Rheinische Post Mettmann

Ungekrönte Könige

Lionel Messi gilt vielen als der beste Fußballer der Gegenwart. Doch soviel er mit dem FC Barcelona erreicht, mit dem Nationalte­am fehlt ihm ein großer Titel. Es ist ein Schicksal, das er mit Ausnahmekö­nnern früherer Jahrzehnte teilt.

- VON ROBERT PETERS

DÜSSELDORF Neulich hat Lionel Messi mit der argentinis­chen Nationalma­nnschaft mal wieder ein wichtiges Spiel verloren. Es war das Halbfinale der Südamerika-Meistersch­aft, und Argentinie­n unterlag dort (ausgerechn­et, wie es immer so schön heißt) dem alten Rivalen Brasilien mit 0:2. Messi leistete sich einen Platzverwe­is, und er schimpfte anschließe­nd laut über Korruption. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die naheliegen­de erzählen nach solchen Nationalma­nnschafts-Erlebnisse­n die besonders kritischen Wegbegleit­er des Spielers, von denen es in seiner Heimat besonders viele gibt. Sie sprechen dann regelmäßig von Messi, dem Unvollende­ten. Und ihr Argument für die Einsortier­ung ins Fach unvollende­t ist die Tatsache, dass der Argentinie­r mit der Nationalma­nnschaft noch keinen großen Titel gewonnen hat. Das ist allerdings ein seltsamer Maßstab für Größe. Die hat der kleine Mann mit den ungeheuerl­ichen fußballeri­schen Fähigkeite­n im Ver

Man wird sich zweifellos an Messi erinnern, auch wenn kein Titel mit

der Nationalel­f hinzukomme­n sollte

ein zur Genüge nachgewies­en. Er war schon dreimalWel­tfußballer des Jahres, gewann viermal die Champions League mit dem FC Barcelona und führte Argentinie­n immerhin ins WM-Finale 2014. Man wird sich zweifellos an ihn erinnern, auch wenn kein Titel mit der Nationalel­f hinzukomme­n sollte. Da steht er in einer Reihe mit anderen ungekrönte­n Königen des Fußballs.

Paolo Maldini zum Beispiel. Der spielte ein halbes Jahrhunder­t für den AC Mailand, so fühlt es sich jedenfalls an, erfand das Verteidige­r-Spiel ganz neu, holte fünfmal die Champions-League-Trophäe und war einmal Vizeweltme­ister. Darüber hinaus war er eine große, überall anerkannte Persönlich­keit.

Oder Just Fontaine, der in den 1950er Jahren für Frankreich stürmte. 13 Tore schoss er 1958 bei derWM in Schweden, sein Torschnitt in nur 21 Länderspie­len lag bei dem fantastisc­hen Wert von 1,4 Treffern. Da kommt selbst der große Gerd Müller nicht mit. Fontaine wurde fünfmal französisc­her Meister, mit Frankreich einmal WM-Dritter. Als Torjäger bleibt er unerreicht.

GeorgeWeah hatte es auf der Länderspie­lbühne besonders schwer. Liberia, sein Heimatland, brachte es nie zu einer konkurrenz­fähigen Mannschaft. Und der hochbegabt­e Stürmer Weah konnte es nicht allein richten. Dennoch war es eine große Karriere, besonders beim AC Mailand. Sechs Meistertit­el sammelte Weah ein, einmal wurde er zum Weltfußbal­ler gewählt. Und außerhalb des Fußballs machte er vielleicht noch mehr Eindruck. Seit 1978 ist er Präsident Liberias.

Johan Cruyff nannten sie schon zu seinen aktiven Zeiten voller Ehrfurcht „König Johan“. Diesen Titel verdiente er sich als prägender Spieler der späten 1960er und der 1970er Jahre. Zehn Meistertit­el (acht mit Ajax Amsterdam, je einen mit dem FC Barcelona und Feyenoord Rotterdam), drei Siege im Landesmeis­ter-Cup (dem Vorläufer der Champions League) verbuchte er. Nur den Sieg im WM-Finale 1974 verpasste er – weil er mit seinen holländisc­hen Kollegen die Deutschen mal so richtig vorführen wollte. Der Schuss ging nach hinten los. Aber ein König bleibt der Johan.

Eusebio war das Glanzstück einer tollen Mannschaft von Benfica Lissabon, mit der er elfmal Meister wurde. Die Nationalel­f Portugals führte der torgefährl­iche Mann zum

dritten Platz bei der WM 1966. Und nicht nur, weil er 1965 zu Europas Fußballer des Jahres gewählt wurde, ist er einer der Großen in Europas Fußball-Geschichte.

Dieser Rang ist auch Ferenc Puskas sicher. Er war einer der großen Stars in der besten ungarische­n Mannschaft aller Zeiten, die aus einer bitteren Laune des Sportschic­ksals die Krönung bei der Weltmeiste­rschaft 1954 verpasste, weil die deutsche Mannschaft als krasser Außenseite­r mit Glück und Geschick ihr Wunder von Bern bewerkstel­ligte. Puskas hielt sich als fußballeri­scher Gastarbeit­er bei Real Madrid schadlos. Das berühmte weiße Ballett schoss er zu drei Titeln im Europapoka­l der Landesmeis­ter und sechs spanischen Meistersch­aften.

Raùl war schon lange Weltstar, als er die Bundesliga bei Schalke 04 von 2010 bis 2012 um Kostproben seines unnachahml­ichen Ballgefühl­s und seiner Kunstwerke von Toren bereichert­e. Mit Real Madrid hatte er vorher dreimal die Champions League und sechsmal den nationalen Titel gewonnen. Nur mit der Nationalma­nnschaft war kein Staat zu machen. Raùl kam ein paar Jahre zu früh zur Welt.

Zico nannten sie in Brasilien voller Ehrfurcht den„weißen Pelé“. Er war ein Mittelfeld­spieler aus dem Bilderbuch, begnadet am Ball, strategisc­h begabt, ein Anführer und ein gefährlich­er Torschütze. Er war der Beste seiner Zeit, unterstric­hen durch dieWahl zumWeltfuß­baller 1983. In Brasilien wurde er viermal Meister und gewann einmal die Copa Libertador­es (Südamerika­s Champions League). Mit der Nationalel­f gab es lediglich Platz drei bei der WM 1978. Vier Jahre darauf scheiterte eine der besten brasiliani­schen Mannschaft­en aller Zeiten mit Zico und Socrates früh am zynischen Ergebnisfu­ßball der Italiener. Die wurden später Weltmeiste­r. Schön war es nicht. Das dachten nicht nur Zicos Fans.

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FOTOS: IMAGO IMAGES (3), REUTERS Und schon wieder kein Titel: Lionel Messi reagiert am 2. Juli auf die Halbfinale-Niederlage seiner Argentinie­r gegen Brasilien bei der Copa America.
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„König“ja, Weltmeiste­r mit Holland nein: Johan Cruyff 1974.

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