Das Paradies im Hinterhof
Hinterhöfe sind grüne Lungen, Büro- und Geschäftsadressen und immer öfter auch Ziel neuer Wohnprojekte. Wir stellen ab sofort Düsseldorfer Hinterhöfe auf unseren Stadtteilseiten vor.
Die Stadt ist voller geworden, enger, zuweilen lauter. Wie schön, dass es Ruheinseln gibt. Dazu gehören nicht nur Parks undWälder, sondern auch Hinterhöfe. In Flingern etwa, das mit Grünflächen nicht gerade gesegnet ist, existiert an der Bruchstraße der Awo-Kürtenhof: mit Bäumen, Rasen (gern von Familien mit Kleinkindern genutzt) und einem Spielplatz, eine Oase zwischen Licht- und Dorotheenstraße sowie Grafenberger Allee. Natürlich haben auch hier schon Investoren Interesse angemeldet, aber bislang konnte das Kleinod bewahrt werden.
Auf andereWeise schön ist der Hof von Wilhelm Breuer an der Hohe Straße 19. In der Carlstadt gibt es kaum Bäume, Breuer hat die Immobilie 1984 als Ruine gekauft, in den langen Gang Bögen eingesetzt, an denen Glyzinien und Passionsblumen ranken. Magnolienbäume und Hortensien verschönern den Hof, Efeu dominiert die Rückwand. Ein verwunschener Ort, den Olga Knoebel kulinarisch veredelt. Die Patisseurin stellt Macarons, Eis und Torten her und backt auch den Toast für den mittäglichen Croque Monsieur selbst. Die Kombination aus Geschäft und Café im Hinterhof ist genau das Richtige für sie, über dem Zugang an der Straße hängt der Kinderstern, den Vater Imi Knoebel geschaffen hat.
Wer Hinterhöfe liebt, findet Hunderte in den Jahrhundertwende-Stadtteilen. An der Jahnstraße etwa gibt es gleich mehrere Hinterhöfe mit Cafés und Geschäften. Stefania Lettini vom Feinkostladen Lettinis teilt sich den Hinterhof mit Saskia Vierhuf von Villa Rosa Lotta. Vierhuf gestaltet Kerzen. Bei Lettini sind die Regale gefüllt mit Leckereien aus Italien. Dass es nicht viel Laufkundschaft gibt an der Jahnstraße, stört die beiden Frauen nicht. Die Leute kommen gezielt zum Einkaufen. Und bei Saskia Vierhuf braucht man ohnehin einen Termin, sie gestaltet die Kerzen individuell. Ein paar Häuser weiter liegt im Hinterhof die Schicke Mütze, eine Fahrrad-Werkstatt, in der es auch Kaffee, Kuchen und Salate gibt.
Wenn es um pittoreske Hinterhöfe geht, ist Oberbilk nicht unbedingt der Stadtteil, der einem als Erstes einfällt. Das ist gar nicht mal so schlecht, weil so der wunderschöne Garten und der Hof des Vereins „Niemandsland“ruhig als Geheimtipp gelten darf. Der Verein ist eine Projektwerkstatt „zum Aufbau und zur Förderung einer ökologischen Lebens-, Arbeits-, und Selbstverwaltungsgemeinschaft“, betreibt nach dieser Prämisse an der Heerstraße 19 unter anderem eine Galerie, eine Fahrradwerkstatt und einen Umsonstladen in diversen Gebäuden, zu denen eben jener zauberhafte Innenhof gehört. Das Beste daran: Mittags kann man dort den veganen Mittagstisch genießen, der aus Zutaten aus dem hauseigenen Bioladen zubereitet wird.
Für das Planungsdezernat sind Hinterhöfe ein wichtiger Baustein sowohl zur Schaffung von attraktivem Wohnraum als auch zur Realisierung von modernen Büros oder kleinteiligen, nicht-störenden Gewerbebetrieben. Durch die Wiedernutzung und Optimierung von vorhandenen Flächen schonen sie den Freiraum in innerstädtischen Lagen. Sie bergen ein erhebliches Nachverdichtungspotenzial, vor allem bei bereits „voll versiegelten, mindergenutzten Flächen“, etwa Garagenhöfen. Vorteil: Wenn hier Wohnungen entstehen, können gewachsene Strukturen mitgenutzt werden. Ein Vorteil in der Stadt der kurzen Wege.
Begrünte Innenhöfe mit einem alten Baumbestand sind gleichzeitig aus mikroklimatischen Gründen schützenswert. Zielkonflikte sind bei Neuplanungen also programmiert. Die gibt es auch mit bestehenden Nutzungen. So mussten Gastronomen und das beliebte Theater Flin an der Ackerstraße nach dem Verkauf an einen Wohn-Investor weichen – und auf der Baustelle gab es dann wegen Streitigkeiten monatelangen Stillstand. Auf jeden Fall achten die Stadtplaner darauf, dass die neue Bebauung im Innern nicht höher ist als der Blockrand an der Straße, und begrünte Dächer stehen auf der Wunschliste ganz oben.
Unsere Redakteurin Nicole Kampe findet, dass Hinterhöfe auch geschützt werden müssen.
Kommentar Seite C2