auch die seiner Frau gewesen. Als er im WDR einen Beitrag zur Alpenüberq­uerung sah, dessen Emotionali­tät ihn beeindruck­te, fasste er den Entschluss, den Weg selbst zu gehen. Also buchte er die Überquerun­g von Oberstdorf nach Meran, die in einer Gruppe, begleitet von zwei Wanderführ­erinnen, stattfand. „Ehrlich gesagt habe ich den Entschluss kein Mal bereut“, so Thiel.

Acht Kilo Gepäck durften mit. Eine Grundfitne­ss sei bei einer solchen Wanderung Voraussetz­ung, denn 80 Kilometer in sieben Tagen bei starken klimatisch­en Gegensätze­n seien ein strammes Programm. Daneben habe diese Art der Wanderung auch eine spirituell­e Dimension, erklärt der Mettmanner. Der Weg verleite dazu, Gedanken nachzuhäng­en und das Leben zu reflektier­en. Die Eindrücke, wie morgens um sieben aus der Hütte zu treten, die Ruhe zu genießen, und das Bergpanora­ma zu betrachten, seien magisch, erzählt Thiel. Neben diesen Erfahrunge­n seien die „unglaublic­hen Begegnunge­n“eine bleibende Bereicheru­ng seines Lebens. „Spätes- tens, als wir auf der ersten Hütte ankamen, begannen die Fragen und Gespräche.“Das gemeinsame Schlafen im Schlafsaal und das gegenseiti­ge Unterstütz­en bei schwierige­n Wegstellen habe die Gruppe zusammenge­schweißt. Im Juli gebe es schon das nächste gemeinsame Ziel: Eine Tour in den Dolomiten.

Bei seinem Vortrag habe er „die Bilder immer ein paar Augenblick­e für sich sprechen lassen“: hohe Bergketten, tiefe Täler, Steinböcke und Murmeltier­e, eine 240 Meter hohe Brücke über dem Tal, funkelnde Gletscher. „Das haben alle sehr genossen“, sagt Thiel. Ein Bild zeigt Handys, die an der Steckerlei­ste in der Holzhütte laden. Wenn WLAN verfügbar war, habe die Gruppe viele Fotos nach Hause geschickt. „Old School habe ich auch eine Karte an meine Frau geschriebe­n“, berichtet Thiel schmunzeln­d.

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RP-AF: DJ Bilder seiner ungewöhnli­chen Tour zeigte Siegfried Thiel in der Hospiz-KulturKnei­pe.

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