Russland gibt Türkei mehr Zeit in Idlib
Ankara will die Konflikte mit Rebellengruppen in der syrischen Provinz friedlich lösen.
IDLIB Kurz vor dem Beginn der Großoffensive gegen die syrische Rebellen-Hochburg Idlib hat Russland der türkischen Regierung offenbar mehr Zeit für eine friedliche Lösung der Konfrontation gegeben. Ein Ausweg ohne militärische Mittel sei möglich, sagte der russische Syrien-Beauftragte Alexander Lawrentiew. Ob die türkischen Bemühungen erfolgreich sein und eine Schlacht in dem Gebiet mit mehr als drei Millionen Zivilisten verhindern können, ist aber ungewiss. Die türkischen Vorschläge laufen lediglich auf eine Verlagerung des Konflikts hinaus.
Syrische Truppen setzten am Mittwoch ihren Beschuss von Landstrichen im Süden Idlibs fort. Die Militäraktionen dienen derVorbereitung des Angriffs auf Idlib, dem letzten Gebiet in Syrien, in dem noch Gegner von Präsident Baschar al Assad das Sagen haben. Die UN befürchten eine humanitäre Katastrophe. Als direkte Nachbarin von Idlib setzt sich die Türkei besonders intensiv dafür ein, die Offensive doch noch zu verhindern.
Ankara unterstützt mehrere Rebellengruppen in Idlib und verfügt deshalb über Einfluss auf die Haltung der Aufständischen dort. Ziel der türkischen Bemühungen ist es, gemäßigte Rebellen und islamistische Hardliner wie die Kämpfer der Dschihadisten-Gruppe HTS voneinander zu trennen. Ankara will die rund 10.000 Mann starken HTS-Truppen laut Medienberichten in den Norden von Idlib oder in von der Türkei kontrollierte Gebiete in Nord-Syrien wie Afrin oder Dscharablus verlegen, während die bisherige HTS-Gegend in Idlib von Rebellen besetzt wird, die mit der Türkei verbündet sind.
Auf diese Weise will Ankara eine Sorge Russlands aus der Welt schaffen: Im Norden von Idlib oder in Afrin wären die HTS-Kämpfer anders als bisher nicht mehr in der Lage, den russischen Luftwaffenstützpunkt Hmeimim an der Mittelmeerküste anzugreifen. Damit wäre ein Faktor ausgeschaltet, der als Begründung des erwarteten Angriffs angeführt wird.
Doch der Plan der Türkei birgt noch Ungereimtheiten: Unter den Rebellen in Idlib sind auch Islamisten aus Tschetschenien. Es ist kaum zu erwarten, dass Russland diese Extremisten ungeschoren ihres Weges ziehen lässt. Vor allem aber würde die Verlegung der HTS-Kämpfer und anderer radikaler Gruppen das Grundproblem nicht lösen, sondern nur von Idlib in andere Gebiete verlagern.