Hut ab, Frau Minarski
Die Schulhausmeisterin hat das neue Albrecht-Dürer-Berufskolleg bereits zu „ihrem“Gebäude erklärt. Von der Parkgarage bis zum Dach hält sie hier alles am Laufen – immer mit einem Lächeln.
In der Ruhe liegt die Kraft. Die blonde Frau mit dem Kurzhaarschnitt, den Arbeitshosen und dem schwarzen Polo-Shirt macht Strecke, ohne hektisch zu werden. Jeden Tag geht sie zur Kontrolle zwei Mal alle Gänge des Berufskollegs ab – das gehört zum Job der Schulhausmeisterin. Es ist ein Marathon, kein Sprint – Aus- dauer ist gefragt. Weil dieses neue Schulgebäude so riesig ist. Und weil Katharina Minarski etwa alle zwanzig Meter angehalten wird.
Meistens geht es derzeit ums Thema Schlüssel. In diesen ersten Tagen im neuen Gebäude fragt der eine, wie er in die Parkgarage kommt; der andere, ob er sein Fahrrad im Geräteraum unterstellen darf; die Dritte, welche Türen der Sporthalle in den Pausen abgeschlossen werden sollen; und der Vierte hat festgestellt, dass der ausgehändigte Schlüssel nicht zum richtigen Klassenraum passt. Und Frau Minarski hat auf alles eine Antwort. Meistens lautet sie: „Ich kümmere mich!“
Mit den Lehrern und der Schulleitung versteht sie sich prima. Ihre größten Fans sind aber trotzdem die Handwerker, die seit vielen Monaten im Haus werkeln. „Die beste Schulhausmeisterin Deutschlands“, ruft einer, als sie sich nähert – halb im Scherz, aber auch voller Respekt. Denn Katharina Minarski ist selbst Handwerkerin. „Ich weiß, wie ich mit den Kollegen reden muss“, sagt sie. „Es klingt vielleicht komisch, aber die hören auf mich.“Denn sie nimmt auch flapsige Sprüche mit einem Lächeln an, bleibt ruhig und stellt dann die richtigen Fragen, will alles ganz genau wissen und versteht am Ende, warum manche Dinge gehen und andere eben nicht.
Gelernt hat die 45-jährige Wuppertalerin Malerin und Lackiererin, nach einigen Jahren im Beruf machte sie den Bauleiterschein. „Das hat großen Spaß gemacht, aber man wird ja auch älter“, erzählt sie. Deswegen bewarb sie sich auf eine Stelle als Haustechnikerin in einem Seniorenzentrum in Gelsenkirchen. Inhaltlich eine tolle Tätigkeit – aber die Rahmenbedingungen gingen Katharina Minarski ans Herz. „Das war nichts für mich, die Menschen dort sterben zu sehen.“Nach einem halben Jahr bewarb sie sich neu – auf die Stelle der Hausmeisterin am Albrecht-Dürer-Berufskolleg. Jetzt arbeitet sie seit drei Jahren mit ganz jungen Menschen zusammen. Und geht voll in ihrem Beruf auf. „Ich mag es, dass ich hier so viel Verantwortung habe“, sagt sie. „Ich bin ja auch Sicherheitsbeauftragte und muss dafür sorgen, dass sich hier niemand weh tut.“Bald möchte sie sich auch im Brandschutz ausbilden lassen. Noch mehr Verantwortung also. „Aber ich will das.“
Voller Stolz zeigt sie die Schreinerei („Irgendwann will ich auch noch mal lernen, wie diese ganzen Maschinen funktionieren“), die edelstahlglänzenden Lehrküchen („Das ist alles der letzte Stand der Technik hier!“) und die komplizierte Heizungsanlage, die sie natürlich nicht ganz alleine am Laufen halten kann – aber nach stundenlangen Einweisungen gut genug kennt, um zumindest eine erste Diagnose zu wagen, wenn mal was nicht funktioniert. Wenn eine Glühbirne ausfällt oder eine Steckdose locker sitzt, schreitet die Schulhausmeisterin selbst zur Tat; wenn die Lampe repariert werden muss, ist es ihr Job, die Handwerker zu beauftragen. Sie beaufsichtigt die 15-köpfige Putzkolonne, organisiert Nachschub bei Toilettenpapier und Seife, sorgt dafür, dass nichts auf den Gängen herumsteht und niemand die Wände beschmiert. Im Foyer des Gebäudes hat sie ein eigenes Büro, denn zu ihrem Job gehört auch jede Menge Organisation und Administration. „Eine Stunde Papierkram am Tag ist okay“, sagt sie. „Danach will ich mich wieder bewegen.“Sie ist begeistert über den Hightech-Fitnessraum oberhalb der gewaltigen Sporthalle. „Welche Schule hat sowas, bitte?“, fragt sie mit glänzenden Augen.
Sport ist extrem wichtig für die gebürtige Polin, die mit sieben Jahren ins Bergische Land kam. Mit 12 begann sie mit Taekwondo, später kämpfte sie auf Profi-Niveau. 1992 qualifizierte sie sich sogar für Olympia, schied aber wegen eines Kreuzbandrisses sofort aus. Über den Sport lernte sie auch ihren Verlobten kennen, mit dem sie im vier Kilometer entfernten Hilden lebt. „Ruhig im Grünen mit unseren zwei Katzen.“Nach einem Neun-Stunden-Tag („Das ist so vorgesehen für Schulhausmeister“) darf der Feierabend ruhig ganz entspannt ablaufen.
Das Albrecht-Dürer-Berufskolleg in Benrath ist für Katharina Minarski bereits jetzt „mein Gebäude“. Schon während der Bauzeit war sie immer wieder hier, das hatte sie extra mit den Verantwortlichen abgesprochen. Sie wollte das Haus von Grund auf kennenlernen, wissen, wo Leitungen verlegt sind und welcher Gedanke hinter der Raumaufteilung steckt, sich zurecht finden wie keine Zweite. Ihr Lieblingsort? Das Dach. Es gehört zu ihrer täglichen Kontrollrunde. Hier checkt sie beispielsweise, ob mit der Lüftungsanlage alles in Ordnung ist, und reinigt regelmäßig die Zugänge. Ein Ort der Freiheit, mit einem weiten Blick über Benrath – und über den Innenhof. Man kann sich Katharina Minarski sehr gut vorstellen, wie sie in der großen Pause herabschaut auf „ihre“Schüler. Für sie gehört der Kontakt mit den jungen Menschen ganz entscheidend zum Spaß am Job. „Ich mag es, wie locker die mit mir umgehen.“Gleichzeitig schaut sie sich seufzend im Klassenzimmer mit den brandneuen Tischen und sauber gestrichenen Wänden um. „Das werden die hier natürlich früher oder später auch ein bisschen kaputt machen.“Wer erwischt wird, muss den Schaden beseitigen – das ist klar. „Aber die Schule ist zu groß, um jeden zu erwischen.“
Auch die Schüler begegneten ihr in der Regel mit Respekt, sagt Minarski. „Allerdings, neulich bin ich an einem vorbeigelaufen, der meinte: Wer bist du denn? Du kannst doch gar nichts.“Das habe sie dann schon gestört, erzählt sie, wiederum lächelnd. Sie sei stehen geblieben und habe ihm kurz erklärt, was sie in ihrem Leben alles schon gemacht habe. „Er dachte halt: Eine Frau, dann noch Hausmeisterin – das kann ja sowieso jeder.“Der junge Mann entschuldigte sich. „Und dann hat er gesagt: Hut ab vor Ihnen.“
„Die beste Schulhausmeisterin
Deutschlands“, ruft einer der vielen
Handwerker
Eine Stunde Papierkram am Tag ist okay – aber danach ist wieder Bewegung
angesagt