Körpergefäße mit Flügeln
Die Österreicherin Ulrike Müller hat den Kunstverein am Grabbeplatz zu einem Container der Malerlust verwandelt.
Die Malerei ist in den Kunstverein eingezogen. Teufelchen und Vasenwesen lauern auf Monotypien als launige Motive. Coole High Heels sind in Teppichen verknüpft, und fragile Blumen wurden mit matissescher Leichtigkeit zu Papier gebracht. Malerei im besten und in-
Es geht hier um das Beherrschen des Vagen, des Unausgesprochenen
novativsten Sinne zugleich. Das ist eine große Überraschung in dem experimentellen Ort am Grabbeplatz, den Eva Birkenstock seit zwei Jahren leitet und munter bespielt. Mit Ulrike Müller als Künstlerin will Birkenstock vielfach an Düsseldorf und seine großen Maler anknüpfen, die Düsseldorfs Stärke waren und sind, an die Erweiterung des Malereibegriffs, die hier stattgefunden hat. Gleichzeitig soll auch ein Quäntchen Internationalität den Ort durchwehen.
Dafür steht die Österreicherin mit dem banalsten aller deutschen Namen, die in den USA ihre Heimat, ihre künstlerischen Verbündeten und ihr Publikum gefunden hat. Seit über einem Jahrzehnt mobilisiert die Wahl-New-Yorkerin eine Vielzahl an strategischen Vorgehensweisen, um das emanzipatorische Potenzial modernistischer Abstraktion zu befragen. Ihr Malereibegriff bewegt sich freudvoll jenseits von Pinsel und Leinwand, Formate und Materialien aus dem Repertoire der Kunstgeschichte werden neu formuliert und weisen doch lebensweltliche und kunsthandwerkliche Bezüge auf.
So hat sie das Motiv der Stöckelschuhe abgeguckt im Schaufenster eines NewYorker Schusters. Und sie mag diese großen Teppichbilder besonders, mit vier Farb-Segmenten, mit Überlappungen, die durch die Überhöhung Müllers feministischem Anspruch gerecht werden. Zapotekische Weber in Mexiko haben die „Rugs“aus regionalen Naturfasern hergestellt.
Anlass war dasselbe Schuster-Motiv auch für Emaillearbeiten, die Müller seit 2010 herstellt und die ihre Spezialitäten, ihre Signature Pieces sind. Aus einer Schublade zog sie beim Besuch von Kuratorin Eva Birkenstock das kleine schwarz-weiße Emaillebild, das sie offenbar im Atelier im eigenen Ofen gebrannt hatte. Nach Düsseldorf hat sie dann ganze Serien mitgebracht, kleine Formate mit großer farbglänzender Wirkung. Man kann sie nur abstrakt betrachten, man kann die geometrisch betonte Zeichenhaftigkeit aber auch deuten. Sich selbst dabei einem Rorschach-Test im weitesten Sinne unterziehen, einem psychodiagnostischen Verfahren, und dabei erleben, wohin die Fantasie einen trägt.
Zwei Striche in konvex gebogener Form, schon wird ein Busen draus, ein Herz oder ein Popo. Ein Phallus findet sich anderswo, Körpergefäße und Körperöffnungen, Menschliches, Tierisches. Die Titel der Arbeiten verleihen ihnen eine poetische Dimension. „Flutterby,“„Popij“oder „Diavolaki“reihen sich ein in die Vielzahl der fantasiebeflügelten Formen. „Kinderwunsch“heißt das Bild, auf dem eine Form dominiert, die eine Niere sein könnte, ein Nierentisch oder ein Embryo-Umriss. Einmal solche Begriffe ausgesprochen, erscheint es schon zuviel.
Die Kunst von Ulrike Müller ist auch das Beherrschen des Va- gen, des Unausgesprochenen, das manchmal doppeldeutig sein darf. Zurückgenommen sind diese kostbaren Bilder, manchmal in der farblichen Reduktion und Anmutung der Bauhäusler.
Mite dem Titel „Container“hat Müller die Ausstellung wie auch einzelne Bilder überschrieben, die Bilder und der Raum sollen demnach zu einem einzigen Behältnis verschmelzen und zusammenhalten. Container, das ist auch ein Behältnis von Körper und Seele, Substanz und Sentimentalität. Die Farben der Wände bieten für den Gehalt und den Klang der Kontinuität die beste Bühne.