In der Türkei wachsen Ressentiments gegen Syrer
ISTANBUL (höh) Die Männer der Verwaltung des Istanbuler Bezirks Esenyurt zögerten nicht lange: Mit schwerem Werkzeug entfernten sie arabische Leuchtreklamen von Läden und kratzten arabische Schriftzeichen von Schaufenstern. Auf Hebebühnen fuhren die Arbeiter sogar in schwindelerregende Höhen, um an den oberen Stockwerken arabischeWerbeschilder zu demontieren.
Esenyurts Bezirksbürgermeister Ali Murat Alatepe setzt konsequent eine neue Verordnung des türkischen Innenministeriums um. Danach müssen Ladenschilder zu 75 Prozent auf Türkisch abgefasst sein. Höchstens 25 Prozent der Aufschriften dürfen fremdsprachig sein. DieVorschrift ist eine Konzession an einen Stimmungsumschwung in der Bevölkerung. Als 2011 nach dem Beginn des syrischen Bürgerkriegs die ersten Flüchtlinge über die Grenze kamen, schlug ihnen eine Welle der Hilfsbereitschaft entgegen. Damals glaubte man noch an ein schnelles Ende des Krieges und eine baldige Rückkehr der Geflüchteten in ihre Heimat.
Inzwischen leben nach Angaben der UN 3,6 Millionen Syrer in der Türkei. Hinzu kommen rund 500.000 aus Ländern wie Pakistan, Afghanistan und dem Irak sowie aus Afrika. Damit beherbergt die Türkei mehr Migranten als alle anderen Länder Europas zusammen. Kriegsflüchtlinge genießen als „Gäste“einen Schutzstatus.
Aber immer mehr Türken empfinden die Flüchtlinge als Last – und als Konkurrenten bei der Suche nach Arbeit. Die Türkei geht durch eine Wirtschaftskrise. Die Arbeitslosenquote beträgt 13 Prozent. Die syrischen Migranten machen den Einheimischen vor allem Billigjobs streitig und drücken so die ohnehin niedrigen Löhne noch weiter.
Die Regierung empfing die Flüchtlinge anfangs mit offenen Armen. Staatschef Recep Tayyip Erdogan kündigte damals als Premierminister sogar an, man werde syrischen Flüchtlingen die Einbürgerung erleichtern. Davon ist nicht mehr die Rede. Die wachsenden Ressentiments gegen die syrischen Migranten gelten als eine der Ursachen für die schweren Verluste der AKP bei den Kommunalwahlen im Frühjahr.
Auch wenn die türkische Regierung nun mit großangelegten Razzien nach Migranten ohne Papiere sucht, wollen viele Flüchtlinge nicht nach Syrien zurück – selbst wenn dort Frieden einkehrt. Sie sind in der Türkei sesshaft geworden. Syrer haben bisher mehr als 15.000 Unternehmen in der Türkei gegründet. Aber sie haben es zunehmend schwer. Besonders in Esenyurt. Dort hat der Bürgermeister mehrere syrische Restaurants wegen angeblicher Hygienemängel schließen lassen. Die Restaurants müssen außerdem Luftfilter einbauen – damit der Geruch der Speisen die türkischen Passanten nicht belästige.