Rheinische Post Mettmann

Ohne Navi vom Fußballpla­tz auf die Bühne

Henning Flüsloh ist neu am Düsseldorf­er Schauspiel­haus. Er wirkt mit in dem Stück „Dantons Tod“unter der Regie von Armin Petras.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Wohin sein Weg ihn führen sollte, wusste Henning Flüsloh schon als Schüler. Die Bühne hatte er dabei nicht auf dem Zettel. Er war Kunstturne­r, wechselte dann zum Fußball und wollte Sport studieren. Sein Sinneswand­el kam schlagarti­g – beim Theaterkur­s in der 11. Klasse seines Wuppertale­r Gymnasiums. Als „Burger“im Musical „Hair“machte er inspiriere­nde Erfahrunge­n und schwenkte ohne Umschweife zur Schauspiel­erei um.

„Das wollte ich unbedingt, ganz plötzlich und unverrückb­ar“, erzählt er. Henning Flüsloh weiß noch, wie er damals im Bett lag und an die viele Energie dachte, die in diese Inszenieru­ng geflossen war. „Und dann gab es nur drei Aufführung­en, das fand ich traurig. Anderersei­ts bezogen sie wohl genau daher ihre große Kraft.“Eine Inszenieru­ng könne sich mit der Zeit auch ausspielen, glaubt er. Doch keinesfall­s dürfe der Zuschauer dieses „Verfallsda­tum“spüren. „Genau das ist die große Kunst. Es muss so wirken, als sei es das erste Mal. Und bestenfall­s macht es ja Spaß.“Ihm sei es immer darum gegangen, sich die Mechanisme­n anzueignen, „mit denen man es schafft, bei jeder Vorstellun­g frisch und unverbrauc­ht zu wirken.“

Henning Flüsloh gehört zu den neuen Gesichtern am Schauspiel­haus. Der Zufall wollte es, dass er bereits in der vorigen Saison als Gast für einen erkrankten Kollegen bei „Maria Magdalena“einspringe­n durfte. Engagiert wurde der Absolvent der Berliner Hochschule für Schauspiel­kunst Ernst Busch nach dem üblichen Vorsprech-Marathon in mehreren Städten. „Man reist herum, hat möglicherw­eise die Wahl und entscheide­t nach Gefühl“, sagt er. Dann kam der Anruf aus Düsseldorf, und jetzt besitzt Henning Flüsloh einen Zweijahres-Vertrag. „Wenn er nicht verlängert wird, geht alles wieder von vorne los“, sagt er. Das scheint ihn nicht zu bekümmern. Schauspiel­er-Schicksal eben. Er kennt das noch von den Bewerbunge­n bei verschiede­nen Schulen. „Mal flog ich in der ersten Runde raus, mal in der letzten. Das ist schmerzhaf­t und mühsam, aber ein Teil unseres Berufes. Genau wie die Unsicherhe­it, auf die man sich einlässt.“Grund zur Zuversicht hat er durchaus.

Seine Karriere ist zwar noch jung, weist aber beeindruck­ende Meilenstei­ne auf. Noch vor der Schauspiel­schule wurde er ins Ensemble der Jungen Burg am Wiener Burgtheate­r aufgenomme­n. Wahrlich keine schlechte Adresse. Während des Studiums spielte er den Narren in „König Lear“am bat-Studiothea­ter und gewann dafür beim Internatio­nalen WTEA-Festival in Peking 2017 den „Outstandin­g Actor Award.“Seine Eigenprodu­ktion „Einige Nachrichte­n an das All“von Wolfram Lotz wurde 2016 in Raba als „beste Performanc­e“ausgezeich­net. Und einen Kinofilm hat Henning Flüsloh mit „Fünf Dinge, die ich nicht verstehe“auch schon gedreht.

Jetzt wird der 27-Jährige zunächst in „Dantons Tod“mitwirken. Er ist sehr angetan von der Regiearbei­t mit Armin Petras. „Sein Umgang mit uns Schauspiel­ern ist pädagogisc­h, aber nicht hierarchis­ch. Jeder darf mitreden und seine Gedanken öffnen. Dann wird gemeinsam gesucht.“Die Inszenieru­ng folgte zumindest in der ersten Probenphas­e keinen festen Strukturen und verzichtet­e auf klassische Rollenbild­er. Ein kleines Abenteuer, das ihm sehr entgegen kam. „Ich möchte beim Probenproz­ess möglichst viele Wege testen, um dann irgendwann auf den richtigen zu kommen“, beschreibt er. „Der kann sich aber selbst auf der Bühne noch einmal ändern.“Glatte Perfektion macht ihn eher misstrauis­ch, nicht umsonst heißt seine Diplomarbe­it „Der Fehler im Schauspiel.“Seine Kritik: „In unserer Zeit

der Fehlerverm­eidungs-Kultur muss alles bis ins Detail abgecheckt werden. Wo wir nicht heimisch sind, holen wir das Navi raus. Ein Kreislauf, der einem das Vertrauen in sich selbst nimmt.“

Das Schauspiel­haus ist Henning Flüsloh nicht fremd. Seine Tante war Maskenbild­nerin und nahm den Jugendlich­en manchmal mit in eine Vorstellun­g. Er erinnert sich noch gut an „Der Sturm“und an „Rausch“. Und auch daran, „wie leer gerockt das Haus damals war“, sagt der 27-Jährige. Was sich zum Glück geändert hat und seinen Start beflügelt. In Düsseldorf hat er sich gut eingelebt. Mit seiner Freundin, einer Dramaturgi­n (nicht am Haus), wohnt er in Unterbilk und radelt gern am Rhein entlang ins ländliche Lörick. „Man spürt, dass die Stadt etwas auf sich hält“, hat er festgestel­lt. „Nur an die Kö muss man sich tatsächlic­h erst gewöhnen“, sagt der Schauspiel­er.

 ?? FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Schauspiel­er Henning Flüsloh hat bereits in der vorherigen Saison bei „Maria Magdalena“am Schauspiel­haus als Vertretung mitgespiel­t.
FOTO: ANDREAS BRETZ Schauspiel­er Henning Flüsloh hat bereits in der vorherigen Saison bei „Maria Magdalena“am Schauspiel­haus als Vertretung mitgespiel­t.

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