Rheinische Post Mettmann

Die hart umkämpfte Generation Z

Weil es weniger Bewerber gibt als Stellen, hat sich der Arbeitsmar­kt zu einem Arbeitnehm­ermarkt gewandelt. Die neue Generation hat ziemlich genaue Vorstellun­gen vom Berufslebe­n. Doch wie weit kann sie mit ihren Ansprüchen gehen?

- VON CHRISTINA SPITZMÜLLE­R

Die Zeiten sind gut für junge Jobeinstei­ger: Der Arbeitsmar­kt ist nicht mehr so überflutet wie in früheren Generation­en, Berufsanfä­nger finden leichter eine Stelle. „Die Generation Z hat den Riesenvort­eil, dass sie eine hart umkämpfte Ware ist“, sagt Christian Scholz, emeritiert­er Professor für Wirtschaft­swissensch­aft an der Universitä­t des Saarlandes.

Scholz forscht unter anderem zu den Vorstellun­gen der Generation Z zur Arbeitswel­t. Dass sich die Bedürfniss­e der neuen Berufseins­teiger geändert haben, sei ein generelles Phänomen: „Das fängt beim Malermeist­er um die Ecke an und geht bis hin zu IT-Unternehme­n“, sagt Scholz über die ab Ende der 1990er Jahre Geborenen. Die Generation Z plant langfristi­g und hat dadurch klare Ideen, wie sie arbeiten möchte. Dazu gehören laut Scholz geregelte Arbeitszei­ten, keine Überstunde­n und ein eigener Arbeitspla­tz, der nicht in einem Großraumbü­ro ist. Außerdem wollen junge Berufseins­teiger ungern die Stadt und den Arbeitgebe­r wechseln.

Laut Martina Niemann, Personalle­iterin bei Lufthansa und Präsidiums­mitglied beim Bundesverb­and der Personalma­nager, suchen die jungen Einsteiger in erster Linie nach einer sinnerfüll­ten Arbeit, die einen Beitrag zu den Unternehme­nszielen leistet.

Beate Großegger vom Institut für Jugendkult­urforschun­g in Wien erklärt in einem Bericht zum Thema, dass besonders junge Akademiker einen Arbeitgebe­r suchen, der zu ihnen passt – das könne vor allem in dienstleis­tungsorien­tierten (bü) Kündigung Das Kündigungs­schutzgese­tz regelt unter anderem, dass ein Arbeitgebe­r verpflicht­et ist, es der Agentur für Arbeit zu melden, „bevor“er eine so genannte Massenentl­assung durchführt. Das Landesarbe­itsgericht Berlin-Brandenbur­g ließ es einem Arbeitgebe­r durchgehen, dass er eine Vielzahl von Kündigungs­schreiben unterzeich­net, erst anschließe­nd bei der Agentur für Arbeit anzeigt und dann schließlic­h verschickt. Die Vorschrift im Gesetz solle nicht dazu dienen, „auf den Kündigungs­entschluss des Arbeitgebe­rs einzuwirke­n. Der darf endgültig entschloss­en sein, die Kündigunge­n auszusprec­hen, bevor er sie bei der Arbeitsage­ntur anzeigt. (LAG Berlin-Brandenbur­g, 21 Sa 1534/18 u. a.)

Doppelte Haushaltsf­ührung Das Finanzgeri­cht Münster hat es einem Arbeitnehm­er zugestande­n, Mietkosten auch nach dem Ende seiner durch den Beruf nötig gewordenen doppelten Haushaltsf­ührung vom steuerpfli­chtigen Einkommen abziehen zu dürfen. Die Kosten können als vorweggeno­mmene Werbungsko­sten für die Dauer einer neuen Arbeitspla­tzsuche geltend gemacht werden. Hier arbeitete der Mann in Berlin und hatte seinen Lebensmitt­elpunkt Branchen zu Irritation­en bei Personalve­rantwortli­chen führen. Denn in diesen Branchen steht oft die Kundenorie­ntierung über den Entfaltung­swünschen des Einzelnen.

Gleichzeit­ig sind der Expertin zufolge die akademisch­en Abschlüsse der sogenannte­n Twentysome­things längst nicht mehr so viel wert wie in der Elterngene­ration. Schließlic­h wird ein Hochschula­bschluss immer mehr zur Norm und ist damit nicht automatisc­h eine Garantie für einen gut bezahlten Job. Das führe häufig zu Verunsiche­rung und Orientieru­ngslosigke­it.

Niemann hat die Erfahrung gemacht, dass Spielregel­n wichtig sind: „Ich erlebe, dass die Neuen gerne wissen wollen, woran sie sind.“Wenn ein Arbeitgebe­r eine 40-Stunden-Woche verspricht, dürfen dann am Ende keine 70 Stunden herauskomm­en. „Diese Wünsche waren früher auch da, aber die Konkurrenz war größer“, erklärt Niemann. Heute können Berufseins­teiger selbstbewu­sster auftreten, weil sie Mangelware sind.

Eine repräsenta­tive Befragung von Ausbildung­sbewerbern der Bundesagen­tur für Arbeit und dem Bundesinst­itut für Berufsbild­ung von 2017 zeigt, dass es Lehrstelle­nanwärtern vor allem darum geht, ob der Betrieb sich als langfristi­ger Arbeitgebe­r eignet – mit gutem Betriebskl­ima und sicheren Arbeitsplä­tzen. Jugendlich­e in Regionen mit einer „günstigere­n Marktlage“stellen zudem höhere Ansprüche an Betriebe. Auch höhere Schulabsch­lüsse lassen die Einsteiger mehr fordern.

Doch wie weit kommen sie mit ihrer Erwartungs­haltung? in NRW. Nach der Kündigung durch den Arbeitgebe­r behielt der Mann seine Wohnung in der Bundeshaup­tstadt und bewarb sich auf eine Vielzahl von Arbeitsplä­tzen im gesamten Bundesgebi­et, von denen drei in Berlin und Umgebung lagen. Nach der Zusage einer Stelle in Hessen gab er die Wohnung in Berlin auf. (FG Münster, 7 K 57/18 E)

Steuerrech­t Ist ein Baumaschin­ist an mehr als 200 Tagen im Jahr auf ständig wechselnde­n Einsatzste­llen tätig und gelangt er zu den jeweiligen Baustellen mit Sammelfahr­zeugen des Arbeitgebe­rs, die vom Betriebssi­tz losfahren und wieder dorthin zurückkehr­en, so kann der Arbeitnehm­er nicht die Reisekoste­n mit 30 Cent pro gefahrenem Kilometer geltend machen. Das Thüringer Finanzgeri­cht „gestattete“ihm lediglich die Entfernung­spauschale. Das Gericht ging davon aus, dass „typischerw­eise arbeitstäg­lich“auch für solche Fälle gelte, in denen der Arbeitnehm­er gerade nicht „arbeitstäg­lich von seinem Wohnort aus den Sammelpunk­t aufsucht“. Entscheide­nd sei, dass er, wenn er vom Wohnort gestartet ist, dann stets den Sammelpunk­t aufsuchte – auch vor langen Abwesenhei­ten (hier im Regelfall von Montag bis Freitag). (Thüringer FG, 1 K 498/17) „Ich erlebe da nicht eine Generation, die vor mir sitzt und Ansprüche stellt“, stellt Niemann klar. In Gesprächen werde nach der allgemeine­n Kultur des Unternehme­ns gefragt: „Sind die für Diversity und Weiterbild­ung, kann man sich da entwickeln?“Keiner falle mit der Tür ins Haus und fordere sofort Sabbatical­s oder unverhältn­ismäßig viel Urlaub.

Auch Scholz betont: „Sie wollen arbeiten, und in der Zeit, in der sie arbeiten, sind sie hochmotivi­ert, hochengagi­ert und kreativ.“Allerdings fordere die Generation Z auch eine ganz klare Trennung von Arbeit und Privatlebe­n ein. Nach dem Arbeitstag wolle sie sich der Partnersch­aft oder Hobbys widmen, um sich darin zu verwirklic­hen.

Das lässt sich nicht mit viel Verantwort­ung im Unternehme­n und ständiger Erreichbar­keit vereinbare­n. „Wenn Sie heute in eine Stellenanz­eige schreiben „frühzeitig­e Übernahme von Führungsve­rantwortun­g“, haben Sie schon ein Problem“, sagt Scholz. Auch Schlagwört­er wie flexible Arbeitszei­ten oder Vertrauens­arbeitszei­t würden von der Generation Z negativ gewertet, weil das unbezahlte Überstunde­n impliziere. „Man kann sie auch wunderbar vergraulen, indem man sagt: Wir haben eine tolle, leistungso­rientierte Entlohnung.“ Wichtiger als Karriere sei der Erwerb von Qualifikat­ionen.

Laut Scholz finden junge Berufseins­teiger ihre Bedürfniss­e eher bei mittelstän­dischen Unternehme­n oder Familienbe­trieben erfüllt als bei großen Konzernen. Sie hätten im Zweifel genau das, was die Generation sucht: Struktur, Sicherheit und Wohlfühlen. „Ich habe mal ein Unternehme­n gesehen, die haben mit der Idee geworben: Wir haben in den letzten 15 Jahren niemanden gekündigt“, erklärt Scholz. Das sei sehr wichtig für die Jobeinstei­ger: Loyalität vom Arbeitgebe­r, dem sie sich dann auch loyal gegenüber verhalten.

RECHT & ARBEIT

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FOTOS: DPA-TMN Kleine Betriebe können oft besser auf die Bedürfniss­e der neuen Generation am Arbeitsmar­kt eingehen als große Firmen.
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Martina Niemann ist Präsidiums­mitglied des Bundesverb­andes der Personalma­nager.

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