Auf dem Rad zurück nach Urdenbach
Nach einem halben Jahr in Teneriffa radelte Familie Dichiser von Reutlingen nach Urdenbach. Auf ein Auto verzichtet die Familie bis heute.
Jeden Tag steigen sie im Düsseldorfer Süden aufs Fahrrad. Für Doris (38), Tochter Romy (6) und Vater Thomas (39) ist es das Fortbewegungsmittel in ihrem Alltag. „Wir gehen natürlich auch zu Fuß oder nutzen den Öffentlichen Nahverkehr“, sagen sie. Auf die Anschaffung eines eigenen Wagens verzichteten sie bewusst. Die Entscheidung dazu fiel im vergangenen Jahr nach einer mehrwöchigen Fahrradreise von Süddeutschland nach Urdenbach.
„Wir kamen damals nach einem halben Jahr aus Teneriffa zurück und wollten die Zeit ohne festes Zuhause nutzen“, sagt Doris Dichiser. „Ich hatte den Wunsch nach einer Radtour schon sehr lange, eigentlich wollte ich sogar eine Weltreise machen“, sagt sie. Das Projekt sei dann aber doch zu groß gewesen. Schnell stand fest, dass der Weg zurück in den deutschen Alltag entschleunigt mit dem Rad stattfinden sollte.
Vom Elternhaus in Reutlingen startete die kleine Familie Richtung Rheinland. Mit angestaubten Fahrrädern aus dem Keller der Eltern und einem Anhänger für die Tochter und einem für das Gepäck ging es am 25. Mai 2018 los. „Die Räder haben wir uns quasi ausgeliehen“, sagen sie. Teller, Löffel, Messer und Gabeln, Isomatten, Schlafsäcke und ein Zelt packten sie ein, das Handy diente der Navigation. Freunde besuchen, auf einigen Höfen Station machen, die sich um alte, kranke und misshandelte Tiere kümmern, all das stand auf dem Programm der Tour, die bis zum 1. Juli dauerte. „Die Reise war Abenteuer pur“, sagt Doris Dichiser. Gleich am ersten Tag gerieten sie in ein heftiges Gewitter. „Das war es dann aber, danach war es immer sonnig und warm“, sagt Thomas Dichiser. Tochter Romy erinnert sich an die Übernachtung auf dem Reiterhof von Anja Rudolf in Worms: „Wir durften dort auf Matten über den Ställen schlafen“, sagt sie. Zunächst suchte die Familie in Worms eigentlich nach einem Campingplatz und fragte dann auf dem Reiterhof nach. Am Anfang unterschätzten sie die einzelnen Etappen, nahmen sich noch zu viel vor und kamen manchmal erst in der Dunkelheit bei Freunden an. Mit jedem Tag wurde es besser.
„Wir spürten viel Energie, manche dachten, wir hätten E-Bikes“, sagt Thomas Dichiser lachend. Strom brauchten sie allenfalls für ihr Smartphone zum Navigieren. „Das hat tatsächlich am Anfang die meiste Zeit benötigt, das Telefon wieder zu laden“, sagt er. Die Schönheiten der deutschen Landschaft begeisterten die junge Familie. Auch die Fahrradwege durch die Natur. „Wir wurden überall immer sehr herzlich empfangen und Fremde luden uns sogar ein, bei ihnen im Garten zu zelten“, sagt Doris Dichiser. Auf ihren 17 Stopps machten sie bei zwei Höfen Halt, gingen auf Campingplätze und machten Station bei Freunden. Mittlerweile hat die Familie in Urdenbach, wo sie auch vorher schon einmal wohnte, wieder ein neues Zuhause gefunden. „Auf dem Rückweg sind wir von Zons nach Urdenbach gekommen und haben uns plötzlich wieder so zu Hause gefühlt“, sagt Doris Dichiser. Die erste Zeit verbrachten sie bei Freunden. „Dann haben wir uns eine Wohnung gesucht, einen Job und wieder neu hier angefangen“, sagt Doris Dichiser.
Thomas Dichiser arbeitet als Sozialpädagoge beim SOS-Kinderdorf in Garath. Er betreut im SOS-Jugendtreff Jugendliche im Alter von 14 bis 21 Jahren. „Da kann ich natürlich täglich mit dem Rad hinfahren“, sagt er. Doris betreut Tochter Romy und engagiert sich als Lesepatin. Die Reise mit dem Fahrrad hat für die Familie einiges bewegt. „Diese Art des Reisens war nicht teuer“, sagt Thomas Dichiser. Auf dem Speiseplan stand unterwegs meist reifes, frisches Obst und Gemüse: „Was man unterwegs halt gut so essen kann“, sagen die beiden, die sich rein pflanzlich ernähren. Wenig Ausgaben, ein einfaches Leben und besondere Familienmomente sind das Resümee der Reise mit dem Rad durch Deutschland. „Das schönste war, dass man so richtig eintauchen kann und sich mit der Natur verbunden fühlt. Wir haben unterwegs auch sehr viele Tiere gesehen“, sagt Doris Dichiser. Die langsame Fortbewegung führte dazu, mit Menschen in Kontakt zu kommen. „Die Menschen haben uns einfach angesprochen, viele Leute haben uns angestrahlt und waren an unserer Reise sehr interessiert.“Seit ihrer Fahrradtour ist Romy Tierpatin des Tier- und Gnadenhofes in Illingen: „Von einem Esel“, sagt sie. Auf diese Weise möchte die Familie Projekte unterstützen, die sie unterwegs kennenlernte. Die nächste Reise planen Doris, Thomas und Romy zu Fuß: „Da möchten wir eine längere Wanderung machen, vielleicht ein Stück den Jakobsweg gehen“, sagen sie.