Transatlantischer Stresstest
BERLIN Man könnte meinen, Donald Trump sei verliebt. Der bullige US-Präsident strahlt den asketisch anmutenden französischen Präsidenten Emmanuel Macron an, er nennt ihn „perfekt“. Sie küssen sich sogar, beziehungsweise sie begrüßen sich mit den in den USA bei Männern gar nicht beliebten französischen Küsschen links, Küsschen rechts. Und scheinbar väterlich wischt der 71-Jährige dem 40-Jährigen im Oval Office vor aller Welt noch ein paar Flusen vom Revers. In Wirklichkeit ist das natürlich übergriffig und soll zeigen, wer hier der „Obermacker“ist, wie es die „FAZ“formuliert. Macron ist die Wirkung von Bildern klar, hatte sich der zierliche Franzose doch bei seinem ersten Treffen mit Trump am Rande des Nato-Gipfels im vorigen Jahr mit einem verblüffend eisernen Händedruck Respekt verschafft. Auch bei diesem riesengroßen dreitägigen Staatsbesuch mit Pomp und Pathos in Washington erwidert er Trumps Körperkontakt schnell mit ordentlichen Schlägen auf die Schulter des sehr viel größeren Amerikaners. Macron will die symbolische Augenhöhe halten. Sie geben sich nicht die Hände, sie klatschen sich ab, fast sieht es nach Armdrücken aus. Männer.
All das verdeckt erst einmal den transatlantischen Stresstest mit den großen Irritationen, die dieser US-Präsident auslöst. Seine Abkehr von internationalen Verträgen, sein angezettelter Handelskrieg, das Chaos in seiner Regierung durch Rücktritte oder Rauswürfe von Ministern und Beratern mit anschließendem Rechtsruck und die Kriegsdrohungen gegen Russland und Nordkorea via Twitter, um danach alles wieder ins Gegenteil zu wenden.
Zumindest Bilder der Kraftmeierei werden Angela Merkel erspart bleiben, wenn sie Trump morgen im Weißen Haus trifft. Sie ist kein Kumpel-Typ, sie hält Distanz. Erst recht zu Trump, der alles aufkündigen möchte, was der Vorgänger und Merkel-Fan Barack Obama ausgehandelt hat. Weil Trump der Kanzlerin bei ihrem ersten Besuch im März vorigen Jahres nicht einmal die Hand im Oval Office für die Fotografen gab, muss sie nun auch keine große Charme-Offensive befürchten. Merkel betont zwar, dass das transatlantische Bündnis für sie ein „großer Schatz“sei, den sie hegen und pflegen wolle. Aber sie und Trump haben keinen Draht zueinander. Der sprunghafte Milliardär kann mit der bodenständigen Pfarrerstochter aus der DDR wenig anfangen. Und umgekehrt. Er dürfte spüren, dass sie ihm intellektuell überlegen ist und sich nicht vereinnahmen lässt. Das verletzt seine Eitelkeit.
Für Merkel war schon vor einem Jahr der Punkt gekommen, Europa zu mehr Selbstbewusstsein und Unabhängigkeit von den USA aufzufordern, als sie in einem Bierzelt sagte: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, sie sind ein Stück weit vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt.“Sie meinte den verkorksten G 7Gipfel mit Trump in Italien. Die Frage ist nun, wie stark sich Europa aufstellen kann und ob das Trump beeindruckt. Etwa in der Verteidigungspolitik jedenfalls kann vor allem Deutschland nicht selbstbewusst auftreten, weil es von der vereinbarten Nato-Verpflichtung, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Militär auszugeben, mit gerade mal 1,2 Prozent noch weit entfernt ist.
Für Merkel und Macron geht es erst einmal darum, nacheinander auf diesen US-Präsidenten einzuwirken, im Sinne des Weltfriedens nicht nationalistisch zu agieren, sondern Bündnisse zu schmieden und zu pflegen. Nach seinem Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen im vorigen Jahr wollen sie Trump nun von einer Abkehr von dem so mühsam ausgehandelten Atom-Abkommen mit dem Iran abbringen. Für Trump ist es, wie sollte es anders sein, der „schlechteste Deal aller
Er dürfte spüren, dass sie ihm intellektuell überlegen ist und sich nicht vereinnahmen lässt