Berlin wird wieder zu Babylon
Am Freitag startet die dritte Staffel der Serie beim Bezahlsender Sky. Produzent Stefan Arndt erzählt davon, wie der enorme Erfolg die Arbeit verändert hat und welche Ideen geholfen haben, ein solches Mammut-Projekt zu stemmen.
BERLIN Mit Erfolg kennt Stefan Arndt sich aus, mit Misserfolg auch. Entsprechend weiß der Filmproduzent sein Glück zu schätzen, mit „Babylon Berlin“2017/18 die vielleicht erfolgreichste deutsche TV-Serie aller Zeiten mitverantwortet zu haben. Dazu mit 40 Millionen Euro Herstellungskosten auch die teuerste. Ein Fernsehereignis. Verkauft in mehr als 100 Länder, überschüttet mit Preisen, verwöhnt mit hohen Zuschauerzahlen. Dass es weitergehen würde, war schnell klar. Am 24. Januar startet die zwölf Folgen umfassende dritte Staffel auf dem Bezahlsender Sky, bevor im Herbst die ARD nachzieht. Abgesehen davon, dass der Erfolg eine Fortsetzung überhaupt ermöglicht hat, profitierte die Produktion kaum. Das Budget sei dasselbe gewesen, sagt Arndt. Erfolg habe hierzulande nichts damit zu tun, dass sich die Arbeitsbedingungen verbesserten. „Jeder Beteiligte, vom Motivgeber bis zum Beleuchter, denkt aber, dass wir nun in Geld schwimmen“, sagt Arndt.
Obwohl deutlich weniger Zeit zur Verfügung stand, um die Geschichte weiter zu entwickeln und den Dreh vorzubereiten – nämlich statt vier nur anderthalb Jahre –, packt die dritte Staffel von der ersten Folge an. Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch) muss sich dem vermeintlichen Unfalltod einer Schauspielerin widmen, während seine Assistentin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) versucht, bei der Polizei Fuß zu fassen, und Gangster die Filmproduktion übernehmen.
Dies alles wird erzählt vor dem Hintergrund der heraufziehenden Weltwirtschaftskrise und dem allmählichen Erstarken der Nationalsozialisten. Die Regisseure verzichten etwas auf die optische Opulenz der ersten beiden Staffeln, konzentrieren sich dafür mehr auf ihre Figuren und schaffen es so, den Zuschauer in die Geschichte und die Zeitläufe hineinzuziehen. Arndt erklärt das als einen positiven Effekt des Erfolgs: Dass man dem Zuschauer zutrauen konnte, dass er Zeit und Figuren akzeptiert, habe den Autoren einen größeren dramaturgischen Spielraum ermöglicht.
Wobei man wissen muss, dass die drei Regisseure Tom Tykwer, Henk Handloegten und Achim von Borries zugleich die Autoren sind. Als Vorlage diente der Roman „Der stumme
Tod“von Volker Kutscher. Dazu arbeiten neben Arndt noch die Produzenten Uwe Schott und Michael Polle, alle von X Filme, verantwortlich an dem Mammutprojekt. Viele Filmköche also. „Natürlich gibt es da Differenzen“, sagt Arndt. „Aber 99 Prozent der Probleme lassen sich objektivieren, der Rest ist Geschmack.“Wenn man sich auf ein Ziel geeinigt habe, gehe es nur noch darum, wie man es am schlauesten erreiche. Während das Handlungsgerüst gemeinsam entworfen wird, verändern sich die Details später im laufenden Prozess. „,Babylon Berlin‘ ist eine Autorenfilmerserie, die bis in den Schnitt weiter kreativ behandelt wird. Das ist nicht nur Malen nach Zahlen wie bei anderen Serien, wo bestimmte Schemata abgefeiert werden“, sagt Arndt.
Ungewöhnlich mutet auch die Herangehensweise an die einzelnen
Folgen an, die jeweils von allen drei Regisseuren zu etwa gleichen Teilen gestaltet werden. „Wir haben budgetäre Zwänge zu unserem Vorteil gewandelt“, erklärt Arndt das Vorgehen. Gedreht wurde in Motiven, also beispielsweise 15 Tage im Polizeirevier oder 20 Tage in der Berliner Straße, bis jeder Regisseur auf die gleiche Zahl von Drehtagen kam – ungefähr 40. Hinterher wurde das Material entsprechend zusammengeschnitten. „Auf diese Weise ergänzen sich die verschiedenen Stärken und Schwächen der Regisseure in jeder Folge“, sagt Arndt. „Aus dreimal eins wird gewissermaßen vier, etwas vollkommen Eigenes.“
Neuland beschritten haben Arndt und seine Mitstreiter auch mit ihrem Kooperationsmodell. Zu den Partnern gehören mit dem Bezahlsender Sky und der öffentlich-rechtlichen Anstalt ARD zwei Konkurrenten.
Die Zeit sei reif dafür gewesen, sagt Arndt, und er habe das Glück gehabt, das passende Projekt vorschlagen zu können. „Es war frappierend zu sehen, wie ähnlich die Wünsche der Betreiber nach Erweiterung des Publikums sind, etwa hinsichtlich weiblicher Zuschauer.“Einflussnahme habe es nicht gegeben, im Gegenteil. Zu Beginn saßen Verantwortliche aller Partner zusammen und entwickelten über mehrere Tage dramaturgische Ideen. „Insofern kann man wirklich von einem Gemeinschaftswerk sprechen“, sagt Arndt. „Nach solchen Erfahrungen trauen sich die Sender nicht, sich später über die Farben der Socken eines Darstellers zu beschweren.“
Derartige Kooperationen seien die Zukunft, man arbeite bereits mit Netflix an Projekten und werde dies wohl auch mit Amazon tun. „So können wir europäische Inhalte dem Menschen in Europa nahebringen. Ich kann mir durchaus ein ,Babylon Paris‘, ,London‘ oder ,Madrid‘ vorstellen. Dort gibt es auch Perioden, die die Menschen faszinieren.“Grundsätzlich müsse man schneller reagieren, die amerikanischen Unterhaltungskonzerne nicht vorbeiziehen lassen. Wenn es um aufwändige TV-Projekte gehe, sei vieles hierzulande schwer planbar. „Man investiert unfassbar viel Zeit in Projekte, die sich hinterher einfach in nichts auflösen“, sagt Arndt. „Das gefährdet deutsches Kulturgut.“
Für „Babylon Berlin“aber sieht es gut aus. Auch dank Finanzspritzen von Filmförderungen, unter anderem der Film- und Medienstiftung NRW, die 1,25 Millionen Euro beigesteuert hat. Dafür entstanden etliche Szenen in NRW, unter anderem in Düren, Solingen und Königswinter. Arndt, der mit X Filme in Berlin sitzt, ist Nordrhein-Westfalen und der Filmstiftung schon lange verbunden. Sinn einer solchen Serie sei es auch, für Standorte zu werben. Im Fall von „Babylon Berlin“weltweit. Schon jetzt, nur auf Basis eines längeren Trailers, ist die dritte Staffel wieder in mehr als 100 Länder verkauft.
Bei so andauerndem Erfolg sollte eine vierte Staffel nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Demnächst werde mit den entscheidenden Leuten darüber gesprochen. „Fest steht es noch nicht“, sagt Arndt, „aber wir sind ganz guter Dinge, dass da was gehen wird.“