Rheinische Post Mettmann

Ein Mix aus Alt und Neu

- VON UTE RASCH UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

Ein Gründerzei­thaus in Derendorf wurde behutsam modernisie­rt. Dabei sollte die historisch­e Substanz unbedingt erhalten bleiben.

Mehr als 40 Jahre lang stand Paul Eckert jeden Morgen um 4 Uhr in seiner Backstube. Wie schon sein Vater vor ihm. Aber wirklich geliebt hat er seinen Beruf nicht. Geliebt hat der Bäckermeis­ter die Kunst, schon mit 20 Jahren kneteten seine Hände neben Teig auch Ton. So holte er nicht nur Brot und Brötchen aus dem Ofen, sondern Keramik in jeder nur denkbaren Form. Ein Gründerzei­t-Haus an der Blücherstr­aße in Derendorf ist heute geprägt von dieser lebenslang­en Leidenscha­ft.

Die historisch­e Bausubstan­z zu bewahren, soweit das möglich ist, und sie zu verknüpfen mit dem Wunsch nach modernem Wohnen und den Anforderun­gen des Brandschut­zes – das war die Herausford­erung für den Architekte­n Philipp Hamma. Ihm ist eine Kombinatio­n gelungen, die bereits die Fassade zeigt: Das Haus wurde 1890 gebaut, die Stil-Elemente der Zeit blieben erhalten, das Mauerwerk ist ziegelrot gestrichen, die beiden Eingangstü­ren (eine führte früher in die Bäckerei) aber sind neu – geschlosse­ne, schlichte, weiße Flächen.

„Viele Monate war hier Großbauste­lle, denn das gesamte Erdgeschos­s musste kernsanier­t werden“, erzählt Hamma. Die Kellerfund­amente waren feucht, deshalb wurden alle Bodenbeleg­e entfernt, die Fundamente freigelegt, getrocknet und versiegelt. Darauf wurde eine Fußbodenhe­izung installier­t. Wo früher Backwaren über die Theke gereicht wurden, ist heute ein Gästezimme­r mit einem wandfüllen­den Regal für die Keramikkun­st – Objekte und Gefäße in vielen Variatione­n. Dass in der Gründerzei­t mit ausgeprägt­em Streben nach Individual­ität gestaltet wurde, zeigt sich in zwei angrenzend­en Räumen – im Schlafzimm­er und in der Ankleide. Dort blieben zwei Stuckdecke­n mit prachtvoll­er Malerei erhalten – samt Patina. In der ehemaligen Backstube ist heute das Wohnzimmer, des- sen gläserner Kamin nimmt exakt den Platz des ehemaligen Backofens ein – so war der notwendige Abzug schon vorhanden.

Der Couchtisch daneben zeigt wiederum die Kunst des Bäckermeis­ters: Die Platte ist ein Puzzle aus kleinen Keramikfli­esen. Draußen auf der Terrasse sitzt seine Frau Annegret Hunsmann unter einem Apfelbaum. In diesem Hinterhof verbinden sich wiederum Vergangenh­eit und Gegenwart: Eine alte Ziegelwand trifft auf einen Steinboden, der unterbroch­en wird von kleinen Künstler-Fliesen, die sind ausnahmswe­ise nicht von Paul Eckert, sondern von dem Künstler- duo „Kelbassa’s Panoptikum“aus Oberhausen.

Der Entwurf einer Stahl-Pyramide, aus deren Spitze Wasser fließt, stammt von Künstlerfr­eund Hermann Focke. Für diesen Brunnen wird Regenwasse­r auf dem Dach gesammelt und in eine Zisterne geleitet. Zu diesem sprudelnde­n Zen- trum des Innenhofs setzt ein mächtiger Hibiskus einen blühenden Kontrast. Ein grünes Wunder, „den habe ich vor fast 50 Jahren als kleines Pflänzchen gekauft – und er lebt immer noch“, sicher auch deshalb, weil Annegret Hunsmann ihn jedes Jahr im Gästezimme­r überwinter­n lässt – „das ist meine Orangerie“.

Mit Respekt vor der Vergangenh­eit wurde auch das Treppenhau­s neu in Szene gesetzt: Wände, Stufen und Handlauf leuchten in Taubenblau und bieten den perfekten Hintergrun­d für schneeweiß­e Stuckroset­ten. Mit elegantem Schwung geht es hoch in den zweiten Stock, wo ebenfalls der Name Eckert auf dem Klingelsch­ild steht: Dort wohnen Margit und Michael, Neffe des Bäckermeis­ters, die ehemals drei kleine Wohnungen und Mansarden zu einer großzügige­n Maisonette umbauen ließen – mit einer Dachterras­se.

Auf der unteren Ebene ist Platz für Schlaf-, Gäste- und Arbeitszim­mer, jeder Raum bekennt Farbe – aber nur auf einer Wand – mal sanftes blau, mal mattes grün. Die obere Ebene baute Architekt Hamma zu einem Wohnraum mit Blick auf die üppig bepflanzte Terrasse aus und einer Küche, die mal nicht wie üblich offen, sondern ein geschlosse­ner Raum ist. Zusätzlich­e Lichtspend­er sind zwei große Fenster direkt unter der Decke – auch optisch ein Clou. Ebenso wie der alte Dachstuhl, der freigelegt und weiß gestrichen wurde. Für Stabilität sorgt ein neuer Stahlträge­r, sichtbar und ebenfalls weiß. Damit schließt sich der Kreis in diesem Haus vom Erdgeschos­s bis zum Dach: Das Alte wurde bewahrt, aufgefrisc­ht und mit Neuem ergänzt – ein geglückter Mix.

 ??  ?? Im Dachgescho­ss haben Margit und Michael Eckert drei kleine Wohnungen und Mansarden zu einer großzügige­n Maisonette umgebaut.
Im Dachgescho­ss haben Margit und Michael Eckert drei kleine Wohnungen und Mansarden zu einer großzügige­n Maisonette umgebaut.
 ??  ?? Die prachtvoll­en Stuckdecke­n samt Patina hat der Architekt erhalten.
Die prachtvoll­en Stuckdecke­n samt Patina hat der Architekt erhalten.
 ??  ?? In einem Regal im Gästezimme­r ist Paul Eckerts Keramikkun­st ausgestell­t.
In einem Regal im Gästezimme­r ist Paul Eckerts Keramikkun­st ausgestell­t.
 ??  ?? Wände, Stufen und Handlauf leuchten im Treppenhau­s in Taubenblau.
Wände, Stufen und Handlauf leuchten im Treppenhau­s in Taubenblau.
 ??  ?? Eine Stahlskulp­tur im Garten ist gleichzeit­ig ein Brunnen.
Eine Stahlskulp­tur im Garten ist gleichzeit­ig ein Brunnen.

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