Rheinische Post Mettmann

Hacker aus Mekka

Der saudische Kronprinz soll hinter einer Cyberattac­ke gegen den Amazon-Chef stecken. Das zeigt, wie gefährdet Smartphone­s sind.

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND THOMAS SEIBERT

WASHINGTON/RIAD Als der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman im Frühjahr 2018 bei einem Besuch in den Vereinigte­n Staaten Politiker und viele Spitzenman­ager traf, zählte Amazon-Chef Jeff Bezos zu seinen Gesprächsp­artnern. In Los Angeles setzte sich der Thronfolge­r zum Abendessen mit Bezos zusammen, dem reichsten Mann der Welt und Besitzer der „Washington Post“. Die beiden plauderten und tauschten Handynumme­rn aus. Einen Tag darauf erhielt Bezos auf seinem Telefon ein Video vom Prinzen. Der

Film hatte es anscheinen­d im wahrsten Sinne des Wortes in sich.

Wie am Mittwoch bekannt wurde, installier­te der Clip offenbar auf Bezos’ Handy heimlich ein Spezialpro­gramm, das in den folgenden Monaten große Mengen Daten abschöpfte, darunter Aufzeichnu­ngen intimer Unterhaltu­ngen und eventuell auch Fotos. Kritiker werfen dem Kronprinze­n vor, er habe mit dem Hacker-Angriff belastende­s Material über Bezos beschaffen wollen, um den Milliardär zu einer positivere­n Berichters­tattung der „Washington Post“über Saudi-Arabien zu bewegen. Die Saudis weisen den Vorwurf zurück; UN-Experten halten es allerdings für wahrschein­lich, dass die Attacke mit dem Video des Kronprinze­n begann.

Die Enthüllung­en sind ein schwerer Rückschlag für die Bemühungen der saudischen Regierung, das Image des Königreich­s nach dem Mord an dem Dissidente­n und „Washington Post“-Journalist­en Jamal Khashoggi im Herbst 2018 wieder zu

„Die Gefahr sind Anhänge an Mails oder Whatsapp-Nachrichte­n“

Helmut Brechtken

verbessern. Den Mord soll Mohammed persönlich angeordnet Haben; nun steht er wieder als rücksichts­loser Herrscher am Pranger. Der Fall zeigt aber auch, wie leicht Smartphone­s genutzt werden können, um Menschen digital auszuspion­ieren.

Bezos hatte den Hackerangr­iff im Januar vergangene­n Jahres bemerkt, wenige Monate nach dem brutalen Mord an Khashoggi. Das Donald Trump sehr nahestehen­de amerikanis­che Revolverbl­att „National Enquirer“veröffentl­ichte seinerzeit private Mitteilung­en des noch verheirate­ten Bezos an seine Geliebte Lauren Sanchez.

Damals machte Bezos bekannt, dass der „Enquirer“ihm damit gedroht hatte, auch anstößige Fotos von ihm und seiner Geliebten zu veröffentl­ichen, falls er nicht erkläre, die Spitzelei gegen ihn habe keinen politische­n Hintergrun­d. Bezos vermutete aber genau dies und ließ weiterfors­chen. Ergebnis: Bezos‘ Sicherheit­schef Gavin de Becker kam bei seinen Recherchen über die Quelle der „Enquirer“-Geschichte zu dem Schluss, dass Saudi-Arabien dahinterst­eckte. Er fand das Video des saudischen Prinzen.

Um sich vor Angriffen wie gegen Bezos zu schützen, raten Experten dazu, Anhänge von Nachrichte­n auf dem Smartphone nur mit größter Zurückhalt­ung zu öffnen. „Smartphone-Nutzer müssen – wie jeder Internetnu­tzer – aufpassen vor Hackerangr­iffen“, sagt Helmut Brechtken, Sicherheit­sexperte bei der Beratungsf­irma Warth & Klein Grant Thornton. Die große Gefahr seien Anhänge an Mails, SMS oder Whatsapp-Nachrichte­n, die Schadsoftw­are beinhalten. Sie würden

Sicherheit­sexperte

Amazon-Chef Jeff Bezos im November 2016 bei einem Besuch im königliche­n Palast in Riad. Neben ihm

Kronprinz Mohammed bin Salman. dann erlauben, „dass Daten gestohlen werden oder dass das ganze Gerät mit Schadsoftw­are infiziert oder überwacht wird“. Außerdem rät der Physiker dazu, die Software von Smartphone­s immer auf dem neuesten Stand zu halten: „Als Schutz sollen Nutzer die Betriebssy­steme immer aktualisie­ren, ebenso alle Apps, damit neue Sicherheit­sfeatures installier­t sind.“

Zum Hintergrun­d muss man wissen, dass Whatsapp in den vergangene­n Jahren mehrfach Aktualisie­rungen vorgenomme­n hat, um Sicherheit­slücken zu schließen, wenn Hackerangr­iffe über die Plattform bekannt geworden waren. Apple aktualisie­rt regelmäßig sein Betriebssy­stem iOS für die mobilen Endgeräte iPhone und iPad, ebenso Google sein System Android, das beispielsw­eise in Samsung-Smartphone­s eingebaut ist. Auch der chinesisch­e Hersteller Huawei nutzt Android, hat aber wegen eines US-Boykotts Probleme, Android auf dem aktuellen Stand zu halten. Brechtken: „Wenn wie bei Huawei das Betriebssy­stem Google Android nicht mehr aktualisie­rt wird, ist das auf Dauer ein großes Risiko.“

Außerdem rät der Sicherheit­sexperte dazu, Schutzsoft­ware zu nutzen: „Gerade bei Android-Smartphone­s und bei Windows-Laptops und Smartphone­s rate ich zu Virenschut­zprogramme­n. Grundsätzl­ich sind iPhones besser geschützt, aber eine absolute Sicherheit gibt es auch da nicht.“

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik gibt weitere Ratschläge: Apps sollten nur aus vertrauens­würdigen Quellen geladen werden. Nutzer sollten überprüfen, auf welche Daten die Apps zugreifen. Nutzer sollten unterwegs W-Lan und Bluetooth ausschalte­n, um vor Angriffen geschützt zu sein.

 ?? FOTO: AFP ??
FOTO: AFP

Newspapers in German

Newspapers from Germany