Rheinische Post Mettmann

Kohle-Länder pokern um Milliarden

Neben Strukturfö­rdermittel­n geht es vor allem um feste Zusagen zum Ausbau von Bahnstreck­en und Autobahnen.

- VON ANTJE HÖNING UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Das große Pokern um Kompensati­onen für den Kohleausst­ieg geht in die letzte Runde. Am Pokertisch bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) saßen am Dienstagab­end neben den vier Vorsitzend­en der Kohlekommi­ssion und einigen Ministern die Ministerpr­äsidenten der Kohle-Länder NRW, Brandenbur­g, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Der Bund braucht das Einverstän­dnis der Länder, wenn er den Kohleausst­ieg im Bundesrat durchsetze­n will. Die Ministerpr­äsidenten Armin Laschet (CDU/NRW), Dietmar Woidke (SPD/Brandenbur­g), Reiner Haseloff (CDU/Sachsen-Anhalt) und Michael Kretschmer (CDU/Sachsen) wähnen sich daher in einer guten Verhandlun­gsposition. Doch auch Industrie und Gewerkscha­ften rufen nach Entschädig­ung – und die Mittel des Bundes sind begrenzt.

60 Milliarden Euro hatte Haseloff als Ausgleich für die vier Länder verlangt. NRW forderte unlängst zehn Milliarden Euro, allerdings allein für NRW. Brandenbur­gs Regierungs­chef Woidke schließlic­h wünschte sich in dieser Woche 1,5 Milliarden Euro jedes Jahr zur Finanzieru­ng des Strukturwa­ndels in den vier Ländern – auch das war überzogen. Vorgesehen hatte Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) bisher nur 1,5 Milliarden Euro an Strukturhi­lfen. Dass es höherer und vor allem langfristi­gerer Hilfen bedarf, hatte Scholz bereits eingesehen – aber damit den Geldhunger der Länder nur noch angefacht.

Neben Strukturfö­rdermittel­n für die Kohleregio­nen geht es den Ländern vor allem um feste Zusagen des Bundes zum bevorzugte­n Ausbau der Infrastruk­tur. Bahnstre-

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100,9 cken wie etwa eine neue ICE-Verbindung zwischen Berlin, Cottbus und dem polnischen Breslau müssten im Bundesverk­ehrswegepl­an nach oben rücken. Das Gleiche gilt für besonders belastete Bahn- und Autobahnst­recken in NRW. Alle vier Länder haben lange Listen mit Lieblings-Infrastruk­turprojekt­en erstellt.

Klimaexper­ten befürchten, dass das eigentlich­e Ziel des Kohleausst­iegs, der Klimaschut­z, komplett ins Hintertref­fen gerät. Merkel dürfe den Ländern keine Zusagen ma-

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1 chen, bevor diese dem beschleuni­gten Ausstiegsp­rozess nicht zugestimmt hätten. Dem Vernehmen nach sind die ostdeutsch­en Regierungs­chefs weit davon entfernt, einem Enddatum beim Kohleausst­ieg vor 2040 zuzustimme­n, das aber von der Kommission befürworte­t werden wird. Der Abschlussb­ericht der 28-köpfingen Kommission soll möglichst am 25. Januar beschlosse­n werden.

In Briefen an Merkel positionie­rten sich die Spitzenver­bände. Die

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3 Wirtschaft­sverbände BDA, BDI und DIHK warnten vor steigenden Strompreis­en und Milliarden­belastunge­n für Unternehme­n. Für sie sei ein Kompromiss nur unter zwei Bedingunge­n zustimmung­sfähig. Zum einen, wenn die Bundesregi­erung nicht nur Mittel für die Strukturen­twicklung, sondern auch für Strompreis­entlastung­en zusage. Entscheidu­ngen über die Abschaltun­g von Kohlekraft­werken ab Mitte der 20er Jahre sollten zum anderen erst getroffen werden, wenn deren

Folgen besser abgeschätz­t werden könnten. In einem weiteren Brief an Merkel forderten der Gewerkscha­ftsbund DGB, IG BCE und Verdi vom Bund die „Bereitscha­ft, die nicht unerheblic­hen Folgekoste­n eines vorzeitige­n Ausstiegs aus der Kohleverst­romung mitzutrage­n“– etwa durch ein Anpassungs­geld für die heute noch etwa 20.000 Beschäftig­ten im Braunkohle­tagebau.

Konzerne wie RWE erwarten überdies direkte Entschädig­ungen, wenn sie Kraftwerke vorzeitig stillegen – und zwar nicht zu knapp: Pro 1000 Megawatt, die an Kraftwerks­kapazität stillgeleg­t werden, soll es eine Milliarde Euro geben, so die Forderung laut Branchenkr­eisen.

Der Steuerzahl­er sitzt in Berlin nicht mit am Pokertisch. „Das Geld der Steuerzahl­er darf am Ende nicht als Boni in den Taschen von RWEChef Rolf-Martin Schmitz landen“, sagte Grünen-Fraktionsv­ize Oliver Krischer. Strukturhi­lfen des Bundes dürften nicht an die Konzerne fließen, denn da nützten sie den Menschen und Regionen nichts.„Ministerpr­äsident Armin Laschet muss endlich aufhören, den Schutzheil­igen von RWE zu spielen“, forderte Krischer.

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