Der Kö-Bogen grünt im Ammerland
Für das Ingenhoven-Tal werden in der Nähe von Oldenburg gut 30.000 Hainbuchen-Pflanzen bereitgehalten und gepflegt.
Der Kö-Bogen II wird Düsseldorfs grünes Wunder. Da sind sich viele Fachleute sicher – und das muss auch so sein. Dass es in der Landeshauptstadt in dieser Hinsicht eine Erwartungshaltung gibt, darf nicht verwundern. Denn beim Kö-Bogen I mit den Libeskind-Bauten blieb es beim Versprechen, es an der Fassade kräftig wuchern zu lassen. Stararchitekt Daniel Libeskind zauberte „Cuts“(Einschnitte) in die Fassade, auf den Simulationen quoll das Grün am Haus. Aber erst in der Bauphase starteten ernsthafte Überlegungen, wie denn aus den schönen Bildern Wirklichkeit werden könnte. Das Ergebnis ist bekannterweise, na ja, eher bemüht.
Das soll sich nicht wiederholen. Dem nächsten Stararchitekten für die neue Düsseldorfer Innenstadt, Christoph Ingenhoven, ist von Politikern und der Fachverwaltung nachhaltig ans Herz gelegt worden, dass es sehr, sehr schön wäre, wenn beim Großbau im Zentrum der City die optischen Versprechen aus der Planung auch gehalten würden. Daran ist auch der Investor interessiert. „Wenn wir nicht der Überzeugung wären, dass das Konzept umsetzbar ist, hätten wir Abstand genommen“, sagt Jürgen Mentzel, Leiter der Projektentwicklung bei der Centrum-Gruppe. Deswegen startete vor knapp vier Jahren eine Unternehmung, die sich vermutlich einzig den Vorwurf gefallen lassen muss, auf Tests im Weltall verzichtet zu haben.
Ingenhoven hat früh Kontakt aufgenommen zu KarlHeinz Strauch, Professor für Phytotechnologie an der Beuth Hochschule für Technik in Berlin. „Geht das?“, hat der Düsseldorfer Planer den Experten bereits Ende 2015 gefragt. Der antwortete „Ja“, um gleich das „Wenn“nachzuschieben. „Es kommt nicht nur auf die ausgewählten Pflanzen an, sondern auch auf die richtige Infrastruktur, das passende Betriebssystem mit adäquater Ernährung sowie nachhaltige fachmännische Überwachung und Pflege.“
In der Pflanzenkonkurrenz setzte sich die Hainbuchen- gegen die Rotbuchenhecke und eine Eibenart durch. Ihre Blätter wechseln mit den Jahreszeiten die Farbe: von Hell- zu Dunkelgrün, von Rot-Orange zu Braun. Sie wächst dicht in zwei bis drei Reihen fast bis zum Boden, ist nicht giftig und zudem sehr robust. Das zeigte vor allem der Feuertest. Strauch setzte ausgetrockneten Hainbuchen mit Wunderkerzen, Raketen, Bengalos und sogar einem Gasbrenner zu. Die Blätter rollten sich ein, verkokelten und flogen durch die Luft, Stamm und Äste brannten nicht. Das Video überzeugte den Brandschutzsachverständigen, auf eine Sprinkleranlage nur für die Fassade konnte verzichtet werden.
Das Team ist beisammen, das Pflegekonzept für 99 Jahre steht. Für diese Zeit garantiert Centrum der Stadt zwei grüne Fassaden und ein grünes Dach am Geschäfts- und Büro-Center an der Ecke Schadowstraße/Gustaf-Gründgens-Platz – ein Generationenprojekt. Diese Woche traf sich das Kompetenzteam 300 Kilometer von Düsseldorf entfernt nahe Oldenburg im Ammerland. Den Baumschulbetrieb Bruns gibt es dort seit 1876. Die neue Platanenallee auf der Trasse des ehemaligen Tausendfüßlers hat das Unternehmen ebenso bestückt wie den Martin-Luther-Platz.
Bei Bruns wachsen seit drei Jahren die Hainbuchenhecken für Düsseldorf. Knapp 3000 Tröge stehen in Reih und Glied in einer Position, die der späteren Ausrichtung in Düsseldorf entspricht. Jeweils vier Pflanzen stehen in einem Trog, der knapp einen Meter breit ist. Jeder Alu-Kübel hat eine Nummer und erhält einen QR-Code. „Wir wissen schon heute genau, an welcher Stelle in der Fassade welche Pflanze ihren Platz haben wird“, sagt Martin Belz, Prokurist der Wuppertaler Firma Leonhards, die ebenfalls eine Branchengröße ist und seit 1886 am Markt. Die Firma mag komplexe Projekte, hat in Düsseldorf die Zentralen von Victoria/ Ergo sowie der Stadtwerke mit Grün versehen. Dass man im Auswahlverfahren als Sieger vom Feld ging, freut Belz, aber er sagt auch klar, dass er für ein Billigprojekt nicht zu haben gewesen wäre. Der Kö-Bogen II ist ein 600-Millionen-Projekt, bei dem auf Investorenseite und auch beim Grün größtenteils Familienunternehmen stehen, wird allseits betont. Zur „Arge Carpinus“(Hainbuche) gehören zudem die Firma Benning aus Münster, die sich mit Bruns auch um die 20.000 Hecken für das Dach kümmert. Ballenware, mit der die Heckenlänge des Kö-Bogens II auf acht Kilometer anwächst.
Das Grün sei integraler und dauerhafter Bestandteil des Gebäudes, sagt der Professor aus Berlin, das habe auch den Architekten fasziniert. Strauch kann die Funktionsweise des Systems belegen, denn seit mehr als zwei Jahren stehen vier Tröge in seinem Labor in Berlin, das heißt, die Tröge stehen an der frischen Luft, jedoch an der Fassade. Von innen wird gemessen, was ihnen zugeführt wird, Wasser, Dünger, außen wird untersucht, wie sich die Pflanzen entwickeln, was sie aufnehmen, was unten im Trog landet.
Sechs Liter Wasser sollen es in Düsseldorf pro Trog und Tag sein, an Hitzetagen mehr, es wird auch gedüngt. In den Trögen gibt es zudem am Boden eine Platte, unter der sich Wasser sammelt. „Ein Lebensretter“, sagt Strauch mit Blick auf unsere heißeren Sommer. Die Hecken stehen in einem mineralischen Substrat, das nicht zersetzt oder verdichtet wird, und da man ihnen gibt, was sie benötigen, müssen sie kein großes Wurzelwerk ausbilden. Faulnässe und Sauerstoffmangel sind unwahrscheinlich, Krankheiten somit ein eher kleines Risiko. Zur Sicherheit bleiben aber 200 Meter Hecken zusätzlich im Ammerland stehen.
Am Gebäude wird zurzeit das Trägersystem für die Kübel angebracht. Die Pflanzen werden vermutlich im Frühjahr nach Düsseldorf gebracht, 70 Touren mit Sattelschleppern sind dafür nötig. Zwei bis drei Mal im Jahr soll auf 1,30 Meter Höhe geschnitten werden. Ein Drittel der Hecken ist über einen „Catwalk“erreichbar, für den Großteil aber fahren die Arbeiter von Leonhards in Körben, die auf Schienen gleiten und von Hand bewegt werden, am Grün entlang.
Das System ist ebenso mit der Industrie entwickelt worden wie die Traversen für die Platzierung der Körbe an der Fassade, gleich vier werden von Kranen angehoben und eingesetzt. Mehr als zwölf Kilometer Bewässerungsrohre sind verlegt, ein zweites System springt ein, wenn das erste ausfällt. „Wenn auch dieses ausfällt, kommen wir mit 40 bis 50 Mann und gießen von Hand“, sagt Belz. Seine Firma wird sich auch um den Rollrasen kümmern, der auf dem Dreiecksgebäude nebenan verlegt wird, sein Substrat wird durch Schubschwellen gesichert, die ein Ausspülen nach unten verhindern.
Für Strauch ist der Kö-Bogen II „ein stadtökologisches Erlebnisgebäude“. Das flüssige Wasser, mit dem die Pflanze ernährt wird, wandelt sie über ihre Blätter in dampfförmiges Wasser um. Ein energieintensiver Prozess, der einen Segen für das Stadtklima darstellt. Die Bitumenfläche auf Dächern heizt sich im Sommer auf 60 bis 70 Grad auf. Die Temperatur der Blattoberfläche ist aber nur wenig entfernt von der Lufttemperatur, wie Strauch erläutert. Er hat auch genau gezählt: Eine Pflanze hatte 2069 Blätter, 200 wurden genau vermessen. Ein Trog hat 6200 Blätter, macht rund zwölf Quadratmeter Blattfläche. Auf die Gesamtzahl der Hainbuchen am Gebäude umgerechnet, hat diese einen Effekt wie 80 Bäume im Hofgarten.