Die Ober-Bayern gehen auf ihre Kritiker los
Vorstands-Chef Rummenigge und Präsident Hoeneß geißeln „herabwürdigende“Berichterstattung.
MÜNCHEN Hier hat Giovanni Trapattoni im Frühjahr 1998 seine berühmte „Ich habe fertig“-Rede gehalten. Anderthalb Jahre später beugte sich Stefan Effenberg angriffslustig über das Rednerpult und herrschte die versammelte Münchner Presse an: „Freunde der Sonne, ich bin einer, der sich das nicht gefallen lässt.“Es ist also auch gelebte Traditionspflege, dass am Freitag vor dem Bundesliga-Spiel des FC Bayern München in Wolfsburg das Führungstrio des Rekordmeisters (Vorstands-Chef Karl-Heinz Rummenigge, Präsident Uli Hoeneß und Sportdirektor Hasan Salihamidzic) dieses Podium auf dem Klubgelände an der Säbener Straße erklomm und dort auf die Kritiker des Titelverteidigers losging.
Vier Pflichtspiele in Folge haben die Münchner nicht gewonnen. Das sorgt zuverlässig für Aufregung im Umfeld des Titelträgers. Die Ober-Bayern sind der Meinung, dass es „hämische, herabwürdigende Berichterstattung“(Rummenigge) gegeben habe, „es scheint offensichtlich, dass man sich überhaupt keine Gedanken mehr macht über Werte wie Würde und Anstand“. Beleg dafür ist die Behauptung, die Nationalverteidiger Jerome Boateng und Mats Hummels hätten zuletzt Altherrenfußball gespielt. „Geht’s noch?“, fragte Rummenigge. Er hätte das den ehemaligen Bayern-Profi Olaf Thon fragen müssen, der genau diese Behauptung beim Privatsender Sky aufgestellt hatte. Er saß aber nicht im Saal.
Die geschlossene Verteidigungshaltung der Bosse entspricht einem Münchner Reflex, als dessen Erfinder Hoeneß gelten kann. Wann immer er sein Lebenswerk, als das er den Klub sieht, angegriffen fühlt, teilt er aus, sehr oft, ohne zweimal nachzudenken. Das war zu Manager-Zeiten so, als er sich dafür den Kampfnamen „Abteilung Attacke“einhandelte. Und das ist im hohen Präsidentenamt nicht anders.„Dieser Verein wird sich wieder als eine Einheit in der Öffentlichkeit darstellen, wie Sie das lange Zeit nicht erlebt haben“, sagte er. Unterlassungsklagen und Gegendarstellungen stellte er in Aussicht. Als „Frechheit“bezeichnete er die jüngste Berichterstattung über den Verein – natürlich wohlwissend, dass er damit ein pauschales Urteil fällte. Aber wenn es um die Bayern geht, hat Hoeneß noch nie ein Problem damit gehabt, aus jeder staatsmännischen Rolle zu fallen.
Rummenigge bemühte sogar das Grundgesetz und verwies darauf, dass „die Würde des Menschen un- antastbar ist“. Es ist eher unwahrscheinlich, dass er dem Präsidenten im Sommer moralische Vorhaltungen gemacht hat. Grund dafür gab es. Hoeneß hatte nach Mesut Özils Rücktritt eine wenig geschmackvolle Einschätzung des deutsch-türkischen Fußballers abgegeben. „Der hat seit Jahren einen Dreck gespielt“, erklärte Hoeneß, „seinen letzten Zweikampf hat er 2014 gewonnen.“Blieb da die Würde des Menschen unantastbar?
Vor allem die Boulevardmedien haben diese Meinung zu Özils fußballerischer Lebensleistung gern aufgegriffen. Hoeneß war es recht. Genau diese Medien aber griff ausgerechnet Rummenigge an, als er sich die Springer-Presse vornahm. Dabei gehört derVorstands-Chef zu den Lieblingsgesprächspartnern der „Sport-Bild“. Das wurde natürlich nicht näher erörtert.
Weil Hoeneß gerade mal als Kämpfer für Sitte und Anstand unterwegs war, brach er auch eine Lanze für Bundestrainer Joachim Löw. Dem seien mal die Füße geküsst worden, jetzt versuche man ihn abzusägen. Und deshalb „ist es an der Zeit, dass sich der wichtigste Klub in Deutschland hier klar positioniert“.
Rummenigge fand den Auftritt des Führungstrios, in dem nur Salihamidzic nicht zu wortgewaltig wirkte, regelrecht historisch. „Heute ist ein wichtiger Tag für den FC Bayern, weil wir Ihnen mitteilen, dass wir uns das nicht mehr gefallen lassen“, erklärte der Vorstands-Chef. Effenberg hatte das vor 19 Jahren mit weniger Pathos versprochen.
Aufmerksamkeit haben die Münchner zweifellos erreicht. Und das war sicher eine wesentliche Absicht. Bis zum Spiel inWolfsburg am Samstagnachmittag wird über Hoeneß und Rummenigge und ihr Sendungsbewusstsein diskutiert. Damit ist die Mannschaft zunächst aus der Schusslinie. Für einen Tag.