Das sind die groß
Das Bahnhofsviertel wird sein Gesicht bald stark
Vor dem Blumengeschäft an der Ecke von Friedrich-Ebert-Straße und Karlstraße sitzen zwei Frauen auf Höckerchen und trinken Kaffee. Drinnen steht Olaf Backens und legt letzte Hand an einen Rosenstrauß mit Strass-Steinchen. „Gottseidank heiratet man nur einmal im Leben“, sagt der junge Mann im schwarzen Anzug, der Backens gegenüber steht. Er tritt von einem Fuß auf den anderen. „Weil du heiratest, bin ich nervös“, sagt Backens. Der Bräutigam zahlt und vergisst fast den Strauß. „Und lass dir die Reversblume von Mutti richtig anstecken“, ruft Backens ihm hinterher.
18 Jahre verkauft er hier schon Blumen, oft sitzt er vor seinem Geschäft und beobachtet das Straßenleben. „Ja, ich spüre eine Veränderung“, sagt er. „Nicht so, wie seit zwanzig Jahren besprochen, aber ein paar Kleinigkeiten schon.“Er deutet über die Kreuzung – dort ist gerade ein kleines Stück der Friedrich-Ebert-Straße modernisiert worden. Die Straßen im Viertel seien etwas sauberer, sagt er, und die Kriminalität deutlich geringer. Ansonsten sei er aber nicht beeindruckt. „Vor knapp 20 Jahren kam hier zum ersten Mal jemand rein und erzählte was von Quartierveränderung. Das hörte sich alles ganz toll an. Richtig passiert ist aber nichts.“
Es könnte sein, dass Olaf Backens doch noch überrascht wird. Denn in keinem anderen Quartier der Stadt stehen die Zeichen so sehr auf Veränderung. Mit dem „Grand Central“entsteht auf dem ehemaligen Gelände der Post nordöstlich des Bahnhofs ein Wohnquartier mit 1000 Wohnungen, das eine neue, urbane Zielgruppe ins Viertel bringen will. Auf der anderen Seite des Bahnhofs entstehen drei Hotels.Vor allem aber soll endlich der Bahnhofsvorplatz angegangen werden. Seit Jahrzehnten steht er in der Kritik, nun wollen Bahn und Stadt neu planen. Das „KAP 1“, die neue Zentralbibliothek im alten Postgebäude schräg gegenüber des Platzes, soll das Symbol für die Aufbruchstimmung sein.
„Der Bahnhofsvorplatz – der hat es wirklich mal nötig“, sagte Christina Lüdtke. Sie ist Inhaberin des Pfeifen- und Zigarrenhauses Linzbach an der Graf-Adolf-Straße und fühlt sich eigentlich wohl im Viertel. Fragt man sie nach Veränderungen, zählt sie auf: Die Bürgersteige vor dem Geschäft seien vor ein paar Jahren gemacht worden, der neue Nachbar, ein Barbier, sei sehr nett und man passe prima zueinander. Der Bahnhof und die umliegenden Hotels brächten viele Kunden.
Aber Wünsche oder große Erwartungen an eine neue, glänzende Zukunft desViertels hat sie kaum. Dass ein neues Quartier eine neue und vielleicht zahlungskräftigere Klientel bringen wird, spielt für sie noch keine Rolle. „Wer uns aufsucht, kommt für unsere speziellen Produkte – auch von weiter her.“
Für die Veränderung gibt es viele Ursachen: Der Boom auf dem Wohnungsmarkt verlangt neue Flächen. Das Entwicklungsprojekt „Ekiso“soll das Viertel aufwerten. Die städtische Planungsdezernentin Cornelia Zuschke sieht auch einen allgemeinen Trend: Früher seien die Bahnhofsviertel die Vorzeigequartiere gewesen, dann seien sie„an das untere Ende der Stadt gerutscht“. Das ändere sich gerade: „Bahnhofsviertel sind für Büros undWohnen gefragt.“
DieVeränderungen sind auch deswegen faszinierend, weil sie sich an einem Ort mit einer besonderen Sozialstruktur abspielen – besonders unterprivilegiert. „Schaut man sich die Bevölkerung an, die rund um den Bahnhof und am Bahndamm wohnt, findet man besonders viele Migranten und hohe Arbeitslosigkeit“, sagt Tim Lukas. Der Forscher der Universität Wuppertal beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen Sicherheit, Städtebau und Stadtgesellschaft in Bahnhofsvierteln – auch am Beispiel Düsseldorf. „Durch die neue Wohnbebauung und den Zuzug der Mittelschicht wird sich das Viertel sehr verändern“, sagt er. Er befürchtet vor allem, dass die neuen Bewohner die alten verdrängen. „Mittelständler sind beschwerdemächtig. Sie rufen eher bei OSD und Polizei an, wenn sie jemand stört.“Das sei ein Problem, sagt Lukas. „DasViertel ist der letzte Rückzugsraum für marginalisierte Randgruppen. Auch die haben aber ein Recht auf Teilhabe.“
Diese Randgruppen sind vielen schon lange ein Dorn im Auge. Bis vor wenigen Jahren war vor allem die Gegend bis zur Oststraße bekannt als Treffpunkt für Dealer und Junkies. Auch heute werden Passanten noch Zeugen offenen Drogenkonsums. AmWorringer Platz sitzen rund um die Uhr Betrunkene und Obdachlose. Und auf der anderen Seite der Gleise – zwischen Ellerund Industriestraße – liegt das sogenannte Maghreb-Viertel – immer wieder als Sitz krimineller Banden in den Schlagzeilen.
Von alledem ist im Restaurant La Grilladine nichts zu spüren. Geschäftsleute, Paare, Freundinnen und Mütter mit Kindern trinken Minztee, genießen Mezze und gegrillten Fisch. Badr Haddad wirbelt im Gastraum, bringt Brot, Rechnungen, Tee. Der Besitzer des Restaurants ist ein Kämpfer für ein besseres Image für„Klein-Marokko“– ein anderer Name für die Gegend.„Dieses Viertel hat Zukunft“, sagt er. „Das wird schön!“
Durch viele Medienberichte und eine gewisse Öffnung des Viertels hat sich seine Kundschaft verändert. Vor einigen Jahren berichtete Haddad noch von Gruppen junger Männer, die vor seiner Tür herumlungerten, Drogen verkauften, Gäste verschreckten. „Inzwischen haben wir mehr Familienflair“, sagt er. „Das wollen wir intensivieren.“Er plane zum Beispiel, Feste auszurichten, zu denen die Deutschen aus anderen Stadtteilen eingeladen seien – „so wie wir auch in der deutschen Gesellschaft feiern gehen.“Noch, sagt Badr Haddad, merke er jedoch nichts von den Veränderungen.„Ich kenne den Plan. Das Ganze muss nur umgesetzt werden.“
Damit legt er einen Finger in die Wunde. Die Neuplanung des Bahnhofsumfelds ist eine Mammutaufgabe. Denn es geht nicht nur um Aufenthaltsqualität, sondern vor allem darum, dass der Bahnhof mit seinen 250.000 Passagieren pro Werktag und den Umstiegen zu Straßenbahn, Bus, Auto und Rad funktioniert. Zuschke hat auch benachbarte Problemstellen wie den Fernbusbahnhof und die Bahnhofsrückseite in das Verfahren aufgenommen. Sie spricht von einem „modularen Verfahren“. Das bedeutet: Nicht alle Teilbereiche werden sofort angegangen, nicht überall muss es eine große Lösung sein. Das soll verhindern, dass sich Planer und Politik verzetteln – und wieder nichts passiert. NeuerRadweg Auf einer Länge von 1,3 Kilometern soll an der bis zu siebenspurigen Verkehrsachse neben dem Bahnhof ein durchgehender Radweg entstehen. Der 1,60 Meter breite Streifen soll die Sicherheit der Radfahrer erheblich verbessern – und eine wichtige Lücke bei der Anbindung der Außenstadtteile an die Innenstadt schließen. Das Prestige-Projekt für eine Verkehrswende kostet drei Millionen Euro; der Betrag beinhaltet allerdings auch andere Arbeiten von neuen Verkehrsinseln über eine Erneuerung der Fahrbahn bis zu Verbesserungen für Mobilitätseingeschränkte. Der Stadtrat hat bereits vor genau einem Jahr seine Zustimmung gegeben. Zu sehen ist aber noch nichts. Im Rathaus spricht man von „technischen Verzögerungen“und „Optimierungsbedarf“. Wie es heißt, sollen die Arbeiten aber noch in diesem Jahr starten.
Fernbusbahnhof Der Fernbusbahnhof gilt als zu eng und als wenig einladend. Daher hatte es eine politische Diskussion um einen Umzug gegeben, im Gespräch waren der Flughafen und der Südpark. Inzwischen ist klar, dass der Standort am Hauptbahnhof beibehalten werden soll. Der Fernbusbahnhof ist aber ein Teil der aktuell laufenden Neuplanung des Bahnhofsumfeldes. Das bedeutet, er könnte in den kommenden Jahren neu gestaltet werden, aber es liegen keine konkreten Pläne vor.
Grand Central Auf dem ehemaligen Gelände der Paketpost zwischen Erkrather und Kölner Straße entsteht eines der spannendstenWohnbauprojekte der Stadt. Der Abriss der Postgebäude läuft bereits, danach soll der Hochbau beginnen. Der Investor Catella will 1000 Wohnungen errichten und investiert 500 Millionen Euro. Catella-Chef Klaus Franken nennt als Zielgruppe den„gehobenen bis unteren Mittelstand“. Es gibt Eigentumswohnungen, frei finanzierte, preisgedämpfte und öffentlich geförderte Wohnungen. In drei Hochhäusern, die je 60 Meter hoch sein werden, sind 300 Wohnungen vorgesehen. In vermutlich zweien werden Eigentumswohnungen entstehen. 4000 bis 9000 Euro pro Quadratmeter sind als Kaufpreis zu erwarten.
Im Quartier dominieren Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen, viele Mieten sollen unter dem Schwellenwert 1000 Euro liegen, dazu gibt es 37 Townhouses für junge Familien. Zur Planung gehören auch zwei Kindertagesstätten. Das Quartier soll durch eine Tiefgarage autofrei werden. Es gibt begrünte Innenhöfe, Plätze und einen Boulevard für Fußgänger, zudem Gastronomie, Supermarkt, ein Hotel und eine „Quartierslounge“, wo die Bewohner Pakete, Kleidung für die Reinigung abgeben können. 2020 sollen die ersten Wohnungen bezogen werden, die Hochhäuser werden 2022 fertig. Neue Zentralbibliothek Das „KAP 1“– die Abkürzung für die Adresse Konrad-Adenauer-Platz 1 – soll nicht nur eine Zentralbibliothek nach modernen Anforderungen werden, sondern auch ein Kulturzentrum mit Bühne und Ausstellungsfläche. Auf insgesamt rund 25.000 Quadratmetern Mietfläche wird in dem ehemaligen Postgebäude eine Bibliothek mit mehr Platz als am jetzigen Standort und erheblich mehr Besucher-Arbeitsplätzen realisiert. Für das Forum Freies Theater (FFT) wird eine Bühne eingezogen. Zudem wird das Theatermuseum einziehen. Die Stadt investiert 16,5 Millionen Euro. Die Stadt und der Vermieter, das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Nordrhein, planen, dass die bereits laufenden Arbeiten bis Ende 2020/ Anfang 2021 abgeschlossen sind. Ein gläsernes Foyer soll das schmucklose Gebäude optisch aufwerten. Im Erdgeschoss zieht unter anderem ein Lidl-Markt ein.
Friedrich-Ebert-Straße Bereits seit Jahren läuft das Projekt „Ekiso“, das die Straßen rund um den Bahnhof aufwerten soll. Insbesondere geht es dabei um die drei großen Achsen zwischen Bahnhof und Innenstadt: Immermannstraße, Friedrich-Ebert-Straße und Bismarckstraße. Seit dem Frühjahr laufen Arbeiten an der Ebert-Straße, die aus diesem Projekt entstanden sind: Das 200 Meter lange Teilstück zwischen Bahnhofsvorplatz und Karlstraße wurde komplett erneuert, auf dem weiteren Verlauf sollen etwa die Beleuchtung verbessert und Fahrradständer geschaffen werden. Im Zuge der Neuplanung für den Bahnhofsvorplatz ergeben sich neue Chancen: So soll der Eigentümer der Immermannhöfe bereit sein, über einen Abriss des Gebäudeteils zu verhandeln, der die Sichtachse zwischen Bahnhofsausgang und Immermannstraße versperrt.
„Bahnhofsviertel sind für Büros und Wohnen
gefragt“
Cornelia Zuschke, Planungsdezernentin
Neues Hochhaus Zu den städtebaulich interessanten Vorhaben gehört das Hochhaus, das direkt an den Gleisen zwischen Bahnhofsgebäude und UFA-Palast entstehen soll, also auf dem Gelände der geschlossenen Discothek„Rheingold“. Das bis zu 100 Meter hohe Gebäude, das das Stadtbild prägen wird, gilt als Bedingung der Bahn für einen Start der Vorplatz-Neuplanung, da sich diese Lage hervorragend vermarkten lässt.Wie das Hochhaus aussehen wird, ist noch nicht klar. Auf den Wettbewerbs-Animationen für den Bahnhofsvorplatz ist der Hochpunkt zwar mit Blick auf eine homogene Gesamtplanung immer mit berücksichtigt worden, allerdings sind diese Entwürfe auch noch keine finalen Vorschläge 2026 könnte das Hochhaus stehen, hieß es im Frühjahr. sc ce D Gr ei xi wu di ge In ni se sc al hi un pl de nu m