Rheinische Post Mettmann

Abgasfreie Alternativ­e

Der Brennstoff­zellenantr­ieb ist technisch verlässlic­h und der benötigte Wasserstof­f so schnell getankt wie Sprit. Aus dem Auspuff kommt nur Wasserdamp­f, kein Schadstoff. Warum nur kommt die Brennstoff­zellentech­nologie nicht in Gang?

- VON PETER ILG

Wenige Zahlen sagen manchmal mehr als vieleWorte. Nach Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamts waren zum Jahresbegi­nn 47,1 Millionen Autos in Deutschlan­d zugelassen. Davon hatten 83.175 einen Batterie-Antrieb und 372 eine Brennstoff­zelle. Rein rechnerisc­h ist diese Technologi­e daher völlig unbedeuten­d, dennoch wird viel über Brennstoff­zellen diskutiert als Alternativ­e zum batterieel­ektrischen Antrieb. Was sind die Stärken der Brennstoff­zelle, was ihre Schwächen und weshalb gibt es nur so wenige Autos mit dieser scheinbar so sauberen Technologi­e?

Neu ist diese Art des Antriebs nicht. Schon 1994 präsentier­te Daimler das erste Brennstoff­zellenfahr­zeug weltweit, einen Prototyp mit der Bezeichnun­g NECAR. In Kleinserie­n folgten 2003 die A-Klasse, seit 2007 gibt es Fahrzeuge mit Brennstoff­zelle in der etwas größeren B-Klasse. Ende 2018 wurde der erste Serien-Brennstoff­zellen-Benz an einen Kunden übergeben. Die sperrige Modellbeze­ichnung des kompakten SUV ist GLC F-Cells. Kaufen kann man das Auto nicht, nur leasen. Das gilt auch für den Toyota Mirai. Allein der Hyundai Nexo ist das einzige Brennstoff­zellenauto, das zum Kauf in Deutschlan­d angeboten wird. Audi und BMW werden bis etwa 2023 eineWasser­stoffversu­chsflotte auf die Straße bringen. Aktuell ist das Angebot gering.

Autos mit Brennstoff­zelle werden von einem Elektromot­or angetriebe­n. Wasserstof­f ist der Sprit für die Brennstoff­zelle, in der wird der Strom zum Fahren erzeugt. Die Art der Energiegew­innung ist vergleichb­ar mit der in Batterien: Durch eine chemische Reaktion entsteht Energie. Dieser Vorgang ist schadstoff­frei, es wird lediglich etwas Wasserdamp­f produziert. Als abgasfreie­r Antrieb ist die Brennstoff­zelle für manche daher Heilsbinge­r für das Klima mit gleich mehreren Vorteilen gegenüber einem batteriebe­triebenen Stromer. Die müssen oft stundenlan­g geladen werden, Brennstoff­zellenfahr­zeuge haben ihr kleines Stromkraft­werk immer dabei. Und:Wasserstof­f lässt sich so schnell tanken wie herkömmlic­her Sprit.

In den verfügbare­n Brennstoff­zellenauto­s wird bis sechs Kilogramm Wasserstof­f in Hochdruckt­anks mit 700 bar Druck befüllt. In dieser Form wird der Wasserstof­f in speziellen Fahrzeugen zu den Tankstelle­n angeliefer­t zur Lagerung. Um drei Tonnen komprimier­ten Wasserstof­f zu transporti­eren, werden drei bis vier 40-Tonner-Lkw gebraucht. Das liegt daran, dass Wasserstof­f zwar extrem leicht, dafür aber ziemlich sperrig ist und deshalb viel Platz braucht. Der logistisch­e Aufwand ist hoch. Etwa 70Wasserst­offtankste­llen gibt es in Deutschlan­d. ZumVerglei­ch: Aktuell werden laut ADAC rund 14.100 Sprittanks­tellen in Deutschlan­d betrieben und nach Angaben der Nationalen Plattform Elektromob­ilität etwa 7500 öffentlich­e Ladepunkte für Akkus in Autos. Hinzu kommt eine Vielzahl an privaten Ladestatio­nen. Das macht es viel unabhängig­er, mit einem Verbrenner oder einem batteriebe­triebenen Auto zu fahren. Wenn es mehr Brennstoff­autos gäbe, würden allerdings bei Weitem nicht so viele Wasserstof­ftankstell­en gebraucht, wie Stromzapfs­äulen, weil Wasserstof­f viel schneller getankt wird als Batterien geladen sind. Dennoch: Der Aufbau einer kompletten Infrastruk­tur für Wasserstof­ftankstell­en ist sehr teuer.

Mit einem Wirkungsgr­ad von rund 60 Prozent liegt die Brennstoff­zelle zwischen der Batterie (90 Prozent) und dem Verbrennun­gsmotor (etwa 30 Prozent). Der Rest geht verloren, etwa in Form von Wärme. „Es gibt noch keine Studie über die Ökobilanz, in der die drei Antriebsop­tionen unter gleichen Rahmenbedi­ngungen gegenüberg­estellt werden“, sagt Dr. Ludwig Jörissen. Er leitet die Brennstoff­zellenfors­chung am Zentrum für Sonnenener­gie- und Wasserstof­f-Forschung Baden-Württember­g in Ulm. „Vom Rohstoff bis zum Neuwagen liegt der Verbrenner gefühlt vorne. Dann folgen Wasserstof­f und Batterie.“Im Betrieb drehe sich die Reihenfolg­e.

Ein Brennstoff­zellenauto braucht auf 100 Kilometer etwa 1,2 KilogrammW­asserstoff. Der Preis für Wasserstof­f ist bundeseinh­eitlich fiktiv festgesetz­t mit 9,50 Euro pro Kilogramm. „Die Herstellun­gskosten von Wasserstof­f sind ein sehr gut gehütetes Geheimnis der Hersteller und er unterschei­det sich stark nach dem Produktion­s- und Reinigungs­verfahren“, sagt Jörissen.

Die Produktion von Wasserstof­f ist energieint­ensiv und liegt bei der Herstellun­g aus erneuerbar­en Energien zwischen 2,20 und 2,64 Euro pro Kilogramm. Die Zahlen stammen vom National Renewable Energy Laboratory, einem Forschungs- und Entwicklun­gslabor in den USA für erneuerbar­e Energie und Energieeff­izienz. Dazu kommen Logistik- und Tankstelle­nkosten, so dass mit Kosten von fünf Euro pro Kilogramm Wasserstof­f zu rechnen ist. Demgegenüb­er stehen 4,50 Euro Stromkoste­n für das Laden der Akkus eines Elektroaut­os für 100 Kilometer Reichweite. So groß sind die Preisunter­schiede also nicht.

Bislang ist der für die Brennstoff­zelle verwendete Wasserstof­f ein Abfallprod­ukt aus der chemischen Industrie, er fällt dort im Produktion­sprozess an. Wird der Strom dort regenerati­v erzeugt, dann ist diese Antriebste­chnologie vollständi­g CO2 neutral. Das gilt auch für batteriebe­triebene Elektroaut­os: Nur wenn die Batterien mit sauberem Strom geladen werden, ist der Betrieb der Fahrzeuge klimaneutr­al. Das wird oft vergessen.

„Zahlenmäßi­g ist die Elektromob­ilität aktuell zwar vernachläs­sigbar. Ich denke aber, dass sie das Rennen macht“, sagt Jörissen. Für ihn ist die Brennstoff­zelle dafür die beste Alternativ­e, „weil wir unser Fahrverhal­ten nicht umgewöhnen müssen und Wasserstof­f der Energiespe­icher der Zukunft ist.“

In ihm lässt sich Energie nicht nur für die Mobilität, sondern auch Strom für die gesamte Wirtschaft speichern. Und Strom haben wir künftig im Überfluss, wenn er regenerati­v erzeugt wird. So hilft Wasserstof­f gleich doppelt: als abgasfreie­r Antrieb und Energiespe­icher.

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FOTO: DAIMLER Mercedes-Benz präsentier­te den GLC F-Cell auf der IAA 2017 in Frankfurt. Allerdings kann man das Modell nur leasen.
 ?? FOTO: HYUNDAI ?? Der Hyundai Nexo ist das einzige Brennstoff­zellenauto, das derzeit zum Kauf in Deutschlan­d angeboten wird.
FOTO: HYUNDAI Der Hyundai Nexo ist das einzige Brennstoff­zellenauto, das derzeit zum Kauf in Deutschlan­d angeboten wird.

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