Schwimmmeister gehen baden
In NRW fehlen Hunderte Schwimmmeister. Die dreijährige Ausbildung scheint vielen zu anstrengend zu sein. Erschwerend hinzu kommt in diesem Sommer die Debatte über aggressive Badegäste. Die Landespolitik sucht Lösungen für die Misere.
SOLINGEN „Nicht mitte Pommes annen Beckenrand!“Dominik Blum kennt solche Sprüche. „Die meisten wissen nicht, dass der Beruf des Schwimmmeisters viel mehr ausmacht, als am Beckenrand zu stehen und Anweisungen zu geben“, sagt er. Der 24-Jährige ist Schwimmmeister, genauer gesagt Fachangestellter für Bäderbetriebe. Seit dem 1. Juli beaufsichtigt er die Badegäste im Solinger Freibad Ittertal. Seine Schicht beginnt morgens um 9.30 Uhr mit der Kontrolle der Wasserqualität, um 10 Uhr öffnet das Schwimmbad. Bis 19 Uhr ist der junge Mann dann im Freibad und passt auf, dass anderen nichts passiert. Er habe sein Hobby zum Beruf gemacht. „Der Job macht mir Spaß. Ich wollte das schon als Jugendlicher machen“, sagt er.
Nicht mehr viele junge Menschen teilen Blums Berufswunsch. Nach Angaben des Bundesverbandes der Schwimmmeister fehlen in Deutschland rund 2500 ausgebildete Schwimmmeister, in NRW sollen es Hunderte sein. Gerade im Sommer und zu Saisonbeginn suchen viele Freibäder in der Region regelmäßig nach Schwimmmeistern – und das immer häufiger vergeblich. Deswegen müssen manche Bäder den Betrieb vorübergehend einstellen oder die Öffnungszeiten einschränken – wie etwa das Freibad Ittertal. „Wir haben in diesem Jahr lange nach einem weiteren Schwimmmeister gesucht. Deswegen hatten wir bis zum Juli dienstags immer zu“, sagt Hedi Kochs vom Förderverein Ittertal, dem Betreiber des Bades. Doch dann kam Dominik Blum.„Wir hatten wirklich großes Glück, dass wir ihn bekommen haben. Wir hatten zuvor monatelang trotz zahlreicher Inserate vergeblich gesucht“, sagt Kochs. Der Markt sei leergefegt.
Verschärfend hinzu kommt in diesem Sommer nach einer Reihe von Schlägereien, Übergriffen und Massentumulten die Debatte über zunehmende Aggressivität in den Freibädern. Dadurch werde es sicher nicht leichter werden, in Zukunft Personal zu finden, meint Kochs. In ihrem Bad habe es solche Aggressionen bislang noch nicht gegeben. „Toi, toi, toi, damit es so bleibt“, sagt sie.
Die Hauptursachen für die fehlenden Fachkräfte sind aber andere: Arbeitszeiten und Bezahlung sind für viele nicht attraktiv genug. „Viele junge Menschen sind nicht mehr dazu bereit, an Wochenenden und Feiertagen zu arbeiten“, sagt Kochs. EineBeobachtung,dieauchderBundesverband der Schwimmmeister gemacht hat. Ein weiteres Problem der Branche ist auch, dass häufig nur Saisonkräfte oder Teilzeitarbeiter auf 450-Euro-Basis gesucht werden. Hinzu kommt die enorme Verantwortung, die der Beruf mit sich bringt. Schließlich kann es vorkommen, dass Menschen aus lebensbedrohlichen Situationen gerettet werden müssen. „Wir müssen ständig die Augen und Ohren offen haben und Gefahren möglichst schon erkennen, bevor sie entstehen“, sagt Blum.
Wer wie der 24-Jährige Fachangestellter für Bäderbetriebe werden möchte, muss eine dreijährige Ausbildung machen. Und die scheint es durchaus in sich zu haben. Blums Ausbildungsklasse ist mit 26 Teilnehmern gestartet, am Ende haben nur elf die Prüfung gemacht. Die hohe Abbruchquote führt Blum auf ein falsches Berufsbild zurück, dass viele zu Beginn der Ausbildung haben.
„Viele denken halt, dass man als Bademeister eine ruhige Kugel schieben kann, und dass das leicht verdientes Geld ist“, sagt Blum. „Dann sehen sie plötzlich, dass da viel mehr hinter dem Beruf steckt und man dafür viel lernen muss. Und dann brechen viele halt ab.“So stehen unter anderem Physik und Chemie auf dem Lehrplan, um später Wasserproben entnehmen und analysieren zu können. Zum Warten und Pflegen der Anlagen sind zudem technische Kenntnisse erforderlich.
Die Schwimmmeister-Misere ist nun auch im Düsseldorfer Landtag angekommen. Damit wieder mehr junge Menschen diese Ausbildung machen, müsste sich die Struktur des Berufs ändern, meint Stefan Engtsfeld von der Landtagsfraktion der Grünen.„Wir benötigen zwei Teams in den Freibädern. Eines, das sich ausschließlich um die Aufsicht der Becken, den Schwimmunterricht, Erste Hilfe und den technischen Betriebsablauf kümmert, also die primären Aufgaben eines Schwimmmeisters übernimmt“, sagt Engstfeld. „Und ein zweites Team, das als Ansprechpartner bei Problemen zurVerfügung steht, sich um Streitigkeiten sowie die Ordnung und Sauberkeit des Bades kümmert.“Diese Aufgabenteilung würde den Beruf seiner Meinung nach wieder attraktiver machen.
Die SPD fordert eine breit angelegte Initiative, um für den Beruf zu werben. „Qualifiziertes Personal fehlt nicht nur in der Hochsaison in den Bädern, sondern auch, um die Schulen beim Schwimmunterricht zu unterstützen“, sagt Markus Weske, stellvertretender Vorsitzender des Sportausschusses im Landtag. „Wir brauchen also keine Saisonarbeiter, sondern gut ausgebildete und fest angestellte Fachleute.“
Die AfD will die Arbeitsbedingungen der Schwimmmeister verbessern. „Wir müssen vor allem ran an die Arbeitsbedingungen. Das beinhaltet das Gehalt, die Einsatzpläne, und das meint mittlerweile auch den Schutz vor den Folgen der Migrationspolitik“, sagt der AfD-Fraktionsvorsitzende Markus Wagner.
Dominik Blum fühlt sich wohl im Freibad Ittertal. Aggressive Badegäste habe er dort bislang nicht erlebt, erzählt er. Sollte aber mal sein Eingreifen erforderlich sein, weiß er, was zu tun ist. „Auf leichte Auseinandersetzungen bin ich gut vorbereitet“, sagt er. „Und sollte es heftiger werden, wird sofort die Polizei verständigt.“
„Viele junge Menschen
sind nicht mehr dazu bereit, an Wochenenden und Feiertagen zu arbeiten“
Hedi Kochs Förderverein Ittertal