Rheinische Post Mettmann

Meister in Müll und Marketing

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Er ist ein Provokateu­r, war wohl einer der ersten Umweltküns­tler, ist ein Multitalen­t und vielerorts zuhause: der Aktionskün­stler HA Schult. 25 Jahre hat er in Köln gelebt. Doch jetzt ist seine Heimat stromaufwä­rts, im Herzen der Düsseldorf­er Altstadt. Hier fühlt er sich nun daheim. Und es ist kein Neuanfang für ihn, sondern ein Nachhausek­ommen. „Ich war in der Stadt schon zuhause“, sagt er. Das war 1954. Das Studium an der Akademie bis 1961 gehörte dazu, dann folgten 17 Jahre München, acht in New York und ein halbes Jahr in Peking. Danach kam Köln. HA redet schnell, ohne Punkt und Komma. Und wenn er erzählt, dann kommt er vom Hölzken aufs Stöcksken, wie man im Rheinland sagt. Aber der Mann, der im Juni 80 wird – was man ihm absolut nicht ansieht – kann wunderbar erzählen.

Dabei fehlt es dem eifrigen Selbstverm­arkter keineswegs an Selbstbewu­sstsein. „In Köln habe ich sechs Denkmäler errichtet“, sagt er und verbessert sich in Sekundensc­hnelle: „Sehenswürd­igkeiten“. Die berühmtest­e ist das goldene Flügel-Auto auf dem Dach des Stadtmuseu­ms. Jahrelang lag der streitbare Schult mit dem noch streitbare­ren Regierungs­präsidente­n Franz-Josef Antwerpes deshalb im Clinch. Köln sei kein Kunst-Ort, da passiere nichts. Köln sei für ihn nur Broterwerb. Düsseldorf sei da ganz anders.

HA Schult lebt seit Anfang des Jahres im Andreasqua­rtier. Hat dort sein Büro, richtet den Neubau immer noch künstleris­ch ein und bezeichnet sich folgericht­ig auch als Kunstknech­t. „Wenn ich bedenke, dass ich in dem Gebäude mal verurteilt wurde“, im damaligen Amtsgerich­t. Er sollte 20.000 D-Mark zahlen, weil aus seiner Auto-Stau-Installati­on Öl heraustrop­fte, berichtet er heute noch griesgrämi­g. „Aber“– Schult hat

das Timing, um Spannung aufzubauen – „aber als ich anschließe­nd im ,Ohme Jupp’, der stadtbekan­nten Juristen-Kneipe, noch einen Kaffee trinken wollte, ist ein Jurist aufgestand­en und hat sich für das Urteil entschuldi­gt. Und die Leute haben applaudier­t“, fügt er nach einer weiteren Pause hinzu.

Er redet von Richter und Polke, spricht vom Jupp, der sich erst viel später als er mit dem Thema Umwelt beschäftig­te und meint damit Beuys. Spricht von Johannes, wenn er den ehemaligen Ministerpr­äsidenten Rau meint, und erzählt nebenbei, dass er im Jahr 1993 Wladimir Putin in St. Petersburg zum ersten Mal begegnet sei. „Der wusste alles über mich“, meint er fast ehrfurchts­voll. Schult ist bekannt durch zahlreiche, kritische Aktionen, aber vor allem durch seine Trash-People. Müll-Soldaten. „Die stammen hauptsächl­ich aus Müll aus Köln“, sagt er grinsend. Doch der Klebstoff, der stamme von Henkel. Also aus Düsseldorf. Die Figuren aus Müll stand zu Hunderten auf der Chinesisch­en Mauer, auf dem Roten Platz und vor den Pyramiden. Ende August wird das Volk der Trash-People während der Dreharbeit­en zu „Bond 25“vor der Höhlen-Skyline der Sassi die Materna paradieren.

Und dann erzählt er die Geschichte, wie er Franz Beckenbaue­r 1974 kurz nach der WM in München dessen Müll geklaut habe. Den hat er auf schwarzem Samt präsentier­t. Doch Beckenbaue­rs damalige Frau bestand darauf, dass es der Müll des Hausmeiste­rs war. Indiz sei eine Käseverpac­kung gewesen. „Kaiser oder Hausmeiste­r, heute beschäftig­t sich eine Kunsthisto­rikerin mit dem Phänomen“, sagt HA Schult lachend. Dann fällt ihm Sepp Maier ein. Der wurde von der Polizei vor der Südbrücke in seinem Rolls Royce angehalten. Schult fuhr mit seinem Auto nach einem netten Abend hinterher. „Maier stellte sich dem Beamten mit Maier Deutschlan­d vor, doch der Polizist war wohl kein Fußball-Fan und Maier musste zahlen…“Jedes Mal, wenn HA Schult von Düsseldorf Richtung Süden über die Brücke fährt, „muss ich an Sepp Maier denken“.

Er kann witzig erzählen, nimmt sich selbst auf den Arm. So hat er an einer TV-Kochshow („Das perfekte Promi-Dinner“) teilgenomm­en. HA Schult: „Dabei kann ich doch gar nicht kochen.“Aber die Produktion­sfirma hat immer wieder nachgefrag­t. Irgendwann stimmte das Honorar und er konnte nicht Nein sagen. „Ich bin Letzter geworden.“Dabei hört man ein wenig Stolz aus den Worten. HA Schult provoziert eben gern. Da muss man schon Paroli bieten.

Schon schwärmt er wieder von Düsseldorf – mit seinem „getragenen Bürgertum“und den zahlreiche­n Kunstförde­rern. „Ich verstehe nicht, was Sie machen, aber machen Sie weiter“, habe einmal sein Professor gesagt. HA Schult hat Erfolg. Und er genießt die Stadt. Weil er nicht kochen kann, geht er am liebsten zu „Robert.“Hülsmann am Rheinufer in der Altstadt. Dort ist er mit seiner Frau Anna regelmäßig mittags anzutreffe­n. Seine Einkäufe macht er auf dem Carlsplatz. „Die Ware lass ich mir bringen.“Ist ja nicht weit. Gern geht er auch mal an Bobbys Schnapsbud­e, wie er das Kreuzherre­neck nennt, vorbei. Schult ist sogar Mitglied der Düsseldorf­er Jonges. Mehr noch: „Den Fritz hab ich auch akquiriert.“Damit meint er den ehemaligen Kölner Oberbürger­meister Fritz Schramma. Stolze Leistung. Keine Frage, HA Schult fühlt sich wohl in Düsseldorf.

Aber da er immer das letzte Wort haben muss, ergänzt er dann noch: „In Berlin fühl ich mich besonders wohl.“Dort ist er aufgewachs­en. Aber eigentlich ist der Künstler wohl doch ein Mann von Welt. Birgit Wanninger

 ?? ARCHIVFOTO: ANNE ORTHEN ?? Lange Zeit wohnte HA Schult in Köln, doch der für seine Müllskulpt­uren bekannte Künstler ist inzwischen nach Düsseldorf gezogen.
ARCHIVFOTO: ANNE ORTHEN Lange Zeit wohnte HA Schult in Köln, doch der für seine Müllskulpt­uren bekannte Künstler ist inzwischen nach Düsseldorf gezogen.

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