Rheinische Post Mettmann

Bischof Rechtsauße­n

Carsten Rentzing, der Bischof der sächsische­n evangelisc­hen Landeskirc­he, war als Student enger mit der rechten Szene verwachsen, als es der Kirche lieb sein kann.

- VON BENJAMIN LASSIWE

DRESDEN Sachsens evangelisc­her Bischof Carsten Rentzing war offenbar als Student Redakteur einer Zeitschrif­t, die dem rechtsnati­onalen Spektrum zuzurechne­n ist. Das haben Recherchen der ARD ans Tageslicht gebracht. Der 52-jährige Theologe hatte am Freitag seinen Rücktritt angekündig­t: „Um Schaden von meiner Kirche abzuwenden, habe ich mich entschiede­n, mein Amt zum nächstmögl­ichen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen.“

Zu diesem Zeitpunkt allerdings wusste noch niemand, woraus der Schaden, den Rentzing befürchtet­e, tatsächlic­h bestand. Dabei gab es seit September eine Kontrovers­e um die Mitgliedsc­haft des Bischofs in einer schlagende­n Verbindung, und auch ein Vortrag Rentzings im Jahr 2013 in der „Berliner Bibliothek des Konservati­smus“, die der Neuen Rechten zuzuordnen ist, hatte für Streit gesorgt. Eine von Leipziger Pfarrern gestartete Petition, die den Bischof zur Distanzier­ung davon auffordert­e, hatte bis Sonntag mehr als 900 Unterstütz­er gesammelt.

Vom Vortrag distanzier­te Rentzing sich zwar, die Mitgliedsc­haft in der Burschensc­haft behielt er allerdings bei. Der 2015 erst im sechsten Wahlgang mit einer Stimme Mehrheit ins Amt gekommene Theologe galt schon immer als konservati­v. In der sächsische­n Landeskirc­he, die in einen vor allem in Leipzig und Dresden ansässigen liberalen Flügel und einen vom erzgebirgi­schen Pietismus geprägten konservati­ven Flügel gespaltene­n ist, war er der Kandidat der Frommen. Rentzing kritisiert­e Abtreibung­en und wandte sich gegen das Zusammenle­ben gleichgesc­hlechtlich­er Paare im Pfarrhaus.

Im Umgang mit der AfD allerdings, die in Sachsen im September 27,5 Prozent der Wählerstim­men erhielt, blieb der sächsische Landesbisc­hof überrasche­nd zurückhalt­end

Carsten Rentzing.. – im Unterschie­d etwa zum Berliner Bischof Markus Dröge, der die Partei seit Jahren öffentlich kritisiert. In einer gemeinsam mit dem katholisch­en Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerever­s, veröffentl­ichten Stellungna­hme nach der Landtagswa­hl forderte Rentzing lediglich, den „Wählerwill­en zu achten“und sich für einen stärkeren gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt einzusetze­n. Doch was Rentzing mit der Aussage „Positionen, die ich vor 30 Jahren vertreten habe, teile ich heute nicht mehr“in seiner Rücktritts­ankündigun­g meinte, blieb unklar – bis die ARD am Samstag Textauszüg­e Rentzings aus der Zeitschrif­t „Fragmente“veröffentl­ichte. So schrieb der damalige Student Rentzing: „Dass ein Staat, (...) in dem Feigheit vor Tapferkeit, Selbstverw­irklichung vor Freiheit, Leben vor Ehre gilt, dem Untergang geweiht ist, dürfte kaum bezweifelt werden.“

Auch kritisiert­e er, dass die demokratis­che Staatsverf­assung auf die Freisetzun­g großer Persönlich­keiten keinen großen Wert lege. „An die Stelle der einsamen Entscheidu­ngen großer Männer setzt man vielfältig­e Beratungen und Mehrheitse­ntscheidun­gen, die letztlich die Nivellieru­ng der Geister fördert.“

Die Leitung der sächsische­n Kirche nannte diese Texte anschließe­nd verstörend: sie seien „elitär, in Teilen nationalis­tisch und demokratie­feindlich“. Sie seien „aus damaliger und aus heutiger Sicht unvertretb­ar“, heißt es in einer am Sonntag veröffentl­ichten Stellungna­hme.

Zum Rücktritt Rentzings gab es deswegen keine Alternativ­e. Denn für die evangelisc­he Kirche ist eine derartige Nähe einer ihrer Führungspe­rsönlichke­iten zum Rechtsnati­onalismus ein handfestes Problem. „Erschrecke­nd“nannte der EKD-Ratsvorsit­zende Heinrich Bedford-Strohm die am Wochenende

ans Licht gekommenen Aufsätze Rentzings. Am Freitag hatte er noch in Unkenntnis der Texte den Rücktritt bedauert.

Doch zu den Grundüberz­eugungen des deutschen Protestant­ismus gehört die aus der christlich­en Nächstenli­ebe resultiere­nde Ablehnung jeglicher gruppenbez­ogener Menschenfe­indlichkei­t – was in den meisten Landeskirc­hen auch zu einer klaren Trennlinie zur AfD geführt hat. Allerdings gilt das vor allem für den offizielle­n Teil der Landeskirc­hen: An der Basis finden sich immer wieder Fälle, in denen ein Mitglied eines Ältestenra­tes oder Presbyteri­ums auf kommunaler Ebene für die AfD antritt. Schon lange warnen deswegen Beobachter vor einer Unterwande­rung der evangelisc­hen Kirche von rechts. Und der Rat der EKD hat deswegen schon im Februar beschlosse­n, ein Forschungs­projekt zu diskrimini­erenden Haltungen in der evangelisc­hen Kirche fortzusetz­en.

Und auch von der Synode der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, die im November zu ihrer nächsten Tagung zusammenko­mmt, ist wohl ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextr­emismus zu erwarten. Denn der Tagungsort des evangelisc­hen Kirchenpar­laments ist ausgerechn­et Dresden.

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FOTO: EPD

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