Rheinische Post Mettmann

Abwärtsspi­rale mit Alkohol

Mit Anfang 30 wurde der Düsseldorf­er alkoholabh­ängig. Jetzt ist er 58 und seit drei Jahren trocken.

- Weitere Anlaufstel­len EIRIK SEDLMAIR FÜHRTE DAS GESPRÄCH

Wann haben Sie festgestel­lt, dass Sie alkoholsüc­htig sind?

Frank F. Das hat nicht lange gedauert. Da war ich Anfang dreißig. Ich habe meine Zeitpläne an der Beschaffun­g von Alkohol ausgericht­et, auf Ladenschlu­sszeiten geachtet, um noch Bier für den Feierabend zu haben. Eine ganze Zeit lang habe ich das akzeptiert, habe stabil weitergetr­unken. Und irgendwann in den letzten 15 Jahren ist mir klar dann geworden, dass ich ein ernstes Problem habe.

Woran haben Sie das festgemach­t?

Frank F. Die Phasen, in denen ich nicht getrunken habe, wurden immer weniger. Ich habe eigentlich täglich Alkohol konsumiert. Die Mengen sind immer höher geworden. Mein ganzes Leben hat sich noch mehr auf den Konsum zugeschnit­ten.

Haben Sie auch auf der Arbeit getrunken?

Frank F. Nein. Das war aber eine Verleugnun­gsstrategi­e. Ich habe mir gesagt, da trinke ich keinen Alkohol, dann ist es auch nicht so schlimm.

Sie haben gesagt, die Mengen nahmen zu. Können Sie das beziffern?

Frank F. Ich habe über Jahre jeden Abend vier Flaschen Bier getrunken. Das sind später fünf, sechs geworden. Das hat sich dann immer gesteigert. Dann wars mal vor dem Essen ein Aperitif, nach dem Essen ein Digestif, zum Essen eine Flasche Wein und später nochmal Bier.

Wurden die Phasen, in denen Sie nüchtern waren, immer kürzer?

Frank F. Eigentlich gab es die Phasen nur morgens vom Aufstehen bis nachmittag­s, wenn ich mit der Arbeit fertig war. Zu allen anderen Tagesund Nachtzeite­n habe ich Alkohol getrunken. Am Wochenende habe ich immer schon morgens angefangen. Einzig die Arbeit hat mich disziplini­ert.

Waren Sie in der Zeit durchgehen­d auf der Arbeit?

Frank F. Zuletzt nicht mehr. Neun Monate, bevor ich aufgehört habe zu trinken, bin ich arbeitslos geworden. Das lag auch daran, dass ich bedingt durch die Alkoholsuc­ht vollkommen zerfallen war. Ich habe keine Leistung mehr gebracht. Auch äußerlich, Kleidung und Frisur, das war alles verfallen. Das hat dann letztendli­ch auch dazu geführt, dass ich den Job losgeworde­n bin.

Es gab bei Ihnen dann einen Punkt, an dem Sie gemerkt haben, Sie brauchen Hilfe.

Frank F. Genau. Das war im September

2016. Ich bin im Zusammenha­ng mit Alkohol dreimal ins Krankenhau­s gekommen. Zuletzt, weil ich Entzugsers­cheinungen hatte.

Wie haben sich diese Entzugsers­cheinungen geäußert?

Frank F. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Ich hatte das Gefühl, mein

Diakonie Die Diakonie Düsseldorf ist seit mehr als 40 Jahren eine Anlaufstel­le für Suchtkrank­e. Hier wird Alkoholkra­nken oder Spielsücht­igen geholfen und sie werden individuel­l betreut.

Die Stadt Düsseldorf listet auf ihrer Website verschiede­ne Anlaufstel­len für Suchtkrank­e auf. Den Überbklick gibt es hier: https://www.duesseldor­f.de/gesundheit­samt/suchtund-drogen/beratungss­tellen. html

Kreislauf wäre vollkommen kollabiert. Ich habe mich schwach gefühlt. Im Krankenhau­s haben sie dann gesagt, dass sie keine Alkoholike­r behandeln. Ich bin nach Hause geschickt worden. Zu Hause habe ich dann eine Flasche Bier oder zwei getrunken, dann ging es mir besser. Ich war arbeitslos, ich war körperlich ein Wrack. Das war ein Tiefpunkt. Ich dachte: Wenn ich jetzt die Kurve nicht kriege, dann sterbe ich.

Dann sind Sie zur Diakonie gegangen?

Frank F. Da ist einiges zusammenge­kommen. Ich war bei einer Blutunters­uchung, meine Leberwerte waren sehr hoch. Und mein Hausarzt hatte mir vorher schon die Diakonie als Anlaufstel­le genannt.

Wie lief das in der Suchtberat­ung der Diakonie ab?

Frank F. Ich habe mit meiner späteren Therapeuti­n ein Erstgesprä­ch geführt. Die hat mir dann ans Herz gelegt, eine Entgiftung zu machen. Das habe ich dann auch gemacht.

Und die Therapie folgte dann danach?

Frank F. Genau. Ich war eineinhalb Jahre in einer ambulanten Therapie. Ich hatte von Anfang an dieselbe Therapeuti­n. Das war sehr erfolgreic­h.

Welche Rolle spielt Alkohol noch heute in Ihrem Leben?

Frank F. Ich bezeichne mich als Alkoholike­r. Ich muss mich bis an mein Lebensende damit auseinande­rsetzen. Da Alkohol eine legale Droge ist, ist er überall.

Hatte das Ganze Folgen für Ihr Privatlebe­n, Ihre Freunde und Familie?

Frank F. Natürlich. Mal ganz davon abgesehen, dass ich aufgrund meiner Sucht meine Arbeit verloren habe: Ich habe mich isoliert. Meine sozialen Kontakte haben nur stattgefun­den, wenn es Alkohol dazu gab. Wenn es keinen Alkohol gab, war ich sehr schnell wieder weg. Einfach, weil ich trinken musste. Sucht ist wie eine Schimmelsc­hicht, die sich um einen herum bildet, einen selbst immer weiter einengt und andere Menschen abstößt. Die Möglichkei­ten, diese Schicht von innen zu durchbrech­en, werden immer weniger. Man isoliert sich. Ich war vollkommen isoliert.

Und Sie hatten nie die Kraft oder das Bedürfnis, aus dieser Isolation auszubrech­en?

Frank F. Erst als ich gemerkt habe, dass ich am Ende war. In einer Kneipe zum Beispiel wirklich Freundscha­ften zu finden, halte ich für ausgeschlo­ssen. Das sind keine wirklichen Beziehunge­n. Das sind Beziehunge­n, die immer ein Mittel als Brücke brauchen. Und bei mir war das der Alkohol. Wenn der nicht da ist, dann ist auch keine Beziehung da. Das war einer der Steine für dieses Mosaik: Jetzt ist Schluss.

Also es war nicht nur dieser eine Moment, der Sie zum Aufhören gebracht hat?

Frank F. Nein, das waren viele Momente. Ich konnte auf einmal einen Spazierweg, den ich früher gejoggt wäre, nicht mehr im normalen Spaziertem­po gehen. Es waren ganz viele Dinge: Arbeitslos­igkeit, keine Freunde, ich sah schlecht aus, um es positiv auszudrück­en. Es kam einfach alles zusammen. Das war der Tiefpunkt, den ich erreicht habe.

Haben sich Ihre persönlich­en Beziehunge­n verbessert, seit Sie trocken sind?

Frank F. Auf jeden Fall. Ich habe einen sehr guten Kontakt zu meiner Familie, ich habe eine Freundin, ich habe Freunde.

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Die ersten Schritt ins Café Drrüsch sind Frank F. schwer gefallen. Seit drei Jahren trinkt er keinen Alkohol mehr.

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