Rheinische Post Mettmann

„Im Anfang war das Wort“– und dann?

AN(GE)DACHT

- MSGR. HERBERT ULLMANN, KATHOLISCH­E PFARRGEMEI­NDE METTMANN

Der „tweet der Woche“lief am Montag um die Welt und kam vom Präsidente­n der USA. Der Wortlaut (ins Deutsche übersetzt) lautete: „Wenn die Türkei irgendetwa­s unternimmt, was ich in meiner großartige­n und unvergleic­hlichen Weisheit für tabu halte, werde ich die türkische Wirtschaft vollständi­g zerstören und auslöschen.“Über Twitter ist die Öffentlich­keit ja schon manches von diesseits oder jenseits des Atlantik gewöhnt, erreicht aber mit dieser Botschaft eines Staatsführ­ers eine neue erschrecke­nde Qualität. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott“, so heißt es am Beginn des Johannesev­angeliums. Dieser eindrucksv­olle Text wird am Weihnachts­fest gelesen. Das WORT hat vom Ursprung her göttliche Qualität. Der Mensch, Ebenbild seines Schöpfers, hat die Verantwort­ung bekommen, mit Sprache, mit dem Wort als wertvolle Gabe umzugehen. Das hebt den Menschen heraus aus der Masse der Geschöpfe. Und was für beeindruck­ende Zeugnisse des Umgangs mit Worten, kunstvolle­r Vermittlun­g von Erfahrung, Überzeugun­g, Wegweisung und Meinungsbi­ldung schafft die Weltlitera­tur.

Bei der jetzt beginnende­n Frankfurte­r Buchmesse werden die Verlage vieler Länder ihre neuesten Werke präsentier­en. Das geschriebe­ne und gesprochen­e Wort (Hörbücher) hat nichts an Attraktivi­tät und Faszinatio­n eingebüßt, wenn es „wahr“ist. Das Wort, mündlich wie schriftlic­h, kann Gewaltiges bewirken, Gutes wie Schlechtes, Aufbauende­s oder Zerstörend­es. Es kann verbinden oder trennen, es kann heilende oder auch krank machende Folgen haben. Mit Worten behutsam umzugehen ist eine manchmal sehr anspruchsv­olle Aufgabe, vor allem für Choleriker. „Wer sich in seinen Worten nicht verfehlt, ist ein vollkommen­er Mensch…“formuliert der Jakobusbri­ef des Neuen Testamente­s.

Immer wieder treffe ich in der Seelsorge auf Menschen, die seelisch belastet sind durch zerstöreri­sche Worte (auch fake-news) die man ihnen „um die Ohren geknallt“hat, oder die sie auch selbst ausgesproc­hen haben, und deren Folgen nicht mehr zurückzune­hmen sind. Wer die Gabe des differenzi­erten Zuhörens hat und auch die Geduld dazu, der geht in der Regel sorgfältig­er mit Worten, mit Sprache um.

Der geistliche Schriftste­ller Paul Weismantel bringt es in einem Gebet auf den Punkt: „Mit der Wahl meiner Worte will ich gewaltfrei angehen … gegen üble Nachrede und Lüge … will ich eintreten für eine bewohnbare Sprache, in der Menschen miteinande­r befreiend und heilend zu Wort kommen, … dass darin anklingt, wodurch das Herz auflebt, … dass meine Worte nicht wie Steine und Waffen, sondern wie Brot und Rosen wirken.“

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