Jeder vierte Rentner geht weiter arbeiten
Experten aus Hilden und Haan bestätigen: „Wer immer nur Mindestlohn erhält, schafft die Rentenansprüche nicht.“
HILDEN/HAAN Mehrere Zeitverträge, Beschäftigungen auf Mindestlohn-Niveau – manch ein Anwärter, der in Hilden die Rentenberatung aufsucht, verlässt das Gebäude mit ernüchtertem Gesicht.
Denn ein Einkommen, das sich immer im Bereich des Mindestlohns bewegt, reicht nicht für eine auskömmliche Rente – egal wie lange Beiträge eingezahlt worden sind.
Konsequenz: Immer mehr Rentner verdienen sich durch Nebenjobs Geld hinzu.Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Den Wissenschaftlern zufolge arbeitet jeder vierte Rentner inzwischen weiter. Die Hälfte aufgrund finanzieller Schwierigkeiten
Die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit hat die Angaben von rund 1000 Befragten im Alter von 58 bis 69 Jahren analysiert, die seit maximal drei Jahren Rente beziehen. Von all jenen, die weniger als 1000 Euro zurVerfügung haben, sind 26 Prozent aller Männer beziehungsweise 29 Prozent der Frauen erwerbstätig.
„Die Arbeitsmarkt-Reformen der vergangenen Jahre holen uns jetzt ein“, bewertet Karlo Sattler diese Zahlen. Der Vorsitzende des Haaner Seniorenbeirats sieht die aktuellen Rentenprobleme als Auswirkung beispielsweise der Politik, die Arbeitslosenzahlen auch durch verstärkten Einsatz von befristeten Verträgen oder Zeitarbeits-Agenturen auf möglichst niedrigem Niveau zu halten: „Die Rechnung kann nicht aufgehen“, betont Sattler. „Wer sein Leben lang nur auf Mindestlohn-Niveau Geld verdient, kann sich keine auskömmliche Rente erarbeiten.“
„In der kommenden Dekade erreichen die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer das Renteneintrittsalter“, heißt es in der Studie. Dies erhöhe den Druck auf die sozialen Sicherungssysteme, allen voran die gesetzliche Rentenversiche- rung, und reduziere das Angebot an Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt. Um diesen Folgen des demografischen Wandels zu begegnen, sei es ein Ziel politischer Maßnahmen, die Lebensarbeitszeit zu verlängern.
Neben der Erhöhung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre gehören den Forschern zufolge zu den Maßnahmen auch die verschiedenen Möglichkeiten der so genannten „Flexirenten-Gesetzgebung“. Diese sollen ältere Arbeitnehmer deutlich län- ger auf dem Arbeitsmarkt halten als heute.
In den vergangenen Jahren sei die Erwerbstätigkeit kurz vor und jenseits der Regelaltersgrenze bereits deutlich gestiegen. So habe sich die Erwerbsquote der 60- bis unter 65-Jährigen seit 2005 auf knapp 60 Prozent verdoppelt, die der 65bis unter 70-Jährigen stieg von 6,3 Prozent auf 16,3 Prozent. Allerdings kam in dieser Altersgruppe im Frühjahr 2017 auf vier geringfügige Be-
schäftigungsverhältnisse nur eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.
Genau an diesem Punkt setzt auch Sönke Eichner an. Hildens Sozialdezernent betont:„Ich weiß, wie unattraktiv für junge Leute das Thema Rentenberatung ist. Dennoch kann ich alle nur dazu einladen, sich möglichst früh informieren zu lassen, welche Möglichkeiten der privaten und öffentlichen Vorsorge es gibt.“
Denn bei einer solchen Beratung, die auch in Hilden und Haan angeboten wird, wundere sich manch ein junger Mensch, wie viel er unter den jetzigen Gegebenheiten tatsächlich investieren muss, um später im Alter nicht unter die Armutsgrenze zu rutschen.
Haans Seniorenbeirats-Chef Sattler geht noch weiter: „Ohne eine strukturelle Reform der Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik“, sagt er, „werden wir das Problem nicht in den Griff bekommen“.