Rheinische Post Mettmann

Wie man im Wald baden kann

Die Forstwisse­nschaftler­in Ana Erika Dittrich möchte Kindern die Sinne für die Natur öffnen.

- VON BEATE WERTHSCHUL­TE

Eine ganz besondere Beziehung zum Wald hatte Ana Erika Dittrich schon immer, verbrachte sie doch einen großen Teil ihres Lebens zwischen den Bäumen in den tropischen Wäldern Brasiliens. Dort ist sie aufgewachs­en, ihre Mutter ist Brasiliane­rin, der Vater Deutscher. Allerdings wollte sie zunächst den Wald nicht zu ihrem Beruf machen. „Mein großes Interesse galt lange der Zahnmedizi­n, was möglicherw­eise daran liegt, dass ich mit einer Lippenspal­te geboren wurde und deshalb viel Zeit bei Zahnärzten verbringen musste“, erzählt Dittrich. Weil aber in Brasilien die Zahl der Studienplä­tze für medizinisc­he Berufe begrenzt ist, suchte sie nach einer Alternativ­e – und studierte Forstwirts­chaft in Curitiba, der grünen Stadt Brasiliens. „Im dritten Studienjah­r bin ich für ein Austauschs­emester nach Freiburg gegangen“, erinnert sie sich. In Deutschlan­d, so die heute 42-Jährige, habe sie den Wald ganz neu entdeckt. „Ich habe gelernt, dass man im Wald spazieren geht, das kannte ich aus Brasilien nicht.“

Und weil das Thema Ökologie für sie immer mehr an Bedeutung gewann, hat Dittrich weiter studiert und in Göttingen ihren Master in Forstwisse­nschaften und Waldökolog­ie erlangt. Schon damals kam sie mit dem Waldbaden in Berührung, auch wenn man dasWort hierzuland­e noch nicht kannte. „Ich habe ein Waldpädago­gikpraktik­um im Nationalpa­rk Eifel gemacht“, erzählt sie. Es sei darum gegangen, so Dittrich, die Sinne der Kinder für die Natur zu öffnen, ihnen auf spielerisc­he Art und Weise den Wald mit seinen Tieren und Pflanzen näherzubri­ngen – und darum geht es beimWaldba­den auch.

Mit ihrem Mann und zwei Kindern lebt sie inzwischen seit rund zehn Jahren in Düsseldorf. Seit die Kinder zur Schule gehen, hat sie wieder Zeit für berufliche Aktivitäte­n. Und weil die Liebe zu Wald und Natur sie weiterhin stets begleitete, war sie schnell begeistert, als sie 2015 erstmals vom Waldbaden hörte. „Die Forschungs­ergebnisse des japanische­n Professors Qing Li – er ist der Präsident der Japanische­n Gesellscha­ft für Waldmedizi­n – haben mich fasziniert“, erzählt Dittrich. In Japan und auch in Südkorea gehört das Waldbaden, japanisch Shinrin Yoku, nämlich längst ganz selbstvers­tändlich zur Gesundheit­svorsorge, denn es stärkt das Immunsyste­m, senkt den Blutdruck und reduziert Stresshorm­one – das ist wissenscha­ftlich erwiesen.

Also absolviert­e Dittrich an der Deutschen Akademie für Waldbaden eine Ausbildung zur Kursleiter­in und zeigt den Teilnehmer­n in

ihren Kursen, wie sie den Wald bewusst und aufmerksam wahrnehmen und dabei entspannen können. „Wir verbringen zwei bis drei Stunden im Wald und ich lade zu verschiede­nen Aktivitäte­n ein, etwa zu einer sogenannte­n Solozeit“, erzählt sie. Jeder Kursteilne­hmer sucht sich einen Baum aus, beobachtet den Stamm, die Baumkrone, die Blätter und genießt, an den Stamm gelehnt oder im Laub liegend, mit allen Sinnen die Zeit. Schon nach einer halben Stunde im Wald bekomme man den Kopf frei, dieses Phänomen, so Dittrich, erlebe sie selbst immer wieder.

Ihre Kurse bietet sie übrigens nicht nur im Düsseldorf­er Stadtwald und in den hiesigen Parks an, sondern auch in ihrer Heimat Brasilien. „Waldbaden ist viel mehr als einen Baum zu umarmen, es gibt uns Lebensqual­ität und Gesundheit“, sagt sie. In Brasilien, so Dittrich, werde das „Banho de Floresta“, das Waldbaden, als Hoffnung für den Erhalt der tropischen Wälder gesehen.

 ?? RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Ana Erika Lemes Dittrich hat seit jeher ein enges Verhältnis zum Wald. Aufgewachs­en ist sie in den tropischen Wäldern Brasiliens.
RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Ana Erika Lemes Dittrich hat seit jeher ein enges Verhältnis zum Wald. Aufgewachs­en ist sie in den tropischen Wäldern Brasiliens.

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