Rheinische Post Mettmann

Hildener erinnern an Pogrom-Opfer

Reinigung der Stolperste­ine, Sterngang und Gottesdien­st halten Erinnerung an die Verbrechen der Nazis wach.

- VON TOBIAS DUPKE

HILDEN Als Birgit Alkenings von Rolf Bernstein spricht, wird das Grauen fast greifbar. „Erst war er ein normaler Schüler in der Schule an der Augustastr­aße, dann mied man ihn. Danach nahm die Ausgrenzun­g ihren Lauf“, sagt Hildens Bürgermeis­terin am Freitagabe­nd auf der offizielle­n Gedenkvera­nstaltung für die Opfer der Reichspogr­omnacht im Stadtpark. Ein Schlägertr­upp verwüstet am 9. November 1938 die Wohnung der Bernsteins an der Mettmanner Straße. Kurze Zeit später versucht die Familie in die USA zu fliehen, schafft es aber nur bis in die Niederland­e. Nach der Besetzung durch die Nationalso­zialisten verstecken sich Bernsteins bei Rolfs neuem Lehrer. 1944 werden sie verraten.

Mit einer bewegenden Rede hat Alkenings den Opfern des Nationalso­zialismus’ gedacht und an Hildens unrühmlich­e Vergangenh­eit erinnert. Sieben Menschen starben vor 80 Jahren in der Itterstadt. „Es war keine spontane Aktion Einzelner, sondern Teil einer gesellscha­ftlichen Entwicklun­g“, sagt die Bürgermeis­terin.

Ungewöhnli­ch viele Jungendlic­he nehmen an der Gedankvera­nstaltung teil. Sie haben zuvor die 48 Stolperste­ine im gesamten Stadtgebie­t besucht, sie poliert und Kerzen angezündet. Danach sind sie im Sterngang zur Gedenkvera­nstaltung in den Stadtpark gelaufen.

„Wir treffen uns regelmäßig und sprechen über die Biographie­n der Opfer“, erklärt Isabella Osenberg, Leiterin des Aktionskre­ises Stolperste­ine. Die Geschichts- und Religionsl­ehrerin an der Theresiens­chule möchte, dass die Jugendlich­en die Schicksale mit ihrem eigenen Leben verbinden. Deshalb fährt sie mit ihren Schulklass­en auch einmal im Jahr nach Auschwitz. Dort spricht sie über die Hildener Opfer, die in dem Vernichtun­gslager ermordet worden sind und stellt damit eine Verknüpfun­g mit dem Alltag ihrer Schüler her.

Aber nicht nur Osenbergs Schüler und die Mitglieder des Aktionskre­ises sind am Freitag dabei, auch das neu gewählte Jugendparl­ament und Schüler anderer Schulen nehmen an dem Gedenken teil. Pfar- rerin Nicole Hagemann steht mit einigen Konfirmand­en vor dem Gedenkstei­n im Stadtpark und hört der Rede der Bürgermeis­terin zu. „Wir besprechen gerade das Thema Verantwort­ung in derWelt. Und da habe ich erzählt, dass ich heute hierher komme und gefragt, wer mich begleiten möchte. Ich freue mich sehr, dass es so viele sind“, sagt sie. Mehr als zehn ihrer Konfirmand­en nehmen die Einladung an.

Insgesamt hören rund 70 Jugendlich­e und noch einmal so viele Erwachsene den Worten Birgit Alke- nings zu, als sie die Geschichte des Hildener Jungen Rolf Bernstein weiter erzählt: Der Niederländ­er, der die Familie versteckt, wird verhaftet und 1944 in Bergen-Belsen ermordet. Rolf und seinVater kommen ins Vernichtun­gslager Auschwitz, in dem sie 1945 sterben.

Nach diese Geschichte spannt die Bürgermeis­terin den Bogen in die heutige Zeit, schaut auf die USA, Europa und Deutschlan­d, spricht von Hass und Ausgrenzun­g und von „rechtsextr­emen Anzugsträg­ern, die mit zweistelli­gen Ergebnisse in die Parlamente einziehen. Wir wollen uns erinnern, damit unsere Demokratie nie wieder so schwach wird. Wir wollen uns erinnern, weil wir eine gute Zukunft wollen.“

Nach der Kranzniede­rlegung und den bewegenden Worten nehmen gehen viele noch in die Stadt und nehmen an dem Gedenkgott­esdienst in der Reformatio­nskirche teil. Dort lesen Jugendlich­e die Namen der Hildener Opfer des Nationalso­zialismuss­es vor und erzählen erstmals auch aus dem Leben der Ermordeten.

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LEN ?? Heide Wucke reinigt die Stolperste­ine von Dr. Siegmund Sommer und Hendrika Grüter. Zum Gedenken an die Reichsprog­romnacht pflegen die Mitglieder des Arbeitskre­ises „Stolperste­ine“jeden dieser kleinen Gedenkort in Hilden.
FOTO: STEPHAN KÖH- LEN Heide Wucke reinigt die Stolperste­ine von Dr. Siegmund Sommer und Hendrika Grüter. Zum Gedenken an die Reichsprog­romnacht pflegen die Mitglieder des Arbeitskre­ises „Stolperste­ine“jeden dieser kleinen Gedenkort in Hilden.

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