Müssen Fußballprofis öffentlich trainieren?
Immer häufiger trainieren die Bundesliga-Vereine unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der BVB investiert Millionen, um sich für Geheimtrainings abzuschotten.Haben Fans ein Recht darauf, ihren Teams beim Training zu zuschauen?
Der schöne Schweizer Kurort Bad Ragaz hat schwarz und gelb geflaggt. Borussia Dortmund ist in diesen Tagen zu Gast. Der Bundesliga-Zweite der vergangenen Saison bereitet sich in der Schweiz im Trainingslager auf die nächste Spielzeit vor. Seine Anhänger tun es auch. Gleich viermal trainiert der BVB in aller Öffentlichkeit, begleitet und bestaunt von Hunderten Fans, die nach der Übungsstunde auch noch mit Autogrammen versorgt werden oder Selfies mit den Dortmunder Spielern machen können. Das ist Öffentlichkeitsarbeit des BVB.
Leider findet diese Form von Zugänglichkeit immer weniger Anhänger. Übrigens auch in Dortmund, wo während der Saison meist ohne lästige Zuschauer trainiert wird. Die Begründung: Es soll ja nicht jeder alles wissen.
Das ist eine fadenscheinige Begründung. Denn in aller Regel werden beim
Training keine großen Geheimnisse ausgebreitet. Kein Scout eines späteren Gegners hat einen Erkenntnisgewinn daraus, wenn er sieht, dass Marco Reus zunächst die Muskulatur des rechten Beines dehnt, dann die des linken. Das Kreisspiel, die taktischen Übungen, die aufs längst überall praktizierte Pressing vorbereiten, die Torabschlüsse – stehen in jedem Lehrbuch. Und wie Borussia Dortmund spielt, hat sich ebenfalls längst herumgesprochen.
Für die wirklich kleinen Geheimnisse, Freistoßvarianten zum Beispiel oder die konkrete Vorbereitung auf einen Spieltag, reicht ein Übungstag pro Woche hinter verschlossenen Türen.
An allen weiteren sollten sich die Bundesligisten daran erinnern, wer ihnen am Samstag das Geld ins Stadion trägt. Volksnähe sollte Trainingsinhalt bleiben, auch wenn das manchen schwerfällt, nach dem Fußballtraining eine zusätzliche Einheit am Spalier der Fans zu absolvieren. Und obwohl es ganz und gar nicht den internationalen Gepflogenheiten entspricht.
Einer der wenigen Standortvorteile der deutschen Bundesliga ist das öffentliche Training. Der hochtechnisierte Wissenschaftsfußball und Fannähe sind kein Gegensatz. Sie vertragen sich ganz gut.
Wer einen Blick ins Grundgesetz wirft, wird dort kein Grundrecht auf öffentliches Training finden. DieWürde des Menschen ist unantastbar, ein jeder hat das Recht auf freie Meinungsäußerung und Berufswahl, nur den uneingeschränkten Zugang zum Training eines Profifußball-Vereins haben die Gründungsväter irgendwie vergessen, in der Verfassung zu verankern. Und nicht (nur) deshalb ist es für einen Bundesligisten völlig legitim und schlichtweg professionell, Trainingseinheiten unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuführen.
Die Fans erwarten zu Recht, dass die Entscheidungsträger ihres Lieblingsvereins alles in ihrer Macht stehende tun, damit der Klub erfolgreich ist. Sie sollen Talente clever scouten, begeisternden Fußball spielen lassen und Top-Unternehmen als zahlungskräftige Werbepartner gewinnen. Nur trainieren las
sen sollen sie bitteschön weiterhin wie ein A-Ligist. Vor aller Augen, transparent, nahbar. Doch das ist amateurhaft, und wer amateurhaft arbeitet, wird in dem Geschäft schneller abgestraft als ihm lieb ist.
Es gibt einen Grund, warum die Chefentwickler der großen Autokonzerne nicht auf dem Wolfsburger Wochenmarkt oder am Ingolstädter Donauufer die neuesten Modelle entwickeln. Aus diesem Grund entwickeln Eiskunstläufer ihre Olympia-Kür auch nicht auf der Eisbahn am Weihnachtsmarkt. Und es ist genau derselbe Grund, warum Fußballvereine dringend Einheiten unter Ausschluss der Öffentlichkeit abhalten sollten. Wie leichtfertig hätte man einen Wettbewerbsvorteil verspielt, wenn der gegnerische Trainer nach der Partie sagen kann: „Weder das mit den drei Stürmern noch die Freistoßvarianten konnten uns ernsthaft überraschen, die hatte ja unser Scout aus dem Abschlusstraining ableiten können.“
Volksnähe und Bodenhaftung gefährdet der Fußball ohne Zweifel, aber nicht dadurch, dass er Fans vom Training ausklammert. Fragen Sie mal bei Borussia Dortmund nach. Die trainieren dauerhaft abgeschottet. Probleme, das eigene Stadion vollzubekommen, sind deswegen nicht überliefert.