Wenn die Eltern ins Heim müssen
Heimplätze kosten Tausende Euro. Reicht das Geld des Pflegebedürftigen nicht, müssen Kinder mit ihrem Einkommen und Vermögen einspringen. Es gibt aber Freibeträge, vor allem für die eigene Altersvorsorge.
DÜSSELDORF Die Menschen werden immer älter, damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie zum Pflegefall werden. Das bedeutet einen tiefen Einschnitt ins Leben und ins Portemonnaie. Vor allem, wenn man ins Heim muss. Ein Platz kann bis zu 5000 Euro im Monat kosten. Wenn das Einkommen des Pflegebedürftigen nicht reicht, springt das Sozialamt ein. Die Behörde versucht aber, sich das das Geld von Angehörigen wiederzuholen.
Was müssen Pflegebedürftige selbst zahlen? „Wer ins Heim muss, muss sein gesamtes Einkommen bis auf ein Taschengeld dafür aufbringen“, sagt Dirk Bachmann, Rechtsanwalt für Familienrecht in Düsseldorf. Als angemessenes Taschengeld gelten etwa 80 Euro im Monat, weil der Lebensbedarf ansonsten ja gedeckt sei. Zudem muss das gesamte Vermögen eingesetzt werden: „Der Pflegebedürftige darf lediglich einen Notgroschen von rund 5000 Euro behalten.“
Wer muss zahlen? Grundsätzlich sind Ehepartner (auch wenn sie getrennt leben) und Verwandte in gerader Linie verpflichtet, für den Angehörigen einzustehen. Das sind Eltern gegenüber ihren Kindern und Kinder gegenüber ihren Eltern. „Geschwister müssen untereinander keinen Unterhalt leisten, auch Nichten und Neffen nicht gegenüber Onkeln und Tanten“, sagt Bachmann.
Wie viel müssen Kinder zahlen? „Eine Unterhaltsverpflichteter kann im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit herangezogen werden“, so der Anwalt. Die ergibt sich aus den Gesamteinkünften – Gehältern, Zinsen, Mieteinnahmen. Dabei billigt der Staat aber Selbstbehalte zu. Der Selbstbehalt eines Kindes, das für Eltern einspringen soll, beträgt derzeit 1800 Euro im Monat. Bei einem Ehepartner sind es weitere 1440 Euro. Hinzu kommt die Hälfte des darüber liegenden Nettolohnes. Zudem können Angehörige eigene Belastungen geltend machen, etwa Schulden für ihr Haus, Unterhaltspflichten gegenüber Kindern und vor allem die eigene Altersvorsorge. Es komme stets auf den Einzelfall an, betont Verena Querling, Referentin für Pflegerecht bei der Verbraucherzentrale NRW. „Keiner muss etwa die Musikschule seines Kindes kündigen, um die Pflege der Eltern zu finanzieren.“
Was passiert mit Vermögen? Grundsätzlich können Sozialämter von Angehörigen auch eine Verwertung ihres Vermögens verlangen. Allerdings gibt es Grenzen. „Die selbst genutzte Immobilie ist in der Regel geschützt, soweit sie nicht als unangemessen luxuriös betrachtet wird“, sagt Querling. „Als angemessen gelten für eine vierköpfige Familie 120 Quadratmeter.“
Was gilt für Geschwister? Hat der Pflegebedürftige mehrere Kinder, werden diese im Verhältnis ihrer Leistungsfähigkeit herangezogen. „Dies führt immer wieder zu Spannungen“, sagt Bachmann. Wer gut verdiene und sparsam sei, könne schnell der Dumme sein. Immerhin: Zahlt ein Kind nicht, obwohl es könnte, müssten die Geschwister seinen Part nicht übernehmen. Können Eltern per Vertrag auf Unterhalt verzichten? Nein. „Solche Vereinbarungen sind gesetzlich ausgeschlossen und nichtig. Denn sie verfolgen erkennbar das Ziel, die Unterhaltsverpflichtung auf die Öffentlichkeit abzuschieben.“
Wann müssen Kinder nicht zahlen? „Haben die Eltern sich erheblicher Verfehlungen gegen das Kind schuldig gemacht, haben sie einen geringeren bis gar keinen Unterhaltsanspruch“, betont Pflegeexpertin Querling. Dazu zählen etwa sexueller Missbrauch des Kindes oder Körperverletzungen.
Was gilt für Schenkungen? Sozialämter können Schenkungen der Eltern an die Kinder aus den vergangenen zehn Jahren zurückverlangen. Dabei sei es unerheblich, ob Bargeld oder Sachwerte verschenkt worden seien. „Kein Amt wird 50 Euro zurückfordern, aber bei 1000 Euro sieht das anders aus“, sagt Bachmann. „Ämter haben das Recht, die Kontoauszüge der Kinder aus den vergangenen zehn Jahren zu sehen. Bei entsprechenden Eingängen haken sie nach.“Die einzige Ausnahme: „Haben Kinder das geschenkte Geld in gutem Glauben ausgegeben, etwa für eine Kreuzfahrt, kann das Amt es nicht zurückverlangen. Den Verkauf eines mit dem Geld gekauften Autos aber sehr wohl“, so Bachmann.
Was gilt für ausländische Pflegekräfte? Bei ambulanten Pflegedienste werden ausländische Kräfte immer wichtiger. Kommen sie aus EU-Staaten, dürfen sie unbeschränkt arbeiten, es gelten aber alle deutschen Spielregeln: Die Pflegekräfte haben Anspruch auf Mindestlohn und dürfen nicht für 24-stündige Dauerbereitschaftsdienste eingesetzt werden, betont Querling. Wer sie im eigenen Heim anstellt, muss für die Sozialversicherung sorgen. Oder man beschäftigt Helfer, die in ihrem Heimatland sozialversichert sind. Unabhängig vom Modell fallen im Schnitt Kosten von rund 2200 Euro im Monat an. „Wer eine Hilfe schwarz beschäftigt, geht ein hohes Risiko ein“, warnt Querling. Immerhin: Kosten können als haushaltsnahe Dienstleistung steuerlich geltend gemacht werden, wenn auch nur bis maximal 4000 Euro im Jahr.
Info Der Pflegewegweiser NRW bietet eine Hotline zum Thema „Ausländische Hilfen“an – montags und mittwochs von 14 bis 16.30 Uhr unter 0211-3809-400.