Rheinische Post Mettmann

Das Paradies im Hinterhof

Hinterhöfe sind grüne Lungen, Büro- und Geschäftsa­dressen und immer öfter auch Ziel neuer Wohnprojek­te. Wir stellen ab sofort Düsseldorf­er Hinterhöfe auf unseren Stadtteils­eiten vor.

- VON STEFANI GEILHAUSEN, NICOLE KAMPE UND UWE-JENS RUHNAU

Die Stadt ist voller geworden, enger, zuweilen lauter. Wie schön, dass es Ruheinseln gibt. Dazu gehören nicht nur Parks undWälder, sondern auch Hinterhöfe. In Flingern etwa, das mit Grünfläche­n nicht gerade gesegnet ist, existiert an der Bruchstraß­e der Awo-Kürtenhof: mit Bäumen, Rasen (gern von Familien mit Kleinkinde­rn genutzt) und einem Spielplatz, eine Oase zwischen Licht- und Dorotheens­traße sowie Grafenberg­er Allee. Natürlich haben auch hier schon Investoren Interesse angemeldet, aber bislang konnte das Kleinod bewahrt werden.

Auf andereWeis­e schön ist der Hof von Wilhelm Breuer an der Hohe Straße 19. In der Carlstadt gibt es kaum Bäume, Breuer hat die Immobilie 1984 als Ruine gekauft, in den langen Gang Bögen eingesetzt, an denen Glyzinien und Passionsbl­umen ranken. Magnolienb­äume und Hortensien verschöner­n den Hof, Efeu dominiert die Rückwand. Ein verwunsche­ner Ort, den Olga Knoebel kulinarisc­h veredelt. Die Patisseuri­n stellt Macarons, Eis und Torten her und backt auch den Toast für den mittäglich­en Croque Monsieur selbst. Die Kombinatio­n aus Geschäft und Café im Hinterhof ist genau das Richtige für sie, über dem Zugang an der Straße hängt der Kinderster­n, den Vater Imi Knoebel geschaffen hat.

Wer Hinterhöfe liebt, findet Hunderte in den Jahrhunder­twende-Stadtteile­n. An der Jahnstraße etwa gibt es gleich mehrere Hinterhöfe mit Cafés und Geschäften. Stefania Lettini vom Feinkostla­den Lettinis teilt sich den Hinterhof mit Saskia Vierhuf von Villa Rosa Lotta. Vierhuf gestaltet Kerzen. Bei Lettini sind die Regale gefüllt mit Leckereien aus Italien. Dass es nicht viel Laufkundsc­haft gibt an der Jahnstraße, stört die beiden Frauen nicht. Die Leute kommen gezielt zum Einkaufen. Und bei Saskia Vierhuf braucht man ohnehin einen Termin, sie gestaltet die Kerzen individuel­l. Ein paar Häuser weiter liegt im Hinterhof die Schicke Mütze, eine Fahrrad-Werkstatt, in der es auch Kaffee, Kuchen und Salate gibt.

Wenn es um pittoreske Hinterhöfe geht, ist Oberbilk nicht unbedingt der Stadtteil, der einem als Erstes einfällt. Das ist gar nicht mal so schlecht, weil so der wunderschö­ne Garten und der Hof des Vereins „Niemandsla­nd“ruhig als Geheimtipp gelten darf. Der Verein ist eine Projektwer­kstatt „zum Aufbau und zur Förderung einer ökologisch­en Lebens-, Arbeits-, und Selbstverw­altungsgem­einschaft“, betreibt nach dieser Prämisse an der Heerstraße 19 unter anderem eine Galerie, eine Fahrradwer­kstatt und einen Umsonstlad­en in diversen Gebäuden, zu denen eben jener zauberhaft­e Innenhof gehört. Das Beste daran: Mittags kann man dort den veganen Mittagstis­ch genießen, der aus Zutaten aus dem hauseigene­n Bioladen zubereitet wird.

Für das Planungsde­zernat sind Hinterhöfe ein wichtiger Baustein sowohl zur Schaffung von attraktive­m Wohnraum als auch zur Realisieru­ng von modernen Büros oder kleinteili­gen, nicht-störenden Gewerbebet­rieben. Durch die Wiedernutz­ung und Optimierun­g von vorhandene­n Flächen schonen sie den Freiraum in innerstädt­ischen Lagen. Sie bergen ein erhebliche­s Nachverdic­htungspote­nzial, vor allem bei bereits „voll versiegelt­en, mindergenu­tzten Flächen“, etwa Garagenhöf­en. Vorteil: Wenn hier Wohnungen entstehen, können gewachsene Strukturen mitgenutzt werden. Ein Vorteil in der Stadt der kurzen Wege.

Begrünte Innenhöfe mit einem alten Baumbestan­d sind gleichzeit­ig aus mikroklima­tischen Gründen schützensw­ert. Zielkonfli­kte sind bei Neuplanung­en also programmie­rt. Die gibt es auch mit bestehende­n Nutzungen. So mussten Gastronome­n und das beliebte Theater Flin an der Ackerstraß­e nach dem Verkauf an einen Wohn-Investor weichen – und auf der Baustelle gab es dann wegen Streitigke­iten monatelang­en Stillstand. Auf jeden Fall achten die Stadtplane­r darauf, dass die neue Bebauung im Innern nicht höher ist als der Blockrand an der Straße, und begrünte Dächer stehen auf der Wunschlist­e ganz oben.

Unsere Redakteuri­n Nicole Kampe findet, dass Hinterhöfe auch geschützt werden müssen.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Im begrünten Hinterhof an der Hohe Straße 19 betreibt Olga Knoebel ein Geschäft und Café unter dem Namen „Pure Freude“, wo die Patisseuri­n Macarons, Torten und Eis aus eigener Produktion anbietet.

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