Immer diese Dealer
Donald Trump gerät durch die Absage des Treffens mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un für seine Geschäftsmentalität in die Kritik.
WASHINGTON „Ich versteife mich nie zu sehr auf nur ein Geschäft“, schrieb Donald Trump 1987 in „The Art of the Deal“, seinem Bestseller. „Ich halte viele Bälle zugleich in der Luft, denn aus den meisten Geschäften wird nichts, egal, wie vielversprechend es anfangs aussah.“Habe er das Gefühl, unfair behandelt zu werden, kämpfe er resolut für seine Interessen, auch wenn er einige Leute damit vor den Kopf stoße. Klein beizugeben, schrieb er, mache alles nur schlimmer.
Es ist eine Passage, die sie bei „Fox and Friends“, der Lieblingssendung des US-Präsidenten, gerade des Öfteren zitieren. Trump, der Entschlossene, der seinen Instinkten folgt, ohne einzuknicken, auch wenn es gelegentlich einer Fahrt auf der Achterbahn gleicht. Anfang Mai stieg er aus dem Atomabkommen mit dem Iran aus, ohne sich um die Einwände der Europäer zu scheren, und beschwor parallel dazu die Aussicht auf einen historischen Atomdeal mit Nordkorea. Nun, da er das Treffen mit Kim Jong Un platzen ließ, hat er auch den nordkoreanischen Ball fallen gelassen.
Dies sei die Stunde der Amateure, twitterte Susan Rice, die Sicherheitsberaterin Barack Obamas: „Von Anfang bis Ende war es eine lange Amateur Hour.“Der KoreaExperte Victor Cha, einst im Nationalen Sicherheitsrat George W. Bushs zuständig für Asien, spricht von einem Mann, der geglaubt habe, dass für ihn andere Regeln gelten. Durch eine Mischung aus Druck und Schmeicheleien habe Trump wohl geglaubt, Kim über Nacht zu etwas bringen zu können, wozu der Diktator so schnell nicht bereit sei – zur Verschrottung seines atomaren Arsenals. „Und das pas- siert dann, wenn man sich zu früh auf einen Gipfel einlässt“, kommentiert Cha, was er einen fatalen Mangel an gründlicher Vorbereitung nennt.
Wieder andere werfen Trump vor, die Rolle persönlicher Beziehungen zu überschätzen, statt nüchtern anzuerkennen, dass es in erster Linie objektive Interessen sind, die das Handeln von Staatenlenkern bestimmen. „Er ist mein Freund, ich verstehe mich wirklich gut mit ihm“, sagt er über Xi Jinping, seinen chinesischen Amtskollegen. Doch die Hoffnung, Xi werde Kim gleichsam im Duett mit ihm zu nuklearer Abrüstung zwingen, entpuppte sich als frommer Wunsch. Glaubt man amerikanischen Regierungsberatern, dann betätigte sich China zuletzt eher in der Rolle des Bremsers.
Peking habe den Nordkoreanern geraten, es langsamer angehen zu lassen, berichten US-Medien unter Berufung auf Quellen im Umfeld des Weißen Hauses. In Kim wiederum, spitzt es der Pulitzer-Preisträger David Sanger in der „New York Times“zu, habe Trump offenbar nichts anderes gesehen als einen konkurrierenden Unternehmer, mit dem es um den Preis einer Immobilie zu feilschen gelte. Am Ende, habe er angenommen, würde Kim bereit sein, „für den Preis künftigen Wohlstands“alles herzugeben, was er an Kernwaffen besitze.
Die Weltpolitik ist ein schwierigeres Feld als der New Yorker Häusermarkt – wie ein roter Faden zieht es sich durch die Äußerungen der Trump-Kritiker. Die Diplomatie kenne nun mal keinen perfekten Deal, doziert Lindsey Ford vom Asia Society Policy Institute in Washington. Das Alles-oder-nichts im Umgang mit Pjöngjang sei der falsche Ansatz, der Präsident müsse auf einen realistischeren Kurs einschwenken. Er müsse eine Vereinbarung ins Auge fassen, die das Atom- und Raketenprogramm Nordkoreas eindämme, ohne es sofort zu eliminieren. Ob dies möglich sei, schreibt Ford in einer Analyse, „hängt von Herrn Trumps Fähigkeit ab, die Kunst des nicht perfekten Deals zu erlernen“.
Das Oval Office stellt es naturgemäß anders dar. In seiner Erzählung ist es ein Adlatus namens Joe Hagin, der auf dem Weg zur Absage einen wichtigen Part spielt. Hagin, stellvertretender Stabschef der Regierungszentrale, sei vor einer Woche nach Singapur gereist, um mit Partnern aus Pjöngjang die logistischen Details des Gipfels zu besprechen. Zu seiner Verwunderung seien die Nordkoreaner gar nicht erschienen, hieß es bei einem Presse-Briefing im Weißen Haus: „Sie haben uns nichts gesagt, sie haben uns einfach verladen.“In den Tagen danach seien sie nicht mehr ans Telefon gegangen. Zudem habe Kim eine Zusage zurückgezogen, Spezialisten aus dem Ausland die Sprengung seines Atomtestgeländes aus nächster Nähe beobachten zu lassen.