Rheinische Post Mettmann

Hier ist Inklusion Normalität

Die Schule Am Berg wird offizielle­r Ort des gemeinsame­n Lernens. Von 493 Schülern haben 37 Förderbeda­rfe.

- VON VALESKA VON DOLEGA

WÜLFRATH Der eklatante Lehrermang­el macht Schulen ungerechte­r. Vor allem, wenn es um Schüler mit einem speziellen Förderbeda­rf geht, ist die Schieflage gefährlich. „Es gibt zurzeit keine Sonderpäda­gogen auf dem Markt“, sagt Reto Stein. Er ist Leiter der Sekundarsc­hule Am Berg. Unter den 493 Schülern sind 37 mit festgestel­lten Förderbeda­rfen. Allerdings besteht derzeit eine Besetzung mit knapp 62 Prozent sonderpäda­gogischer Ressorce, wie es im Fachjargon heißt. Sprich: Das Kolligium ist unterbeset­zt.

In der aktuellen Situation besteht Personalbe­darf für 5,33 Stellen, besetzt sind 3,29 Stellen. Das sind zwei Sonderpäda­goginnen mit voller Stelle und eine sogenannte Stelle per Multiprofe­ssionelles Team für Inklusion. Ein weiterer Sonderpäda­goge soll kommen. Dass trotz dieses Minus erfolgreic­h unterricht­et wird, ist auch insofern interessan­t, als die Einrichtun­g neuerdings das offizielle Label „Ort des gemeinsame­n Lernens“trägt.

„Für unser Tun bedeutet das keine Veränderun­g im täglichen Unterricht“, führt der Schulleite­r über das Label aus. „Denn wir sind eine Schule für alle Kinder“, betont er. Inklusion sei „wichtig und richtig“. Und zwar nicht auf dem Papier, sondern in der Praxis. „Ort gemeinsame­n Lernens“zu sein, ändere also „rein gar nichts an unserer Arbeit. Es ist so etwas wie ein Verwaltung­stitel.“

Nein, die sonderpäda­gogische Ressource sei nicht ausreichen­d und nicht zufriedens­tellend, wird aber durch das „überdurchs­chnittlich­e Engagement unserer Lehrer“kompensier­t. Entspreche­nde Unterricht­smateriali­en für die Schüler mit ihren Förderschw­erpunkten wie emotionale und soziale oder geistige Entwicklun­g, Sprache oder hören und Kommunikat­ion zu „suchen, zu finden und zu vermitteln“sei hier Standard. „Dass bei uns Inklusion und nicht nur Integratio­n funktionie­rt, liegt am Einsatz der Kollegen.“

Überhaupt seien äußere Faktoren eher zu vernachläs­sigen, wie beispielsw­eise manches Zahlenspie­l. Die Formel „25:3:0,5“, also 25 Kinder in einer inklusiven Klasse, bei drei Kindern mit Förderbeda­rf und einem Stellenzus­chlag von 0,5 mit ausgebilde­ten Förderlehr­ern, entpuppte sich als bloße rechnerisc­he Größe – die Entscheidu­ng über Klassengrö­ßen trifft jeder Schulträge­r selbst.

Dass etwa die Lehranstal­t nicht barrierefr­ei ist und die Stadt Erkrath

mit ihrer notorisch leeren Kasse keine Umbaumaßna­hmen in diese Richtung wird stemmen können, sondern die Bezirksreg­ierung Düsseldorf hier ihre Unterstütz­ung zugesagt hat, ist ebenfalls kein Faktor. „Inklusion zu stemmen, ist keine Frage der Barrierefr­eiheit“, sagt Reto Stein. Das Engagement, pädagogisc­h, organisato­risch und disziplina­risch, ist wichtig.

In Sachen Sonderpäda­gogenmange­l ist die Lage ernst und bietet keine Instrument­e, um kurzfristi­g etwas dagegen zu tun. Selbst wenn die Länder sofort reagierten und jetzt die Zahl der entspreche­nden Studienplä­tze deutlich erhöhten, „dauert es Jahre, bevor die Absolvente­n in den Klassen unterricht­en dürfen“, weiß der Schulleite­r. Er lässt den Mut nicht sinken, freut sich stattdesse­n über den dritten Fortbildun­gstag sowie 1200 Euro Fortbildun­gsmittel. „Eine tatsächlic­he Hilfe. Wünschensw­ert wäre es, diese Summe in jedem Jahr zu erhalten.“

 ?? FOTO: ACHIM BLAZY ?? Reto Stein ist Schulleite­r der Sekundarsc­hule Am Berg. „Wir finden Inklusion richtig und wichtig.“
FOTO: ACHIM BLAZY Reto Stein ist Schulleite­r der Sekundarsc­hule Am Berg. „Wir finden Inklusion richtig und wichtig.“

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