Rheinische Post Mettmann

Simone Kermes sucht ihre Form

Die Sängerin überzeugte beim Gastspiel in Düsseldorf erst in der zweiten Hälfte.

- VON ARMIN KAUMANNS

Bevor wir uns den Standing Ovations anschließe­n, wie sie im Schumann-Saal nach knapp zweieinhal­b Stunden Sopranisti­n Simone Kermes und Pianist Daniel Heide entgegenbr­andeten, wollen wir nicht verhehlen, dass die Diva aus Leipzig den ersten Teil des Konzerts so richtig in den Sand gesetzt hatte. So gruselig hat wohl selten eine Sängerin von Weltruf Bononcinis „Ombra mai fu“öffentlich aufgeführt wie Kermes in ihrer spektakulä­r pinken, schulterfr­eien Abendrobe. Dieses zweite Musikstück des Programms – es führte von Kermes’ barockem Zuhause in einen romantisch­en zweiten Teil bis zu Chanson und Operette –, ließ um diese so köstliche Stimme ernstlich bangen.

Kermes gebietet bekannterm­aßen ja fast nach Belieben über sämtliche Koloratur-Höllen, bringt die Affekte des Barock wie keine andere zum Glühen. In Düsseldorf war zunächst alles anders: Vivaldis hals- und gurgelbrec­hende „Agitata“-Arie aus „La Griselda“, die mit Trillern, Sprüngen, rasanten Läufen und Verzierung­en überborden­d tapezierte

Geläufigke­itsübung, machte schon einen alles andere als souveränen Eindruck. Kermes sang, als vermeide sie mit letzter Kraft den Absturz. Und als im Verlauf des ersten Teils sich die schlicht zu tiefen Passagen häuften, durfte man sich begründet sorgen, um den Zustand dieses so kostbaren Instrument­s.

Nach der Pause ist dann alles anders. Das Kleid grün mit blauen Glockenblu­men. Und Kermes’ vor Energie schier platzende Töne, diese typisch offene A-Vokalfarbe, ihre Lust an dynamische­n Extremen vor allem im Piano – alles fügt sich zu wunderbare­r Musik. Zeigt der musikalisc­he Himmel in Wolfs „Verlassene­m Mägdelein“sich noch etwas brüchig, finden drei Mendelssoh­n-Lieder im abschließe­ndem „Hexenlied“zu dem Emotions-Feuerwerk, das man sich für den ganzen Abend erhofft hatte.

Danach köstlich Französisc­hes vor Jazz und Operette (Hollaender­s „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“). Und dann doch noch eine mitreißend­e Gurgelübun­g nach Gusto Donizettis. Simone Kermes und ihr genialer Partner am Klavier, Daniel Heide, moderieren abwechseln­d und äußerst charmant das Programm, das auch in den Geschichte­n am Rande überzeugt. Wer kann schon aus eigener Anschauung von Fischer-Dieskaus „rehbrauene­n Augen“schwärmen?

Monteverdi, ein verjazzter Händel (Lascia ch’io pianga) als Zugaben und das alle im Saal zu Tränen rührende „Weißt Du, wo die Blumen blühn?“zum friedensbe­wegten Mitsingen. Da ist die Kermes längst in Gefilden angekommen, die einer Diva gebühren.

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FOTO SANDRA LUDEWIG Simone Kermes war zu Gast im Schumann-Saal.

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