Abgasfreie Alternative
Der Brennstoffzellenantrieb ist technisch verlässlich und der benötigte Wasserstoff so schnell getankt wie Sprit. Aus dem Auspuff kommt nur Wasserdampf, kein Schadstoff. Warum nur kommt die Brennstoffzellentechnologie nicht in Gang?
Wenige Zahlen sagen manchmal mehr als vieleWorte. Nach Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamts waren zum Jahresbeginn 47,1 Millionen Autos in Deutschland zugelassen. Davon hatten 83.175 einen Batterie-Antrieb und 372 eine Brennstoffzelle. Rein rechnerisch ist diese Technologie daher völlig unbedeutend, dennoch wird viel über Brennstoffzellen diskutiert als Alternative zum batterieelektrischen Antrieb. Was sind die Stärken der Brennstoffzelle, was ihre Schwächen und weshalb gibt es nur so wenige Autos mit dieser scheinbar so sauberen Technologie?
Neu ist diese Art des Antriebs nicht. Schon 1994 präsentierte Daimler das erste Brennstoffzellenfahrzeug weltweit, einen Prototyp mit der Bezeichnung NECAR. In Kleinserien folgten 2003 die A-Klasse, seit 2007 gibt es Fahrzeuge mit Brennstoffzelle in der etwas größeren B-Klasse. Ende 2018 wurde der erste Serien-Brennstoffzellen-Benz an einen Kunden übergeben. Die sperrige Modellbezeichnung des kompakten SUV ist GLC F-Cells. Kaufen kann man das Auto nicht, nur leasen. Das gilt auch für den Toyota Mirai. Allein der Hyundai Nexo ist das einzige Brennstoffzellenauto, das zum Kauf in Deutschland angeboten wird. Audi und BMW werden bis etwa 2023 eineWasserstoffversuchsflotte auf die Straße bringen. Aktuell ist das Angebot gering.
Autos mit Brennstoffzelle werden von einem Elektromotor angetrieben. Wasserstoff ist der Sprit für die Brennstoffzelle, in der wird der Strom zum Fahren erzeugt. Die Art der Energiegewinnung ist vergleichbar mit der in Batterien: Durch eine chemische Reaktion entsteht Energie. Dieser Vorgang ist schadstofffrei, es wird lediglich etwas Wasserdampf produziert. Als abgasfreier Antrieb ist die Brennstoffzelle für manche daher Heilsbinger für das Klima mit gleich mehreren Vorteilen gegenüber einem batteriebetriebenen Stromer. Die müssen oft stundenlang geladen werden, Brennstoffzellenfahrzeuge haben ihr kleines Stromkraftwerk immer dabei. Und:Wasserstoff lässt sich so schnell tanken wie herkömmlicher Sprit.
In den verfügbaren Brennstoffzellenautos wird bis sechs Kilogramm Wasserstoff in Hochdrucktanks mit 700 bar Druck befüllt. In dieser Form wird der Wasserstoff in speziellen Fahrzeugen zu den Tankstellen angeliefert zur Lagerung. Um drei Tonnen komprimierten Wasserstoff zu transportieren, werden drei bis vier 40-Tonner-Lkw gebraucht. Das liegt daran, dass Wasserstoff zwar extrem leicht, dafür aber ziemlich sperrig ist und deshalb viel Platz braucht. Der logistische Aufwand ist hoch. Etwa 70Wasserstofftankstellen gibt es in Deutschland. ZumVergleich: Aktuell werden laut ADAC rund 14.100 Sprittankstellen in Deutschland betrieben und nach Angaben der Nationalen Plattform Elektromobilität etwa 7500 öffentliche Ladepunkte für Akkus in Autos. Hinzu kommt eine Vielzahl an privaten Ladestationen. Das macht es viel unabhängiger, mit einem Verbrenner oder einem batteriebetriebenen Auto zu fahren. Wenn es mehr Brennstoffautos gäbe, würden allerdings bei Weitem nicht so viele Wasserstofftankstellen gebraucht, wie Stromzapfsäulen, weil Wasserstoff viel schneller getankt wird als Batterien geladen sind. Dennoch: Der Aufbau einer kompletten Infrastruktur für Wasserstofftankstellen ist sehr teuer.
Mit einem Wirkungsgrad von rund 60 Prozent liegt die Brennstoffzelle zwischen der Batterie (90 Prozent) und dem Verbrennungsmotor (etwa 30 Prozent). Der Rest geht verloren, etwa in Form von Wärme. „Es gibt noch keine Studie über die Ökobilanz, in der die drei Antriebsoptionen unter gleichen Rahmenbedingungen gegenübergestellt werden“, sagt Dr. Ludwig Jörissen. Er leitet die Brennstoffzellenforschung am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg in Ulm. „Vom Rohstoff bis zum Neuwagen liegt der Verbrenner gefühlt vorne. Dann folgen Wasserstoff und Batterie.“Im Betrieb drehe sich die Reihenfolge.
Ein Brennstoffzellenauto braucht auf 100 Kilometer etwa 1,2 KilogrammWasserstoff. Der Preis für Wasserstoff ist bundeseinheitlich fiktiv festgesetzt mit 9,50 Euro pro Kilogramm. „Die Herstellungskosten von Wasserstoff sind ein sehr gut gehütetes Geheimnis der Hersteller und er unterscheidet sich stark nach dem Produktions- und Reinigungsverfahren“, sagt Jörissen.
Die Produktion von Wasserstoff ist energieintensiv und liegt bei der Herstellung aus erneuerbaren Energien zwischen 2,20 und 2,64 Euro pro Kilogramm. Die Zahlen stammen vom National Renewable Energy Laboratory, einem Forschungs- und Entwicklungslabor in den USA für erneuerbare Energie und Energieeffizienz. Dazu kommen Logistik- und Tankstellenkosten, so dass mit Kosten von fünf Euro pro Kilogramm Wasserstoff zu rechnen ist. Demgegenüber stehen 4,50 Euro Stromkosten für das Laden der Akkus eines Elektroautos für 100 Kilometer Reichweite. So groß sind die Preisunterschiede also nicht.
Bislang ist der für die Brennstoffzelle verwendete Wasserstoff ein Abfallprodukt aus der chemischen Industrie, er fällt dort im Produktionsprozess an. Wird der Strom dort regenerativ erzeugt, dann ist diese Antriebstechnologie vollständig CO2 neutral. Das gilt auch für batteriebetriebene Elektroautos: Nur wenn die Batterien mit sauberem Strom geladen werden, ist der Betrieb der Fahrzeuge klimaneutral. Das wird oft vergessen.
„Zahlenmäßig ist die Elektromobilität aktuell zwar vernachlässigbar. Ich denke aber, dass sie das Rennen macht“, sagt Jörissen. Für ihn ist die Brennstoffzelle dafür die beste Alternative, „weil wir unser Fahrverhalten nicht umgewöhnen müssen und Wasserstoff der Energiespeicher der Zukunft ist.“
In ihm lässt sich Energie nicht nur für die Mobilität, sondern auch Strom für die gesamte Wirtschaft speichern. Und Strom haben wir künftig im Überfluss, wenn er regenerativ erzeugt wird. So hilft Wasserstoff gleich doppelt: als abgasfreier Antrieb und Energiespeicher.