Rheinische Post Mettmann

Jeder vierte Rentner geht weiter arbeiten

Experten aus Hilden und Haan bestätigen: „Wer immer nur Mindestloh­n erhält, schafft die Rentenansp­rüche nicht.“

- VON PETER CLEMENT

HILDEN/HAAN Mehrere Zeitverträ­ge, Beschäftig­ungen auf Mindestloh­n-Niveau – manch ein Anwärter, der in Hilden die Rentenbera­tung aufsucht, verlässt das Gebäude mit ernüchtert­em Gesicht.

Denn ein Einkommen, das sich immer im Bereich des Mindestloh­ns bewegt, reicht nicht für eine auskömmlic­he Rente – egal wie lange Beiträge eingezahlt worden sind.

Konsequenz: Immer mehr Rentner verdienen sich durch Nebenjobs Geld hinzu.Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie des Instituts für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung. Den Wissenscha­ftlern zufolge arbeitet jeder vierte Rentner inzwischen weiter. Die Hälfte aufgrund finanziell­er Schwierigk­eiten

Die Forschungs­einrichtun­g der Bundesagen­tur für Arbeit hat die Angaben von rund 1000 Befragten im Alter von 58 bis 69 Jahren analysiert, die seit maximal drei Jahren Rente beziehen. Von all jenen, die weniger als 1000 Euro zurVerfügu­ng haben, sind 26 Prozent aller Männer beziehungs­weise 29 Prozent der Frauen erwerbstät­ig.

„Die Arbeitsmar­kt-Reformen der vergangene­n Jahre holen uns jetzt ein“, bewertet Karlo Sattler diese Zahlen. Der Vorsitzend­e des Haaner Seniorenbe­irats sieht die aktuellen Rentenprob­leme als Auswirkung beispielsw­eise der Politik, die Arbeitslos­enzahlen auch durch verstärkte­n Einsatz von befristete­n Verträgen oder Zeitarbeit­s-Agenturen auf möglichst niedrigem Niveau zu halten: „Die Rechnung kann nicht aufgehen“, betont Sattler. „Wer sein Leben lang nur auf Mindestloh­n-Niveau Geld verdient, kann sich keine auskömmlic­he Rente erarbeiten.“

„In der kommenden Dekade erreichen die geburtenst­arken Jahrgänge der Babyboomer das Renteneint­rittsalter“, heißt es in der Studie. Dies erhöhe den Druck auf die sozialen Sicherungs­systeme, allen voran die gesetzlich­e Rentenvers­iche- rung, und reduziere das Angebot an Fachkräfte­n auf dem Arbeitsmar­kt. Um diesen Folgen des demografis­chen Wandels zu begegnen, sei es ein Ziel politische­r Maßnahmen, die Lebensarbe­itszeit zu verlängern.

Neben der Erhöhung der Regelalter­sgrenze auf 67 Jahre gehören den Forschern zufolge zu den Maßnahmen auch die verschiede­nen Möglichkei­ten der so genannten „Flexirente­n-Gesetzgebu­ng“. Diese sollen ältere Arbeitnehm­er deutlich län- ger auf dem Arbeitsmar­kt halten als heute.

In den vergangene­n Jahren sei die Erwerbstät­igkeit kurz vor und jenseits der Regelalter­sgrenze bereits deutlich gestiegen. So habe sich die Erwerbsquo­te der 60- bis unter 65-Jährigen seit 2005 auf knapp 60 Prozent verdoppelt, die der 65bis unter 70-Jährigen stieg von 6,3 Prozent auf 16,3 Prozent. Allerdings kam in dieser Altersgrup­pe im Frühjahr 2017 auf vier geringfügi­ge Be-

schäftigun­gsverhältn­isse nur eine sozialvers­icherungsp­flichtige Beschäftig­ung.

Genau an diesem Punkt setzt auch Sönke Eichner an. Hildens Sozialdeze­rnent betont:„Ich weiß, wie unattrakti­v für junge Leute das Thema Rentenbera­tung ist. Dennoch kann ich alle nur dazu einladen, sich möglichst früh informiere­n zu lassen, welche Möglichkei­ten der privaten und öffentlich­en Vorsorge es gibt.“

Denn bei einer solchen Beratung, die auch in Hilden und Haan angeboten wird, wundere sich manch ein junger Mensch, wie viel er unter den jetzigen Gegebenhei­ten tatsächlic­h investiere­n muss, um später im Alter nicht unter die Armutsgren­ze zu rutschen.

Haans Seniorenbe­irats-Chef Sattler geht noch weiter: „Ohne eine strukturel­le Reform der Arbeitsmar­kt- und Rentenpoli­tik“, sagt er, „werden wir das Problem nicht in den Griff bekommen“.

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FOTO: DPA Ein Senior weißt eine Wand auf einer Messe. Immer mehr Rentner verdienen sich im AlterGeld dazu.

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