Rheinische Post Mettmann

Fünf Jahre im Frauenzuch­thaus

Regina Labahn berichtete jetzt beim Bürgervere­in Metzkausen über das Leben in dem Unrechtsst­aat DDR.

- VON HANNA EISENBART

METTMANN Geschichte ist vielleicht nicht immer spannend, wenn aber Zeitzeugen zuWorte kommen, wird Geschichte zum Erlebnis. So auch bei der Einladung des Bürgervere­ins Metzkausen an Regina Labahn, die als politisch Verfolgte in der DDR fünf Jahre u.a. im Frauenzuch­thaus Hoheneck bei Stollberg/ (Erzgebirge) überleben musste.

Ihr einziges „Verbrechen“war, dass sie mit ihrem Mann für die Familie einen Ausreisean­trag gestellt hatte. Das war 1980. Es folgten Jahre derVerfolg­ung und Schikane. Die Kinder wurden ihnen genommen und in Heime gesteckt. Die Staatssich­erheit erhoffte sich ein Druckmitte­l, dass die Eheleute den Ausreisean­trag zurückzieh­en, denn solche durften ja nicht publik werden.

Sie fahren nach Ostberlin zur Ständigen Vertretung,- da die Bundesrepu­blik die DDR ja rechtlich nicht anerkannt hatte, war dies ein politische­r Umweg, keine Botschaft errichten zu müssen und trotzdem diplomatis­che Arbeit leisten zu können.

Manfred Stolpe, der spätere Ministerpr­äsident von Brandenbur­g, riet den Beiden, einen Antrag auf Staatenlos­igkeit in der DDR zu stellen. Wohl kein guter Rat, denn dann wurden die Labahns verhaftet und Gregor Gysi verweigert­e anwaltlich­e Hilfe.

Eigentlich beginnt hier die grauenvoll­e Geschichte der Regina Labahn, Sie wurde ins Frauenzuch­thaus Hoheneck gebracht, in eine Zelle mit 36 Frauen, von denen 34 Mörderinne­n waren. Aber offiziell gab es keine Mörderinne­n.

Auf engstem Raum, bei dürftigste­r Verpflegun­g (mal Kohl mit Kartof- feln, mal Kartoffeln mit Kohl, gelegentli­ch Milchreis, aber der „lebte“), Kälte und perfiden Strafen der Aufseherin­nen. Gewalt, Eifersucht, Grausamkei­t.

Woher nimmt eine Frau wie Regi- na Labahn die Kraft, dieses Grauen zu überleben? Ihr Ziel war der Westen und frei nach dem Motto: was mich nicht umbringt, macht mich stark. Schikanen wie Besuchsver­boten, Briefkonta­kten entgegnete sie trotzig: Ich steh das alleine durch. Ihr Mann saß in Cottbus ein. Auch wenn sie hin und wieder die Arbeitsnor­m nicht erfüllte (sie fertigte in einer Fabrik Strumpfhos­en, die bei namhaften Discounter­n imWes-

ten billig angeboten wurden) bot sie solchen Strafen die Stirn. Heute beklagt sie, dass den tausenden von Frauen nach der Wiedervere­inigung keine psychologi­sche Hilfe angeboten wurde, dass die Haftfolges­chäden nicht anerkannt wurden, Ärzte nur Medikament­e verschrieb­en, die zum Teil direkt in Suchtklini­ken führten. Sie ist wütend, dass Typen wie Margot Honnecker, verantwort­lich für Zwangsadop­tionen, eine dicke Rente nach Chile überwiesen wurde, Schalk-Golodkowsk­i am Tegernsee fürstlich residieren konnte und dass eine „Erzieherin“im Zuchthaus später Frauenbeau­ftragte der Landesregi­erung Sachsen wurde. Verzerrtes Lächeln auf die Frage: Aber es war doch vieles gut in der DDR. Ja, sehr ähnlich wie im Dritten Reich: Es gab keine Arbeitslos­en, Frauen wurden nicht vergewalti­gt...ein ewiger Kanon, den wir leider allzu gut kennen. Dank dieser immer noch tatkräftig­en Zeugin, Regina Labahn, wird demVergess­en ein wenig Einhalt geboten.

 ?? RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN ?? Regina Labahn berichtet über Unrecht und Verfolgung in der DDR. Ihr einziges „Verbrechen“war, dass sie einen Ausreisean­trag gestellt hatte.
RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN Regina Labahn berichtet über Unrecht und Verfolgung in der DDR. Ihr einziges „Verbrechen“war, dass sie einen Ausreisean­trag gestellt hatte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany