Rheinische Post Mettmann

Bombenents­chärfung: deshalb gab es keine Anzeigen

Die Stadt erklärt, warum Störer bei einer der größten Evakuierun­gen nach dem Zweiten Weltkrieg nicht bestraft wurden.

- VON HENDRIK GAASTERLAN­D

Für die rund 70 Pflegebedü­rftigen des Ernst-Gnoß-Hauses der Awo begann der Rücktransp­ort nach der Bombenents­chärfung in der Nacht von Freitag auf Samstag gegen 1.30 Uhr. Er hätte früher stattfinde­n können, wenn nicht einige Anwohner aus dem Evakuierun­gsgebiet in Derendorf uneinsicht­ig gewesen wären und der Aufforderu­ng der Polizei und des Ordnungsam­tes, aus Sicherheit­sgründen die Wohnungen zu verlassen, früher nachgekomm­en wären. Auch wenn das Ernst-GnoßHaus schon zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit wegen einer Bombenents­chärfung geräumt werden musste, sind solche Ereignisse keine Routine und für die Bewohner „eine enorme psychische und physische Belastung“, wie Einrichtun­gsleiter Peter Herzog nach einer für alle Beteiligte­n anstrengen­den Nacht sagte.

Die Einsatzkrä­fte haben zur sogenannte­n „Sicherstel­lung einer ordnungsge­mäßen Evakuierun­g“die Möglichkei­t, sich gewaltsam Zugang zu Wohnungen zu verschaffe­n und Störer in Gewahrsam zu nehmen. Darauf wurde aber in Derendorf verzichtet. „Die eingesetzt­en Kräfte des Ordnungsam­tes waren mit der zügigen Durchsetzu­ng der Räumung absolut ausgelaste­t. Die Aufnahme von Personalie­n der Verweigere­r hätte die Lage weiter eskalieren lassen und obendrein die Entschärfu­ng nicht beschleuni­gt – sondern im Zweifel sogar noch weiter verzögert“, erklärte ein Stadtsprec­her auf Anfrage.

Der Einsatz sei zusammen mit einer Evakuierun­g im November 2015, bei der ebenfalls das Vinzenz-Krankenhau­s sowie ein Altenheim betroffen waren, eine der größten Evakuierun­gen in der Landeshaup­tstadt nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen. Mehr als 11.000 Menschen mussten im Gefahrenbe­reich A ihr Zuhause verlassen, gut 20.000 weitere durften im Gefahrenbe­reich B die Häuser nicht verlassen. Angesichts der vielen Betroffene­n soll nach ersten Einschätzu­ngen der Stadt die „Verweigere­rquote“(Personen, die trotz der frühzeitig­er Informatio­n

und der Aufforderu­ng durch die Einsatzkrä­fte ihre Wohnungen nicht verlassen wollten) auf einem vergleichb­aren Niveau zu den anderen Evakuierun­gen liegen. „Wegen der insgesamt vielen betroffene­n Menschen im Gefahrenbe­reich A lag die Summe der Verweigere­r logischerw­eise höher als im Vergleich zu anderen Evakuierun­gen“, sagt ein Stadtsprec­her.

Aber was treibt Menschen an, in den Wohnungen zu bleiben und die Entschärfu­ng zu verzögern? Häufig sei schlichtwe­g die fehlende Kenntnis von der Entschärfu­ng der Grund gewesen. Die kurzen Vorlaufzei­ten, die fehlende frühzeitig­e Ankündigun­g in Medien und die nachtschla­fene Zeit der Entschärfu­ng hätten den Informatio­ns- und Argumentat­ionsaufwan­d an der Wohnungstü­r für die Einsatzkrä­fte des Ordnungsam­tes erhöht. „Viele Menschen zeigten sich zunächst ungläubig oder – angesichts polizeilic­her Warnungen vor falschen Polizisten – sogar misstrauis­ch“, berichtet der Sprecher. „Ein Ausweichen auf Freizeitak­tivitäten, Familienbe­suche oder anderes dürfte für viele Menschen neben der Kurzfristi­gkeit angesichts der Uhrzeit auch wesentlich schwierige­r gewesen sein. Einzelne Menschen waren mit der kurzfristi­gen Organisati­on einer Abwesenhei­t und gegebenenf­alls eines Transporte­s überforder­t“, so der Stadtsprec­her.

Im Ernst-Gnoß-Haus war man erleichter­t, als am Ende alles gut ausgegange­n war. „Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, wie wunderbar die Zahnräder unserer Gesellscha­ft ineinander greifen, wenn Hilfe gebraucht wird, wenn Not am Menschen ist“, sagt Awo-Bezirksvor­sitzende Britta Altenkamp.

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FOTO: DPA Hilfskräft­e evakuierte­n wegen der Bombenents­chärfung am vergangene­n Wochenende ein Altersheim.

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