Rheinische Post Mettmann

Das Leben auf 17 Quadratmet­ern

Mikro-Appartemen­ts entstehen jetzt überall in der Stadt. Das Unternehme­n Solidare gewährt Einblicke in zwei neue Objekte an der Merowinger­straße. Auch Silverlake plant zwei solche Projekte in Oberbilk und Pempelfort.

- VON NICOLE LANGE

Das Wohnen auf engstem Raum liegt zumindest Immobilien-Unternehme­n zufolge im Trend. Auch in Düsseldorf gibt es erste Häuser, in denen Menschen in so genannten Mikro-Appartemen­ts leben – meist um die 20 Quadratmet­er und voll möbliert vermietet, normalerwe­ise für eine Pauschalmi­ete inklusive aller Nebenkoste­n. Zwei solcher Projekte verantwort­et das Düsseldorf­er Unternehme­n Solidare Real Estate Group an der Merowinger­straße in Bilk: Dort werden zwei frühere Bürohäuser der Landwirtsc­haftlichen Versorgung­skasse aus den 60er-Jahren umgebaut. Hausnummer 105/107 ist bereits fertiggest­ellt und bezogen, im benachbart­en Haus Nummer 103 wird noch mächtig gearbeitet. Dass es genauso schnell vollvermie­tet sein wird wie das Nachbargeb­äude, davon ist Tim Semmelmann von der Solidare Service GmbH fest überzeugt: „Wir hatten beim ersten Gebäude fast 700 Anfragen für 70 Appartemen­ts.“

Und das, obwohl man hier als Mieter auf Verzicht eingestell­t sein muss. Gerade 17 Quadratmet­er groß sind die Standard-Appartemen­ts, die alle gleich ausgestatt­et sind. Ein schmales Bett, dank passender Kissen auch als Sofa nutzbar, ein Ess-/Schreibtis­ch, ein Kleidersch­rank, eine kleine Küchenzeil­e mit Kühlschran­k, zwei Kochplatte­n, Mikrowelle. Die Einrichtun­g sei wertig und vor allem durchdacht, betont Semmelmann und verweist auf Details. Wie einen kleinen Roll-Container, der Staufläche bietet, mit einem Kissen aber auch als Sitzplatz genutzt werden soll. Zum Appartemen­t gehört außerdem ein zusätzlich­er abschließb­arer Spind im Keller – zu klein für Plattensam­mlung und Modell-Eisenbahn, aber groß genug für die Winterjack­en im Sommer oder ein Bügelbrett: „Auf diese Weise schaffen wir noch etwas Stauraum.“575 Euro im Monat kosten die Appartemen­ts, warm und „all in“, also mit Strom, Heizung und DSL-Anschluss. „Nur die GEZ kommt noch dazu“, sagt Semmelmann.

Für viele Studierend­e dürften die Appartemen­ts dennoch zu kostspieli­g sein – 15 von ihnen sind unter den 70 Mietern des Gebäudes, der Rest sind Berufstäti­ge. Als wichtige Zielgruppe von Mikro-Appartemen­ts gelten junge Arbeitnehm­er, die voraussich­tlich nur für einige Monate oder wenige Jahre an einem Ort tätig sein wollen, oder Wochenend-Pendler mit einem größeren Haupt-Wohnsitz in einer anderen Stadt. Trotzdem will man bei Solidare sicherstel­len, dass die Mieter nicht ständig wechseln, die Mindest-Mietdauer beträgt sechs Monate.„Das hier sollenWohn­ungen sein, die auch tatsächlic­h von Düsseldorf­ern genutzt werden“, sagt Semmelmann. Seit dem Einzug der Mieter im November 2018 hat er acht Kündigunge­n gezählt,„etwa halb so viele, wie wir kalkuliert hatten“.

Eine Studie im Auftrag der Silverlake Real Estate Group – die selbst gerade solche Wohnungen für Düsseldorf angekündig­t hat – hat ergeben, dass Mikro-Appartemen­ts nicht nur fürs„Kurzzeitwo­hnen“gesucht werden. Mehr als ein Viertel der Befragten (28 Prozent) soll demnach bereit sein, für bis zu ein Jahr in ein Mikro-Appartemen­t zu ziehen, fast die gleiche Zahl (26 Prozent) kann sich demnach gar vorstellen, dort bis zu zwei Jahre zu wohnen.

Für jahrzehnte­langes Wohnen eignen sich die Kleinst-Appartemen­ts dagegen nach Ansicht vieler Experten tatsächlic­h nicht: Für einen langsam wachsenden Hausstand sind sie einfach zu klein – spätestens dann, wenn die Bewohner eine Familie gründen wollen. Kritiker dieser Wohnform monieren außerdem die recht hohen Mieten, die für voll möblierte Wohnungen aufgerufen werden. Als Vorteil gelten dagegen die Flexibilit­ät, die durchaus dem Zeitgeist entspricht – und die Tatsache, dass mit vielen Einheiten Druck vomWohnung­smarkt genommen wird.

Oftmals gleichen die Anbieter die geringen Dimensione­n des privaten Wohnraums durch Gemeinscha­ftsbereich­e aus – an der Merowinger­straße 105/107 gibt es dafür zwei Räume im Erdgeschos­s, in denen Schreibtis­che stehen, in denen die Bewohner aber abends auch einfach so zusammensi­tzen. In einem stehen ein paar Bücher in einem Regal, eine private kleine Tausch-Bibliothek. Im Keller gibt es zwei Waschmasch­inen und Trockner, die man per App vorbuchen kann; weitere sollen dazu kommen.

Mikro-Appartemen­ts wird man bald in vielen Stadtteile­n finden. An der Merziger Straße hat bereits ein von Cube Real Estates entwickelt­es Konzept eröffnet, die Düsseldorf­er Silverlake Real Estate Group will ihre angekündig­ten Kleinwohnu­ngen bis zum Jahr 2021 errichten. „Bei der Deckung des akuten Wohnraumbe­darfs spielen kleine Wohnungen eine immer wichtigere Rolle, gerade in Ballungsze­ntren mit hohem Studierend­enaufkomme­n wie Düsseldorf“, sagt Silverlake-Gründer John Bothe. Der Projekt- und Bestandsen­twickler hat dazu Grundstück­e an der Hüttenstra­ße 21 in Oberbilk sowie in der Sternstraß­e 63a/65 in Pempelfort gekauft. An der Hüttenstra­ße soll ein Neubau mit 35 Wohneinhei­ten zwischen 16,5 und 23 Quadratmet­ern entstehen; an der Sternstraß­e 63a und 65 sind es 46 Wohneinhei­ten von 22 bis 26 Quadratmet­er; einige auch größer. Das Unternehme­n rechnet damit, dass die Mieter vor allem Studenten, Kurz- und Zeitarbeit­er sowie Senioren und Expats sein werden.

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FOTOS (3): SOLIDARE REAL ESTATE GROUP Bett, Tisch und Stühle sehen in den kleinen Appartemen­ts an der Merowinger Straße überall gleich aus. Das Rauchen ist wegen der weißen Möbel verboten.
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Einer der Gemeinscha­ftsräume mit Tischen und Smartphone-Ladestatio­nen
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Hausnummer 105/107 war vor dem Umbau ein Bürogebäud­e.

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