Zu dicker Schluck aus der Pulle für die Post
Der Plan der Deutschen Post, das Porto für einfache Briefe von 70 Cent direkt auf 80 Cent zu erhöhen, ist unklug und unangemessen. Unangemessen ist, eine Preiserhöhung von rund 14 Prozent anzuvisieren, obwohl die allgemeine Inflation in Deutschland nicht einmal bei zwei Prozent im Jahr liegt. Da tröstet es wenig, dass die letzte Preiserhöhung nun bald drei Jahre zurückliegt. Und erst recht tröstet es Privatkunden wenig, dass sie nur einen sehr kleinen Teil der Briefe versenden. Der Preis eines einzelnen Briefs zählt für sie – nicht das jährliche Budget.
Außerdem zeigt die Marktentwicklung, dass die Post sich mit immer neuen Preiserhöhungen keinen Gefallen tut. Zwischen 2015 und 2017 lag die Zahl der jährlich in Deutschland versandten Briefe zwar konstant bei 15,7 Milliarden Stück, doch der Anteil der Post sank von 13,9 Milliarden Sendungen im Jahr 2014 auf nur noch 12,7 Milliarden Stück in 2017.
Was bedeutet dies? Der gelbe Riese sollte besser weiter in den Service investieren als Kunden mit einer zu radikalen Preiserhöhung zu vergraulen. Und die Netzagentur kann es sich ganz einfach machen: Sie sollte signalisieren, dass sie mit einer Erhöhung auf 75 Cent leben kann, 80 Cent wären zuviel. BERICHT PROTEST GEGEN HÖHERES PORTO, TITELSEITE
Das Image der Deutschen als Bürokratie-Weltmeister – fleißig, akkurat, detailverliebt – gerät durch die Affäre im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Gefahr. So viel Schlendrian und Chaos war selten in einer Bundesbehörde. In der Bamf-Außenstelle in Bremen wurden Asylbescheide offenbar nach Gutdünken verteilt, aber die Anerkennungsquoten sind auch an anderen Orten stark abweichend. Gibt es nicht objektive Kriterien in einer Bundesbehörde? Auch das immer noch fehlende Personal, die zögerlichen Verfahren, die Probleme mit kooperationsunwilligen Asylbewerbern belasten drei Jahre nach der Flüchtlingskrise das Amt. Das Bamf braucht eine Generalüberholung.
Deutschlandweite Stichproben bei Asylbescheiden, wie nun von der SPD-Justizministerin gefordert, könnten ein Weg sein, um verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Die Bamf-Chefin Jutta Cordt muss energisch aufräumen, wenn sie ihr Amt behalten will. Sie ist immerhin schon seit Oktober 2016 als Vize-Chefin der Behörde dabei. So ganz unbeteiligt kann sie also nicht sein. BERICHT NEUE VORWÜRFE GEGEN BAMF ..., TITELSEITE
EGeneralüberholung
Irisches Exempel
s gibt wohl kein Land der Welt, das so stark von der katholischen Kirche geprägt ist wie Irland. Das hat historische Gründe, die bis in die Gegenwart mächtig sind. Aber diese enge Bindung lockert sich. Vor drei Jahren führte Irland als erstes Land der Welt die von der Kirche strikt abgelehnte Homo-Ehe ein. Nun haben die Iren auch noch das Abtreibungsverbot gekippt – ebenfalls gegen den Widerstand der Kirche. Dass deren Einfluss gerade bei der jüngeren Generation rapide schwindet, hat freilich auch mit eigenen Verfehlungen zu tun. Enthüllungen über jahrzehntelangen Missbrauch und Gewalt in ihren Institutionen sowie der wenig demütige Umgang damit haben die moralische Autorität der irischen Kirche schwer beschädigt.
Nun sind die Politiker wieder am Zug, und Irland wird wohl eine Fristenlösung für Abtreibungen einführen. Ganz egal, ob man dies nun gut oder schlecht findet (ein Drittel der Iren war immerhin dagegen), beeindruckt die demokratische Reife und das breite Engagement, mit der diese Volksabstimmung abgehalten wurde. Da war das kleine Irland ganz groß. BERICHT