9. November 1953
Die Treppenstraße in Kassel hat eine einzigartige Architektur: 104 Stufen überwinden dort 15 Höhenmeter, Passagen mit Treppen wechseln mit Podesten ab, nur in der Mitte überwinden steile Rampen die Anstiege stufenlos. Autofahrer hätten es schwer, dort ein Ziel zu erreichen. Doch Pkw waren an der Treppenstraße ohnehin schon immer unerwünscht. Als die Straße am 9. November 1953 mit einer feierlichen Zeremonie eröffnet wurde, war sie einmalig in Deutschland: die erste Fußgängerzone. Bombenangriffe hatten während des Zweiten Weltkriegs die Kasseler Innenstadt so stark zerstört, dass die Stadt beim Wiederaufbau neue Wege gehen konnte. Das Konzept einer Fußgängerzone war wegweisend, aber noch ungewöhnlich. Bis dahin hatten nur wenige europäische Städte Straßen für den Verkehr gesperrt, beimWiederaufbau hatte man eher darauf geachtet, dass Autos, Zweiräder und Lastwagen möglichst auch noch den letzten Winkel der Innenstadt erreichen konnten. Stattdessen sollte nun also in Kassel den Fußgängern Vorrang eingeräumt werden – die Verantwortlichen hofften, auf diese Weise den Handel zu beleben. Kleine Geschäfte und große Kaufhäuser reihten sich aneinander. Die Einkaufs- und Flaniermeile fand schnell Nachahmer: Bald wurden in großen und kleinen Städten in ganz Deutschland Straßen oder ganze Fußgängerzonen für den Verkehr gesperrt.