9000 Bodycams für NRW-Polizisten
Weil Gewalt gegen die Beamten zunimmt, investieren die Länder in bessere Ausstattung: Mini-Kameras sind in NRW schon Standard, Elektroschocker wurden bereits getestet.
BERLIN Als Reaktion auf die zunehmenden Angriffe gegen Polizisten rüsten die Bundesländer ihre Beamten besser aus. Das hat eine Abfrage unserer Zeitung bei allen Landesinnenund justizministerien ergeben. Demnach gehören Bodycams, an der Schulter getragene Minikameras, in sieben von 16 Bundesländern fest zur Ausstattung der Polizisten. Auch Elektroschocker, sogenannte Taser, werden bereits in acht Ländern verwendet. 2018, das geht aus dem aktuellen Lagebild des Bundeskriminalamts hervor, wurden 80.000 Polizeibeamte Opfer von Gewalt. Das entspricht einer Steigerung um sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Immer häufiger trifft es Polizisten auch in vergleichsweise harmlosen Situationen wie Einsätzen bei Ruhestörungen.
Viele Länder haben reagiert: So sind Bodycams flächendeckend in sieben Bundesländern (NRW, Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland) im Einsatz. Mecklenburg-Vorpommern,
Niedersachsen und Sachsen rüsten gerade auf, in Brandenburg, Bremen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen laufen Testphasen. Nur in Berlin wird es bis zu den ersten Tests noch dauern. Die Kameras zeichnen die Einsätze bei Streiffahrten auf und sollen auf Angreifer abschreckend wirken. Die Aufnahmen sind vor Gericht als Beweismittel zugelassen.
NRW hat im Herbst mit der landesweiten Ausstattung der Beamten begonnen. Im Laufe dieses Jahres soll es 9000 Bodycams geben. Laut Ministerium sind dann unter anderem alle Polizisten im Streifen- und Verkehrsdienst ausgerüstet. Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) sagt, die Kameras wirkten in kritischen Situationen deeskalierend. „Und was Polizisten schützt, ist gut“, so Reul. In NRW dürfen die Polizisten mit den Kameras auch in Wohnungen filmen. Das ist in den meisten anderen Ländern nicht erlaubt. Kritiker bemängeln, dass mit der Kamera Gewalt gegen Polizisten dokumentiert wird, nicht aber Übergriffe durch Polizisten.
Außer mit Kameras rüstet die Polizei auch mit Tasern auf. Sie kommen bereits in Hessen und Rheinland-Pfalz und bald im Saarland zum Einsatz. In NRW, Bayern, Berlin, Brandenburg und Bremen laufen Probephasen. In NRW gab es bislang vereinzelte Tests. Die Ergebnisse wertet derzeit das Innenministerium aus. Die Entscheidung, ob ein flächendeckender Pilotversuch folgt, steht aus. Eine längst geplante Einführung scheiterte bislang vor allem an den Finanzen. Elektroschocker
sollen in Situationen helfen, in denen die Beamten sonst zur Schusswaffe greifen müssten. Kritiker warnen, weil in Deutschland dabei bereits mindestens drei Menschen ums Leben gekommen sind.
Als Grund dafür, dass die Zahl der Übergriffe auf Amtsträger zunimmt, sieht die Gewerkschaft der Polizei auch den Umstand an, dass zwischen Tat und Bestrafung oft zu viel Zeit vergehe. In NRW, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg wurden daher bei den Staatsanwaltschaften Sonderdezernate eingerichtet. Dort werden Verfahren wegen Gewalt gegen Amtsträger wie Polizisten, Rettungskräfte oder Jobcenter-Mitarbeiter gebündelt. In NRW hat nach Aachen, Köln und Düsseldorf nun auch Mönchengladbach ein solches Dezernat bekommen. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, hat sich die Zahl der Fälle, in denen Anklage erhoben wurde, seitdem mehr als verdoppelt. Zuvor hatte die Anklagequote bei derartigen Vergehen nur bei rund 20 Prozent gelegen.
Leitartikel