Ein strahlender Auftritt im Advent
Jedes Jahr lässt Walter Templin Haus und Garten in der Vorweihnachtszeit leuchten – mit 20.000 Lichtern.
Elf Monate im Jahr hüllt sich dieses Haus in Unauffälligkeit; ein Reihen-Bungalow wie viele seiner Art. Aber im Advent hat das Haus einen strahlenden Auftritt. Bis zur Dachkante (und darüber hinaus) funkeln, glitzern, leuchten über 20.000 Lichter in die Nacht. Dunkle Jahreszeit? Winter-Tristesse? Nicht auf der Jakob-Kneip-Straße in Garath. Denn im Advent nimmt Walter Templin die Bibel beim Wort und drückt allabendlich auf die Knöpfe: Und es werde Licht!
Dabei fing alles ganz harmlos an. Vor fast 25 Jahren schmückte Walter Templin (67) einen Tannenbaum in seinem Innenhof.„Mit höchstens 120 Birnchen“, erinnert er sich an seinen spärlich leuchtenden Anfang, Lichtjahre entfernt. „Dann kam immer mehr dazu.“Mehr Licht, mehr Dekoration, mehrWeihnachtsmänner. Vor allem die. Man hat ja als durchschnittlich ambitionierter Vorweihnachtsmensch keine Vorstellung davon, in welcher Vielfalt so ein Rauschebart den Menschen erscheinen kann. Ein Exemplar im Bungalow-Eingang kommt in schlichter Eleganz daher, Weihnachtsmann ganz in Weiß von der Zipfelmütze bis zur Stiefelkante. Auf dem Dach – neben einem glitzernden Tannenbaum – schwebt ein federleichtes Exemplar fast 2,50 Meter hoch in den Himmel, sein sportlicher Kollege klettert die Hauswand hoch, dann hebt sich ein Deckel von einer Kiste im Vorgarten, wie durch Zauberhand, ein Weihnachtsmann lässt sich kurz blicken und verschwindet wieder, Deckel zu. Weihnachtsmänner wohin man auch schaut, alle wohlgenährt, alle mit derselben Botschaft: Bald ist Weihnachten!
Früher, als Walter Templin noch berufstätig war, hat er immer zwei Wochen Urlaub genommen, um Haus und Garten zu schmücken. Jetzt kann es der Rentner etwas entspannter angehen lassen, damit der Nachbarschaft pünktlich zum Ersten Advent ein Licht aufgeht. Sechs Stromkreise, die er von den verschiedenen Räumen seines Hauses schalten kann, sind notwendig für den Lichterzauber, der Büsche, Bäume und Hecken im Vorgarten erleuchtet – jeden Tag mit Beginn der Dämmerung. Längst hat er auf LED-Technik umgerüstet, längst besitzt er Weihnachtsschmuck made in USA, mitgebracht von seiner Nichte – Girlanden mit blauen Zuckerstangen und roten Herzen, und alles blinkt.
„Als vor etlichen Jahren mal an einem Dezember-Abend die Straßenbeleuchtung ausfiel, war mei- neWeihnachtsbeleuchtung die einzige Lichtquelle“, erinnert er sich. Aber auch sonst hat sein Haus eine solche Leuchtkraft, dass viele Menschen kommen, um das alljährliche Spektakel zu bewundern. Vor allem am dritten Advent: Da bewirtet Walter Templin jedes Jahr über 200 Gäste – Freunde,Verwandte, Nachbarn, ehemalige Kollegen – mit Glühwein zum Glitzerschein. Bei den Vorbe- reitungen helfen viele mit, dann brutzeln Würstchen auf dem Grill, und eine Feuertonne wärmt fast so stark wie die fröhliche Gemeinschaft. Und wenn es regnet? „Spannen wir Sonnenschirme auf.“Also fehlt jetzt nur noch, dass das Wetter inWeihnachtsstimmung kommt, und bestenfalls ein bisschen Schnee beschert.
Anfang Januar gehen die Lichter aus. Dann packtWalter Templin seinenWeihnachtszauber in unzählige Kisten und Kartons – „nach einem genauen System, sonst würde ich ja nichts wiederfinden“. Und wartet auf die nächste Stromrechnung. Zwischen 300 und 400 Euro kostet ihn das leuchtendeVergnügen.„Was soll‘s, das ist eben mein Hobby“, sagt er, „andere sammeln Briefmarken.“Nur die alten Tannen im Vorgarten, beide über 15 Meter hoch, sind das ganze Jahr mit Lichterketten geschmückt, wäre auch viel zu mühsam, die immer wieder abzubauen. Und so bleibt ein bisschen Verheißung für den nächsten Advent, den die Kinder der Nachbarschaft ungeduldig erwarten. Auf der Straße sagt ein Mädchen, das mit seinem Papa gerade das Weihnachtshaus bestaunt: „Da wohnt das Christkind.“