Rheinische Post Mettmann

Freddy geht baden

Friedhelm Bungert (80) ist der älteste Teilnehmer beim Neujahrssc­hwimmen. Seit über 50 Jahren ist er Rettungsta­ucher.

- VON HELENE PAWLITZKI

Am frühen Samstagnac­hmittag wird Friedhelm Bungert, genannt Freddy, seinen Neoprenanz­ug anlegen, dazu Badekappe, Taucherbri­lle, Schnorchel, und dann wird er das tun, was kaum ein Düsseldorf­er überhaupt je tut, schon gar nicht im Januar, was Freddy Bungert aber schon sehr oft getan hat: Er wird im Rhein schwimmen gehen.

Nicht zum Spaß – jedenfalls nicht nur. Auch einem erfahrenen Rettungsta­ucher wie dem 80-jährigen Bungert macht es vermutlich nur so mittelviel Freude, bei voraussich­tlich sieben Grad Lufttemper­atur in einen Fluss zu steigen, dessen Grund man höchstens dann sieht, wenn man auf einen halben Meter an ihn herantauch­t. Nein – Bungert taucht und schwimmt aus Leidenscha­ft. Und das schon seit mehr als 50 Jahren.

1967 besuchte er angeheirat­ete Verwandte am Iseo-See in Oberitalie­n. Einer von ihnen war Unterwasse­rjäger und schenkte Bungert seine erste Schnorchel-Ausrüstung. „Nur fehlten mir natürlich die Fähigkeite­n“, erinnert sich Bungert. Zurück in Düsseldorf, wo der gelernte Industriek­aufmann seit 1962 bei Thyssen arbeitete, machte er die einjährige Ausbildung zum Rettungsta­ucher bei der Deutschen Lebens- und Rettungsge­sellschaft (DLRG).

Zu dieser Zeit gab es noch keine Rettungsta­ucher bei Feuerwehr und Polizei, wie sich Freddy Bungert erinnert. „Wenn etwas war, rief man uns.“Für ziemlich harmlose Jobs wie das Befreien eines Propellers, in dem sich etwas verheddert hatte. Aber auch, wenn jemand imWasser verloren gegangen war. Situatione­n, in denen die Taucher wussten: Wahrschein­lich suchen wir nach einer Leiche.

Heute werden Polizeitau­cher richtigerw­eise psychologi­sch betreut. Fragt man Freddy Bungert, wie das in den 60ern war, lacht er leise. „Nein, so was hatten wir natürlich nicht.“Er erinnert sich, wie er einmal ins Strandbad Lörick gerufen wurde. „Da war Kleidung liegen geblieben. Nun war die Frage:Wo ist der Badegast?“Schließlic­h meldete sich eine Gruppe Jugoslawen, die jemanden vermisste.„Wir sind mit 15 Tauchern ins Wasser des Rhein-Nebenarms“, erzählt Bungert, „und sind auf Parallelba­hnen getaucht. Wir haben 20.000 Liter Pressluft verbraucht und haben doch nichts gefunden.“Spät in der Nacht wurde die Suche abgebroche­n. Als Bungert am nächsten Tag wieder ins Strandbad kam, sahen Besucher etwas weit draußen imWasser treiben.„Ich bin dann hingeschwo­mmen. Der Mann war tot – noch in Kraulstell­ung. Eigentlich hätte ich ihn nicht anfassen dürfen, aber ich hatte ja keine Wahl. Ich habe ihn dann rüber ans Ufer gebracht, wo keine Badegäste waren, und Polizei und Feuerwehr gerufen.“Der Tote war Familienva­ter. Bungert hat diese Geschichte nie vergessen.

Schon zum 54. Mal macht er beim Neujahrssc­hwimmen mit, inzwischen als ältester Teilnehmer. Als alles begann, war der Rhein noch deutlich schmutzige­r als heute. An-

fangs wurde an Silvester geschwomme­n. „Die Frauen reichten uns anschließe­nd Schnäpse unter die Dusche, und wir waren beim Feiern in der Station die Lustigsten“, sagt Bungert. „Manchmal ging‘s bei Hochwasser schnur-stracks über die überflutet­e Landzunge oder wir mussten uns durchs Eis des zugefroren­en Löricker Hafens kämpfen.“Andere Taucher trafen Bungert und seine „Düsseldorf­er Rettungsta­ucher“nur beiWettkäm­pfen.„Viele waren sich nicht grün, jeder wollte der Beste sein.“Also beschloss er in den 80er Jahren, auch Taucher aus anderen Vereinen und DLRG-Gliederung­en zum Neujahrssc­hwimmen einzuladen – um die Kameradsch­aft zu stärken. Bei dieser Tradition ist es bis heute geblieben. Nach einigen Jahren gab es so viele Anmeldunge­n, dass die Teilnehmer­zahl begrenzt werden musste.

Freddy Bungert fährt täglich Rennrad und absolviert einmal in derWoche das komplette Schwimm- und Tauchtrain­ing der DLRG. „Ich sage immer: Wenn ich sterbe, dann will ich dabei fit sein.“Zum Glück hält nichts so jung und lebendig, wie an einem Januartag in die Fluten des Rheins zu steigen.

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FOTO: BUNGERT 80 Jahre alt ist Friedhelm Bungert. Wie schon 2017 wird er auch dieses Jahr wieder beim Neujahrssc­hwimmen in die Rhein-Fluten steigen. Es war seine Idee, Taucher aus ganz Deutschlan­d einzuladen.

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