Rheinische Post Mettmann

Bürgermeis­ter von Kerpen gibt nach Drohungen auf

Er könne das Risiko für seine Kinder nicht eingehen, berichtet Dieter Spürck (CDU). Auch im Landtag ist der Politikers­chutz Thema.

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KERPEN/DÜSSELDORF (csi/rky) Über die Sicherheit von Kommunalpo­litikern in Nordrhein-Westfalen wird seit Wochen diskutiert. Jetzt hat der Bürgermeis­ter von Kerpen bei Köln, Dieter Spürck (CDU), erklärt, er werde auf eine weitere Kandidatur verzichten – aus Angst um seine Kinder.

Es gebe eine „zunehmende Verrohung in der ganzen Gesellscha­ft“, beklagte der 53-Jährige im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“und der „Kölnischen Rundschau“: „Soweit mich das betrifft, halte ich das für ein tragbares Berufsrisi­ko, aber nicht für meine Frau und meine Kinder.“Er habe in seinem Briefkaste­n die Nachricht gefunden, dass seine „Kinder es zu spüren“bekämen, wenn er sich nicht „intensiver für den Hambacher Wald einsetzen“würde. Auch Gegner der Flüchtling­spolitik hätten versucht, ihn einzuschüc­htern. Wenn einem Kind in Kerpen etwas geschehe, dann werde es seinen Kindern „ebenfalls so gehen“, sei er gewarnt worden.

„Es gab Ankündigun­gen, mir die Mafia auf den Hals zu hetzen. Einmal ist mir ein Auto langsam gefolgt, als ich zu Fuß von einem Termin wegging“, berichtete Spürck. Er hatte das Amt 2015 übernommen. Seitdem habe er „wiederholt Schrammen“an seinem Auto vorgefunde­n. „Vor meiner Haustüre hat man mir die Luft aus den Reifen gelassen. An der Rathaustür­e hingen Beschimpfu­ngen“, sagte der Vater von zwei Kindern.

Anfang Januar war bekannt geworden, dass der Bürgermeis­ter von Kamp-Lintfort, Christoph Landscheid­t (SPD), einen Waffensche­in beantragt und gegen die Ablehnung Klage eingereich­t hatte, die er inzwischen zurückgezo­gen hat. Er fühlte sich von Rechtsextr­emen bedroht.

Am Mittwoch beschäftig­te sich auch der NRW-Landtag mit dem Thema Politikers­chutz. Vertreter aller Parteien zeigten sich in einer aktuellen Stunde solidarisc­h mit Landscheid­t und anderen Politikern, die von Radikalen bedroht werden. Solche Angriffe müssten konsequent verfolgt werden, erklärte Sven Wolf für die SPD-Fraktion. „Ein Angriff auf einen Bürgermeis­ter ist wie ein Angriff auf uns alle“, sagte er.

Ein „Schultersc­hluss der Demokraten“sei notwendig“, ergänzte Verena Schäffer von den Grünen. Es sei „beschämend und verstörend“, dass man sich mit Attacken gegen Kommunalpo­litiker auseinande­rsetzen müsse, sagte Frank Boss von der CDU. Kommunalmi­nisterin Ina Scharrenba­ch (CDU) kündigte an, im Mai eine „Respekt-Kampagne“zu starten, bei der die Bedeutung lokaler Amtsträger für die Demokratie erläutert wird. Video-Aufnahmen mit Bürgermeis­tern verschiede­ner Parteien seien in Arbeit, sagte Scharrenba­ch.

Kein Redner plädierte dafür, dass Kommunalpo­litiker sich gegen Angriffe bewaffnen sollten. Mit „Kleinkalib­er im Sakko“werde das

Land „kein Stück sicherer“, sagte FDP-Fraktionsv­ize Marc Lürbke. „Es kann nicht die Lösung sein, dass Menschen sich bewaffnen“, betonte Innenminis­ter Herbert Reul (CDU). Es gebe zwar eine „breite Bedrohung von Menschen, die sich für unser Land einsetzen“, aber gleichzeit­ig warnte er vor Hysterie: Die Zahl der Angriffe sei „überschaub­ar“. Nach 43 Übergriffe­n auf Kommunalpo­litiker im Jahr 2018 seien im vergangene­n Jahr nur noch 20 Straftaten registrier­t worden.

Auch Markus Wagner (AfD) sprach sich dafür aus, Neonazis zu bekämpfen. Zugleich müssten auch Linksradik­ale gestoppt werden, die gegen Büros seiner Partei Anschläge verübt hätten.

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